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Wundermittel Wasserstoff?
Wie die Niederlande die EU-Klimaziele erreichen wollen

Wasserstoff soll als Energieträger helfen, die europäischen Klimaziele zu erreichen. In den Niederlanden könnte die Gewinnung von Wasserstoff die Förderung von Erdgas ersetzen. Doch nicht immer ist die Nutzung von Wasserstoff auch nachhaltig.

Von Marten Hahn | 08.11.2020
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Nur knapp zehn Prozent der Energie in den Niederlanden kommen derzeit aus erneuerbaren Quellen, so Wasserstoff-Forscher Aué (Deutschlandradio / Marten Hahn)
Cigdem Zantingh greift zur Fernbedienung und startet den Kamin in ihrem Wohnzimmer. Auf Knopfdruck beginnen hinter der Glasscheibe Flammen zu tanzen. Im Kamin brennt kein Holz, sondern Erdgas. Reporter: "Wie oft benutzen sie den Kamin? – Zantingh: "Jeden Tag! Ich häng an dem Ding." – "Das heißt, dem müssen sie bald Auf Wiedersehen sagen?" – "Richtig."
Die Deutsch-Türkin lebt in Hoogeveen, einer Stadt mit rund 55.000 Einwohnern im Norden der Niederlande. Und läuft hier alles nach Plan, muss Zantingh sich bald von ihrem geliebten Gas-Kamin verabschieden. Der Stadtteil, in dem sie lebt, nimmt an einem Pilot-Projekt teil, für das die niederländische Regierung gerade 4,4 Millionen Euro bereitgestellt hat: Die Häuser hier sollen bald nicht mehr mit Erdgas geheizt werden, sondern mit Wasserstoff.
Wärme durch Wasserstoff
Und Wasserstoff-Kamine hat noch niemand erfunden. "Feuer und Wasserstoff, das ist ein explosives Gemisch. Was das dann wird, weiß ich nicht", so Zantingh. Die Leiterin einer Berufsbildenden Schule ist trotzdem begeistert von dem Projekt. So sehr, dass sie gemeinsam mit Nachbarn eine Bürgerinitiative gegründet hat – für den Wasserstoff-Umbau. "Und die Gemeinde hat uns von Tag eins mitgenommen und gesagt: Okay, das sind die Pläne. Wie seht ihr das? Wie möchtet ihr das ganz gerne? Und da kommen auch kritische Fragen. Aber die Begeisterung überwiegt. Wir möchten als Bewohner auch unseren Beitrag leisten für eine bessere Welt."
Wasserstoffauto tankt Wasserstoff an einer H2 Wasserstofftankstelle in Herten
Energiewende - Das Projekt grüner Wasserstoff nimmt Fahrt auf
Der Energieträger Wasserstoff ist ein dringend benötigter Pfeiler, um die Energiewende voranzutreiben und das Pariser Klimaschutzabkommen zu erreichen. Nicht zuletzt könnte sich Wasserstoff als Segen für die deutsche Wirtschaft erweisen – wenn er durch erneuerbare Energien gewonnen wird.
Eine Welt, in der Häuser nicht mehr mit fossilen Brennstoffen wie Erdgas geheizt werden, sondern mit Wasserstoff. Das geruchlose und ungiftige Gas kommt in der Natur so nicht vor, es muss gewonnen werden – etwa durch Elektrolyse.
Wasserstoff ist in den Augen vieler Experten ein zukunftsträchtiger Energieträger, denn bei seiner Verbrennung entsteht im Prinzip nur Wasser. Auch Kees Boer ist überzeugt, dass Wasserstoff helfen kann, die Erderwärmung zu bremsen.
Der Leiter des Wasserstoffprojekts von Hoogeveen sitzt neben Zantingh am Küchentisch: "Ziel des Projekts ist es, zu beweisen, dass es technisch möglich ist, mit Wasserstoff zu heizen. Und dass es sicher und komfortabel ist, für die Hausbewohner. Funktioniert das, ist das eine neue Möglichkeit, niederländische Haushalte auf grüne Energien umzustellen."
Ein zweites Leben für die Erdgasleitungen
Die Pläne in Hoogeveen sind Teil einer großen Wasserstoffinitiative in den Nord-Niederlanden. "Hydrogen Valley" heißt das Projekt - "Wasserstoff-Tal". Es ist das erste regionale Projekt dieser Art, das Gelder aus Brüssel erhalten hat.
Laut EU-Strategie soll grüner Wasserstoff eine Schlüsselrolle dabei spielen, die europäische Wirtschaft bis 2050 zu dekarbonisieren. Und die Niederländer wollen hier zeigen, wie eine funktionierende Wasserstoffwirtschaft aussehen könnte. Von der Wasserstoffproduktion über den Transport bis hin zur Anwendung.
