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"Würde noch nicht von Schaden reden"

Der frühere Integrationsminister von NRW, Armin Laschet (CDU), bestätigt die Äußerung Hans-Peter Friedrich, dass der Islam "historisch" nicht zu Deutschland gehöre. Er rät dem Innenminister allerdings bei der kommenden Islam-Konferenz ein Signal zu setzen, das " Dazugehörigkeit" ausstrahle.

Armin Laschet im Gespräch mit Peter Kapern | 07.03.2011
    Peter Kapern: Er war nicht der erste Unionspolitiker, der dem Islam einen gewichtigen Platz in Deutschland zuwies, aber qua Amt war er der wichtigste: Bundespräsident Christian Wulff am 3. Oktober vergangenen Jahres.

    O-Ton Christian Wulff: Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland, das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland, das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.

    Bundespräsident Christian Wulff am 3. Oktober 2010, so weit, so gut. Aber dann sorgte in der vergangenen Woche der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich für einen Paukenschlag. Auch historisch, so beschied er nach nicht einmal 24 Stunden im Amt, auch historisch lasse es sich nicht belegen, dass der Islam zu Deutschland gehört. Und er entfachte damit eine Islamdebatte, die nun einmal mehr das Land, vor allem aber die Union beschäftigt.

    Kapern: Wie er die Äußerung des neuen Bundesinnenministers bewertet, das habe ich vor der Sendung den früheren nordrhein-westfälischen Integrationsminister Armin Laschet gefragt.

    Armin Laschet: Also ich finde die ganze Diskussion, die wir uns nun schon seit zwei, drei Tagen wieder leisten, ist eine dieser künstlichen Debatten, wo die einen über was anderes reden, als der andere gesagt hat. Ich finde, zwei Sätze passen zusammen, erstens: Der Islam ist Teil der deutschen Gesellschaft, da hat der Bundespräsident recht, und zweitens: Natürlich gehört er historisch nicht zur deutschen Geschichte, zur deutschen Kultur, die ist im Wesentlichen jüdisch-christlich geprägt. Und warum man nicht in der Lage ist, sich auf diese beiden Sätze zu verständigen, das ist mir unerklärlich, und deshalb halte ich die ganze Debatte für sehr künstlich.

    Kapern: Ja aber die Sache ist ja nicht so einfach vom Tisch zu bekommen, wie Sie das gerade versuchen, weil Hans-Peter Friedrich ja gesagt hat, auch historisch betrachtet sei der Islam kein Teil Deutschlands. Das heißt, historisch und auch in anderer Hinsicht ist er kein Teil Deutschland?

    Laschet: Ja aber, Herr Kapern, wir sind ja schon wieder jetzt in der Analyse eines Wortes mit vier Buchstaben, nämlich auch. Daran machen wir jetzt Textanalysen. In wenigen Tagen wird dieser Bundesinnenminister Friedrich die Deutsche Islam Konferenz eröffnen, er wird da mit den Muslimen über da Zusammenleben in Deutschland sprechen, was, wie ist das Verhältnis von Staat und Religion. Also alles das bräuchte man ja gar nicht machen, wenn der Islam nicht Teil der deutschen Gesellschaft wäre. Die ganze Islamkonferenz beruht doch auf der Idee: Der Islam ist Teil der Gesellschaft und wir müssen jetzt das Verhältnis von Staat und Religion so klären, wie wir das vor langen, langen Jahrzehnten mit den christlichen Kirchen gemacht haben. Also faktisch wird er genau das bestätigen, was wir jetzt in das Wort auch hineininterpretieren.

    Kapern: Aber verzeihen Sie mir, wenn ich Sie dann noch nicht so einfach davonkommen lasse, es gibt noch ein anderes Zitat: Volker Kauder, der Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, der hat gesagt, der Islam hat unsere Gesellschaft nicht geprägt, er tut das auch heute nicht, und damit gehört er nicht zu Deutschland.

    Laschet: Ja also ich finde, das sind nämlich diese beiden Sätze, die er da auseinanderhält: Ja, er hat uns historisch nicht geprägt, ja, er prägt bis heute unsere Werteordnung auch nicht, jedenfalls gibt es wenig bedeutende Beiträge sagen wir mal zur kulturellen und gesellschaftspolitischen Diskussion in Deutschland. Aber er ist trotzdem Teil der Gesellschaft. Bei uns ist sehr vieles Teil der Gesellschaft, was uns über Jahrhunderte nicht geprägt hat. Dieser ...

    Kapern: ... aber wie kann man Teil der Gesellschaft sein, wenn man gleichzeitig feststellen kann, er gehört damit nicht zu Deutschland?

    Laschet: Ja der Satz ist falsch. Man kann nicht Mesut Özil für Deutschland im Nationaltrikot auflaufen lassen, stolz darauf sein, aber seine Religion nicht zu Deutschland erklären. Das passt nicht zusammen, die vier Millionen Muslime, die in Deutschland leben, gehören zu Deutschland, sind Teil der deutschen Gesellschaft. Und ich denke das ist auch der Grund, weshalb auch der neue Bundesinnenminister eine Islam Konferenz machen wird.

