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WSI-Studie zu Mindestlohn
Große Unterschiede in der EU

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hat die Mindestlöhne in der EU verglichen. Dabei kam unter anderem heraus: In Deutschland könnte der Mindestlohn durchaus höher liegen.

Von David Zajonz | 28.02.2018
    Eine Frau hält 8,84 Euro in Münzen in ihren Händen.
    In Deutschland beträgt der Mindestlohn aktuell 8,84 Euro (dpa-Zentralbild)
    In Sachen Mindestlohn ist die EU in vier Gruppen aufgeteilt: die Westeuropäer mit dem höchsten Niveau, die Südeuropäer in der Mitte und die Osteuropäer mit den niedrigsten Mindestlöhnen. Dazu kommen insgesamt sechs Staaten, in denen es keinen allgemeinen Mindestlohn gibt, wie etwa Österreich.
    Deutschland gehört zur Top-Gruppe
    Deutschland gehört zur Top-Gruppe. Allerdings stellt das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut in seinem neuen Mindestlohnbericht fest: Unter den Westeuropäern liegt Deutschland eher im unteren Bereich. WSI-Forscher Malte Lübker:
    "Wir sehen, dass die vergleichbaren Länder, Frankreich, Benelux, höhere Mindestlöhne setzen. Und wir denken, dass das auch eine sinnvolle Orientierung ist für Deutschland."
    Zwar hat Deutschland mit 8, 84 Euro den sechshöchsten Mindestlohn in der EU. Doch die westlichen Nachbarn bieten mehr: Allen voran Luxemburg mit rund elf Euro 50 und Frankreich mit knapp 10 Euro. Die stärkste Dynamik sieht Lübker aber in Osteuropa:
    "Sie haben in Rumänien, wenn sie ein Jahr zurückgehen, 52 Prozent Mindestlohnerhöhung. Lettland, Bulgarien, Tschechien, Slowakei sind auch alle mit gut zehn Prozent Mindestlohnerhöhung dabei."
    In Deutschland undenkbar. Doch auch hier kann sich Lübker größere Erhöhungen als bisher vorstellen. Schließlich habe Deutschland seinen Mindestlohn bei der Einführung 2015 recht niedrig angesetzt – aus Angst vor höherer Arbeitslosigkeit:
    "Das hat sich natürlich inzwischen rausgestellt, dass wir da ein bisschen übervorsichtig waren und man keine wesentlichen Beschäftigungseffekte sieht. Auf jeden Fall sieht man keine Effekte in den Größenordnungen, die im Vorfeld an die Wand gemalt worden sind."
    Höherer Mindestlohn könnte Arbeitsplätze kosten
    Keine höhere Arbeitslosigkeit durch den Mindestlohn. Das gesteht auch Hagen Lesch ein. Er ist Tarifexperte am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft. Das Institut sieht den Mindestlohn eher kritisch. Lesch warnt vor einer zu starken Erhöhung:
    "Der Mindestlohn hat bislang dem Arbeitsmarkt nicht offensichtlich geschadet. Jetzt kann man natürlich argumentieren: Wunderbar alles, wir können jetzt mal so richtig testen wie weit das geht. Da warne ich allerdings davor, weil wir bislang immer eine Schönwetterperiode hatten, der Arbeitsmarkt ist erstaunlich stabil."
    Wenn es der Wirtschaft schlechter geht, könnte ein höherer Mindestlohn Arbeitsplätze kosten, glaubt Lesch:
    "Dann wird der Mindestlohn natürlich schnell zum Problem. Dann ist auch klar: Je höher er ist, desto größer wird das Problem. Aber niemand kann natürlich verlässlich sagen, wo die Schwelle ist, ob bei 9 Euro oder bei zehn Euro – das wissen wir nicht."
    Der Schlüssel für die Höhe des deutschen Mindestlohns liegt in den Händen der Mindestlohnkommission. Hier sitzen Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammen. Alle zwei Jahre passt die Kommission den Mindestlohn an. Sie orientiert sich dabei meist an der Entwicklung der Tariflöhne. Sollte sie das auch diesmal tun, hat das Statistische Bundesamt schon die mögliche Erhöhung ausgerechnet: Der Mindestlohn würde ab Januar nächsten Jahres auf 9,19 Euro ansteigen.