Die Initiative in Hoogeveen ist da nur ein Puzzleteil von vielen. Projektleiter Kees Boer: "Wir wollen zeigen, dass wir das bestehende Erdgasnetz für den Transport von Wasserstoff verwenden können. Und dass man Erdgasboiler durch Wasserstoffboiler ersetzen kann. So einfach ist der Plan."
Cigdem Zantingh führt unters Dach ihres Hauses. "In Deutschland würden wir Heizkeller sagen. In den Niederlanden ist es meistens das Heizdach, unterm Dachboden."
Noch hängt hier ein Erdgasboiler. Aber in zwei Jahren soll hier ein Wasserstoffboiler stehen. Nicht alle Nachbarn sind davon so begeistert wie Zantingh. Einige haben sich gerade erst neue Heizungen gekauft. Entsprechend kritisch sind die Fragen mancher Anwohner, erzählt sie. "Der erste kritische Punkt war natürlich: Was kostet das? Wasserstoff ist jetzt viermal teurer als das Gas zurzeit. Wann kommt der Break-even? Und was heißt das für meine Energiekosten? Frage zwei war: Was ist mit der Kontinuität meiner Versorgung? Und die dritte Frage hatte die Gemeinde eigentlich sehr, sehr gut vorbereitet: Können die Leitungen das auch? Und was heißt das dann für meinen Boiler? Was heißt es dann für meinen Gasherd, beispielsweise. Neben diesen finanziellen Aspekten kamen auch viele technische Fragen."
Grüner, blauer und grauer Wasserstoff
Die Gemeinde will den Großteil der Mehrkosten zahlen und den Bürgern damit die finanziellen Sorgen nehmen. Antworten auf die technischen Fragen werden in Groningen gesucht.
Jan-jaap Aué öffnet ein eisernes Schiebetor. Dahinter liegt das Versuchsgelände des Energy Transition Centres. Aué ist der Direktor des Zentrums für Energiewende und Professor für Wasserstoff-Anwendungen an der Hanze Fachhochschule in Groningen. Die Hochschule ist Teil der Hydrogen-Valley-Initiative. "Dieser blaue Container da drüben, das ist unser erster Elektrolyseur. Die Anlage kann aus grüner Elektrizität grünen Wasserstoff machen."
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Aus Windanlagen entsteht grüner Wasserstoff (Deutschlandradio / Marten Hahn)
Nun ist grüner Wasserstoff tatsächlich genauso farblos wie grüner Strom. Aber in der Farbenlehre der Wasserstoffindustrie gibt es drei Arten von Wasserstoff: grün, blau und grau.
Grauer Wasserstoff wird in der Regel aus Erdgas gewonnen. Dabei entsteht klimaschädliches Kohlendioxid, das ungenutzt in die Atmosphäre entweicht. Blauer Wasserstoff entsteht auf die gleiche Weise. Allerdings wird hier das entstehende CO2 aufgefangen und gelagert. Der Vorgang gilt deswegen als CO2-neutral – aber eben nicht nachhaltig, so Aué.
Und dann ist da eben der grüne Wasserstoff, der durch Elektrolyse von Wasser gewonnen wird. Dabei wird Wasser durch Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Nur grüner Wasserstoff sei sauber und nachhaltig, sagt Hochschulprofessor Aué: "Hat man zum Beispiel erneuerbare Energie aus Solarfeldern oder Windanlagen, kann man daraus grünen Wasserstoff machen. In dieser Region hier kommt viel Strom aus Off-Shore-Windanlagen an. Außerdem landet hier das Cobra-Kabel, das uns mit Dänemark verbindet und überschüssigen Strom aus Windenergie herleitet. Und wir haben das Kabel aus Norwegen, wo Energie aus Wasserkraft gewonnen wird. Hier landet also viel grüne, erneuerbare Energie."
Wasser statt Abgas
Das ist ein Grund, warum ausgerechnet die Nord-Niederlande zum Vorreiter der europäischen Wasserstoffwirtschaft werden wollen. Ein weiterer ist das Aus der Erdgasproduktion in der Region: "In den 1950er-Jahren fand man hier Erdgas. Das haben wir gefördert und verkauft, an Deutschland und alle anderen Länder. Aber heute müssen wir uns einer neuen Realität stellen. Durch die Erdgasförderung kommt es zu Erdbeben. Und die Gasvorkommen neigen sich dem Ende zu. Es stehen also viele Jobs auf dem Spiel."