    Kapern: Ist der Grund für die aufgeregte Debatte, die ja innerhalb des Lagers der Union angezettelt worden ist und auch überwiegend innerhalb der Union geführt wird, ist der Grund dafür, dass wichtige Landtagswahlen vor der Tür stehen? Glaubt da vielleicht der eine oder andere Politiker, mit ein wenig Sarrazin könnte man den Wahlkampf noch würzen?

    Laschet: Nein, das hat ja mit Sarrazin nichts zu tun, Sarrazin ist nun wirklich kein Konservativer, der war in rot-roten Senaten in Berlin verantwortlich, das ist ein SPD-Politiker, der auch unser Wertekonzept nicht teilt. Nein, die Sache ist auch glaube ich nicht von der Union angezettelt, sondern bei einer Pressekonferenz ist eine der letzten Fragen, im Herausgehen fast an den Bundesinnenminister diese Frage gewesen, und dann hat sich auf allen Seiten, nehme ich manche in unseren Reihen gar nicht aus, die übliche reflexartige Debatte über künstliche Themen ereilt. Und ich finde, man muss auch über Parteigrenzen hinweg bei so einem wichtigen Thema sich wirklich auf Grundsätze verständigen und nicht absichtlich aneinander vorbeireden.

    Kapern: Andere Teilnehmer an der Islam Konferenz als Hans-Peter Friedrich waren ja sehr empört darüber, da hat es sehr fulminante Stellungnahmen gegeben. Wie groß ist der Schaden, der mit dieser Debatte angerichtet worden ist?

    Laschet: Ja das wird sich zeigen an der nächsten Islam Konferenz, wie konstruktiv ...

    Kapern: ... es gibt also einen Schaden?

    Laschet: Ja den muss man erst mal messen, ob es ihn gibt, oder ob diese Aufgeregtheit sich nach drei, vier Tagen wieder legt. Ich würde mir wünschen, dass, wenn die Islam Konferenz startet, wenn der neue Innenminister auf die Gruppen - das sind ja liberale Muslime, das sind Konservative, das sind sehr unterschiedliche Strömungen -, dass man da merkt, ihm ist diese Sache ernst. Und deshalb würde ich heute noch nicht von Schaden reden, sondern würde sagen, warten wir diese Sitzung ab, das sind ja nur noch zwei Wochen, und die Chance sollte man auch einem Bundesinnenminister geben.

    Kapern: Aber wie kann man den Gesprächspartnern den Eindruck vermitteln, dass die Integration einem ein ernstes Anliegen ist, wenn man gleichzeitig wenig sublim ihnen mitteilt, ihr gehört eigentlich gar nicht zu uns?

    Laschet: Durch das Wort historisch hat er ja diese Vermischung gemacht, dass er quasi die Geschichte erklärt hat. Das versteht aber auch jeder Muslim. Natürlich haben sie nicht Jahrhunderte Deutschland geprägt, denn die meisten der Millionen Muslime sind ja erst seit 1960, 1961, als die Zuwanderung nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, im Lande. Da fühlt sich auch niemand verletzt, wenn man das sagt. Nur die Debatten, so wie sie geführt werden und wie sie dann noch mal von allen Seiten noch zugespitzt werden, die vermitteln dann noch mal stärker das Gefühl, ihr gehört nicht dazu. Wir brauchen eigentlich eher das Gegenteil, wir brauchen das Signal: Ihr seid Teil der Gesellschaft, auch eure Religion ist hier akzeptiert und wir wollen, dass wir friedlich zusammenleben.

    Kapern: Was würden Sie dem neuen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich empfehlen für die erste Sitzung der Islam Konferenz Ende März? Wie müsste er jetzt auf die Gesprächsteilnehmer zugehen?

    Laschet: Also ich glaube, das wird sehr wichtig, wie er in den ersten Worten der Eröffnung dieser Konferenz das Signal setzt, das genau diese Dazugehörigkeit ausstrahlt. Ich habe jetzt übers Wochenende gelesen, was ich nicht wusste, dass er sogar eine türkeistämmige Schwägerin hat, vielleicht lässt er sich mal von ihr beraten, wie das auf Menschen wirkt, wenn man ihre Religion als nicht zugehörig fühlt. Übrigens, wir Katholiken kennen das auch: Aus dem Kulturkampf im 19. Jahrhundert, als man quasi sagte, ihr seid keine richtigen Deutschen, ihr hört auf den Papst in Rom und nicht auf den protestantischen Kaiser, da haben wir das alles schon mal gehabt. Und deshalb gibt es auch ja im Rheinland diese tief verankerte Skepsis gegenüber den Preußen und gegenüber Berlin. Und auch aus solchen historischen Erfahrungen, was Emotionen bedeuten können, auch in der Politik, kann man vielleicht auch bei der Islamdiskussion lernen.

    Kapern: Armin Laschet, der frühere nordrhein-westfälische Integrationsminister. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.