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Wunderland des Hopfensaftes

Früher gab es in jedem belgischen Dorf eine Brauerei. Kein Wunder also, dass in Belgien so exotische Sorten wie Kirschbier oder der Kwack auf den Tresen kommen.

Von Eva Firzlaff | 31.01.2010
    In den Klöstern wurde Bier schon im Mittelalter gebraut, nicht nur für die Mönche. Und auch die Bettler und armen Leute haben auch Bier bekommen. Brot und Bier. Jetzt wird unterschieden zwischen Abteibier und Trapistenbier, sagt der Benediktiner Dom Wilfried im Kloster Afflingem.

    Die Trapisten haben noch echte Brauerein im Kloster. Aber bei den Benediktinern ist das nur noch der Name. Eine Brauerei macht Bier unter dem Namen. Aber eben nach den alten Rezepten. Das Kloster Affligem bei Aalst wurde vor etwa 1000 Jahren gegründet, mehrmals zerstört und wieder aufgebaut. In der Klosterschänke vermutet der Wirt: Das Starkbier Trippel wurde wohl in der Fastenzeit erfunden.

    "Normalerweise sagt man ja, dass man in der Fastenzeit weniger Bier trinken soll. Dieses Fastengebot kann man aber dadurch umgehen, dass man einfach ein Bier macht, das dreimal stärker ist. Man nimmt halt mehr Grundstoffe und kriegt dadurch einen höheren Alkoholgehalt. Jetzt geht man in Belgien zum Biertrinken ins Cafe, da gibt es zwar auch einen Kaffee, aber: Cafe ist eine Kneipe","

    … sagt Jozef und geht mit uns in eine braune Kneipe.

    Ist eine braune Kneipe eine Kneipe, wo man auch noch reden kann, wo man nicht gestört wird durch laute Musik. Braun, weil meistens dort braune Stühle stehen, braune Sessel. Im "Dulle Griet", in Gent am Vrijdagmarkt hängt an der Decke ein Korb mit Schuhen. Ich denke, das sind irgendwelche alten - als Deko. Stimmt nicht.

    ""Wenn Sie ein Kwack trinken hier, dann muss man einen Schuh abgeben. Der wird dann hoch gezogen. Wenn Sie die Rechnung bezahlt haben, bekommen sie Ihren Schuh zurück. Ein Kwack ist ein blondes Bier, ziemlich stark, wird serviert in einem Glas ohne Fuß."

    Das Glas sieht aus wie eine große Eieruhr, oben offen, und steht in einem Holzgestell. Weil diese oft als Souvenir verschwanden, muss man einen Schuh als Pfand geben. Das Glas geht am Tisch reihum und je weniger drin ist, umso größer die Gefahr, dass der Rest auf dem Hemd landet, eben der Kwack.

    Damit man möglichst viele Biere probieren kann, sind in Belgien die Flaschen und Gläser kleiner: 0,3 Liter oder nur ein Viertel.

    Mitten in der Genter Altstadt steht ein stattlicher Turm, sieht aus wie ein Kirchturm, ist aber der Belfried. Ein Zeichen der Stadtmacht, ein politisches Zeichen, das hat nichts mit der Kirche zu tun. Er war auch ein Aussichtsturm, wo drauf die Wächter standen, und bei Angriffen oder bei Brand musste man eine Riesenglocke schütteln, eine Bombarde. In der Nähe ist die älteste Kneipe "de Türk", 600 Jahre alt.

    "Das hat nichts mit der Türkei zu tun. Die Junggilde von den Armbrustschützen - daneben war das Gildehaus der Armbrustschützen -, aber die jungen hießen die jungen Türken. Auch das 'Cafe de Türk' ist eine braune Kneipe. Gent hat eine ausgedehnte Altstadt, großteils aus dem Mittelalter."

    Wissen sie, dass um 1400 Gent die zweitgrößte Stadt nördlich der Alpen war? Ebenso groß fast wie Paris und viel größer als London. Die Tuchmacherei brachte Reichtum. Selbst die Grafenburg wurde später zur Textilfabrik. Die trutzige Burg mitten in der Stadt. Gebaut 1180. Joel Etzold:

    "Das war die Zeit der Kreuzzüge und Philipp von Elsass hat in Syrien den Krak des Chevaliers gesehen oder verschiedene Kreuzritterburgen und hat dann in Gent eine ähnliche Burg hingesetzt, eine sehr imposante Ritterburg."

    Doch die Genter mochten ihre Burg nicht, über Jahrhunderte. Sie sollte sogar abgerissen werden, um einem Parkhaus Platz zu machen. Denn die Burg war Gefängnis und Folterstätte und auch eine gewisse Drohung gegenüber der Stadt.

    "Das war gerade die Zeit, wo die Bürger der Stadt sehr reich waren. Gent war eine sehr reiche Stadt. Das war dem Grafen von Flandern auch ein Dorn im Auge, weil die Städte immer mehr Rechter verlangten, da musste man die in Schach halten."

    Jetzt ist die Burg Stadtmuseum und eben verwinkelte Ritterburg, die man bis in die Burgzinnen durchstöbern kann. Und von oben hat man einen schönen Blick über Gent. In Oudenaarde steigen wir aufs Fahrrad. Bernadette Van Damme empfiehlt die Adrian-Brouwer-Tour.

    "Die beginnt in Oudenaarde. Und wenn Sie hier in den flämischen Ardennen herumfahren, müssen Sie wissen, dass man hier oft Hügel zu nehmen hat. Adrian Brouwer war kein Brauer, sondern Maler, geboren 1605 in Oudenaarde. Er war ein ganz guter Maler, ganz bekannt. Nur Brouwer hatte ein Problem: Er liebte das Bier zu sehr, er könnte auch kein Geld behalten. Schließlich kann man sagen, das Leben von Brouwer spielte sich ab zwischen - wie wir sagen - einem Cafe und seinem Atelier, also zwischen Kneipe und Atelier."

    Und so malte er hauptsächlich Kneipenszenen und Trinkergesichter. Die etwa 35 Kilometer lange Radroute kommt auch bei der Lifmanns-Brauerei vorbei. Hier war Rosa Merkx die erste und lange einzige belgische Braumeisterin. Früher gab es in jedem Dorf eine Brauerei. Es gab so viele Brauerein und deshalb so viel verschiedenes Bier. Von den 2000 Brauereien zu Rosas Zeiten sind jetzt noch 200 geblieben. Rosa wollte auch Frauen Bier schmackhaft machen, denn das Cafe genannte Bierlokal war nun nicht mehr alleinige Männerdomäne.

    In den 50er-Jahren gingen die Frauen auch in Cafes und junge Leute auch, die tranken Coca-Cola, das war süßer. So sollte unser Bier ein bisschen runder, vollmundiger und süßer sein. So wurde das Fruchtbier erfunden, das nicht nur Frauen schmeckt.

    "Kirschenbier. Mit echten Kirschen. Ein mal im Jahre, wenn die Kirschen reif sind, das ist im Juli, machen wir Kirschenbier. Früher war das nur ein Hobby. Aber jetzt ist es sehr bekannt. Allerdings wird nicht Bier mit Fruchtsaft gemischt. Nein, die Kirschen oder anderen Früchte liegen ein halbes Jahr im Bier und geben dem ihren Geschmack, ihre Farbe."