Aué und andere Experten aus dem Energiesektor fingen deswegen vor zehn Jahren an, über Alternativen nachzudenken. Sie intensivierten die Wasserstoffforschung lange bevor die EU im Sommer dieses Jahres ihre Wasserstoffstrategie vorstellte. Und als es dann soweit war, konnte die niederländische Region bereits laufende Projekte vorweisen und sich so als Erste das Etikett "Wasserstoff-Tal" und 20 Millionen Euro EU-Subventionen sichern.
EON Steinkohlekraftwerk Scholven, Gelsenkirchen, Windkraftwerke, Ruhrgebiet 
55 Prozent weniger CO2 - Die EU ringt um ihre Klimaschutzziele
Die EU-Kommission will Europa bis 2050 zum treibhausgasneutralen Kontinent machen. Ein ambitioniertes Ziel, das nur erreicht werden kann, wenn der Treibhausgasausstoß schärfer abgesenkt wird, als bislang geplant. Die Bundesregierung soll den Kompromiss ermöglichen – die Zeit drängt.
"Wir haben hier auch schon Industrie, die Wasserstoff nutzt und herstellt, wenn auch bisher noch aus Erdgas. Die müssen bis 2050 auch grün werden", so Aué.
Das Problem: Wasserstoff wird zwar stellenweise schon in der chemischen und Stahlindustrie genutzt. Allerdings dominiert grauer, fossiler Wasserstoff den Markt. Grünen Wasserstoff hingegen gibt es kaum. Soll sich das bald ändern, muss sehr schnell sehr viel mehr Geld in erneuerbare Energien fließen.
Wer zum Beispiel durch die Niederlande fährt, begegnet überall Windrädern und wird immer wieder von Elektrolimousinen überholt. Doch die Optik täuscht. Nur knapp zehn Prozent der Energie in den Niederlanden kommen derzeit aus erneuerbaren Quellen, so Wasserstoffforscher Aué. In Deutschland sind es immerhin schon 15 Prozent.
"Das ist das Interessante an uns Niederländern. Ganz Europa und viele ausländische Studenten die hierherkommen, glauben, wir führen auf dem Gebiet der Erneuerbaren. Dabei sind wir Schlusslicht zusammen mit Luxembourg und Malta. Wir wissen immer ganz genau, was alle anderen tun sollten, sind aber nicht so gut darin, es selbst zu tun."
Jan-jaap Aué öffnet einen der vielen Container, die auf dem Versuchgelände in Groningen stehen. Hier hängen drei Boiler an der Wand. "Das sind Brennwertkessel, die mit Wasserstoff laufen. Das ist die Testanlage für das Projekt in Hoogeveen."
"Ineffiziente Nutzung"
Die Kessel funktionieren ähnlich wie Erdgas-Boiler, nur dass sie mithilfe neu entwickelter Brennerdüsen Wasserstoff-Gas verbrennen und so Wasser erhitzen. Allerdings sind Wasserstoff-Moleküle kleiner als Erdgasmoleküle. Die Forscher prüfen deswegen auch, welche Rohre dicht genug sind.
Und an der Decke blinkt ein Sensor, der Alarm schlägt, falls Wasserstoff austritt. Denn dann droht Explosionsgefahr. "Außerdem kann man hier prüfen, was in den Abgasrohren landet. Das macht einer unserer Projektpartner, eine Firma in Groningen. Es kommt nur Wasserdampf aus den Geräten, aber bisher weiß niemand, was genau in dem Wasser ist."
Auch anderswo werden Wasserstoffboiler getestet. In Großbritannien zum Beispiel. Aber nicht alle Experten halten es für sinnvoll, mit Wasserstoff Häuser zu heizen. "Das ist ganz klar ineffiziente Nutzung von Wasserstoff", sagt Jan Rosenow. Der Deutsche ist Direktor des Regulatory Assistance Project. Die Denkfabrik im britischen Oxford befasst sich mit der Energiewende.
"Von allen Sektoren, wenn man sich die mal anschaut - Industrie, Verkehrssektor und der Gebäude-Sektor, ist das Heizen von Gebäuden meiner Ansicht nach der verschwenderischste Umgang mit Wasserstoff und der Sektor, wo Wasserstoff die geringste oder gar keine Rolle spielen wird."
Denn wandelt man grünen Strom in Wasserstoff um und erzeugt mit diesem Wasserstoff dann Wärmeenergie, geht in diesem Prozess viel Energie verloren. "Man kann heute schon mit Wärmepumpen die gleiche Menge Wärmeenergie bereitstellen, aber man braucht nur ein Fünftel des Stromes, der dann dort reingeht, um das zu erzeugen."
Wasserstoffproduktion ankurbeln
Auch Wasserstoffexperte Aué gibt zu, dass sich eine Debatte ankündigt, wofür Wasserstoff eigentlich genutzt werden soll und wofür nicht. "Man kann grünen Wasserstoff für viele Sachen gebrauchen. Man kann ihn als Brennstoff in der Industrie einsetzen, man kann Häuser damit heizen oder Autos damit antreiben. Aber es wird langfristig nicht alle diese Anwendungen geben." So groß der Hype um Wasserstoff auch ist, es handele sich nicht um den Königsweg der Energiewende, sagt Aué.
Energieexperte Rosenow sieht den Nutzen von Wasserstoff vor allem in Bereichen, die sich nicht elektrifizieren lassen. "Die Menge an Wasserstoff, die wir brauchen, in der Schwerindustrie zum Beispiel, im Bereich Schiffsverkehr, Luftverkehr, vielleicht auch zur Stromerzeugung an Tagen, an denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint - das sind riesige Mengen."
Wasserstoff da einsetzen, wo Batterien nicht weit genug tragen – genau das planen die Häfen im Norden der Niederlande, so Robert van Tuinen. "Mein Bauchgefühl sagt mir, Sie werden hier in zehn Jahren viele Lastwagen durch unseren Hafen fahren sehen, die mit Wasserstoff fahren. Und das gleiche gilt für Schiffe."
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Van Tuinen ist zuständig für Strategie und Geschäftsentwicklung bei Groningen Seaports. Die Firma ist verantwortlich für die Häfen und zugehörigen Industrieparks in Eemshaven und Delfzijl. "Eine große Bio-Kerosin-Fabrik namens Sky Energy hat sich hier angesiedelt. Daran ist die Fluglinie KLM beteiligt. Auch die Flugindustrie muss grüner werden. Und Bio-Kerosin soll dabei helfen. Betrieben wird die Fabrik dann mit Wasserstoff."
Noch ist da, wo das Werk entstehen soll, nur eine Sandgrube. Aber ab 2022 soll die Treibstoff-Fabrik einer der großen Wasserstoff-Konsumenten in der Gegend sein. Entsprechend muss die Wasserstoffproduktion bis dahin angekurbelt werden, so Hafenmanager van Touinen. "Wir hoffen bald einen großen Elektrolyseur im Hafen von Delfzijl installieren zu können."
Schon jetzt fauchen hinter dem Hafengebäude unzählige Windräder. Off-Shore produziert außerdem der Gemini-Windpark 600 Megawatt an Strom. Und "Gemini 2" soll folgen. Jede Menge erneuerbare Energie also, um grünen Wasserstoff zu gewinnen. Aber hier an der Küste in Hafennähe soll auch blauer Wasserstoff entstehen. "Es gibt ein großes Projekt, eine Zusammenarbeit von Vattenfall, Equinor und Gasunie. Sie wollen den Wasserstoff aus Gas herstellen und das abgespaltene CO2 dann in erschöpften Gasfeldern speichern. Das mag weit entfernt von grünem Wasserstoff sein. Aber man braucht alle Zwischenschritte, um das Klimaziel zu erreichen."
Probleme wie Straußeneier
Gasunie betreibt die Gaspipelines, die die Niederlande durchziehen und bis nach Deutschland reichen. Weil die Niederlande aus der Erdgasförderung aussteigen, muss sich das Staatsunternehmen neu erfinden: Aus einem Erdgas- soll ein Wasserstoffkonzern werden.
René Schutte leitet das Wasserstoffprogramm von Gasunie und will, solange es noch keinen grünen Wasserstoff gibt, auf blauen Wasserstoff setzen: "Sollen wir die nächsten zehn Jahre untätig rumsitzen und auf den nächsten Schritt, den grünen Wasserstoff hoffen? Oder sollten wir nicht jetzt schon die Schritte gehen, die bereits möglich sind und sicherstellen, dass wir die CO2-Emissionen so weit reduzieren, wie es geht?"
Blauer Wasserstoff kann schon jetzt in größeren Mengen produziert werden. Und Rene Schutte glaubt, dass man nur so einen Markt schaffen kann. Denn ohne Angebot keine Nachfrage. Und ohne Nachfrage kein Angebot. Das Henne-Ei-Problem. Oder wie Schutte sagt: Ein Problem so groß wie ein Straußenei.
Auch die EU hat blauen Wasserstoff deswegen in ihrer Strategie nicht ausgeschlossen. Umweltorganisationen wie Friends of the Earth kritisieren das: "Der Vorschlag der EU-Kommission umfasst sowohl erneuerbaren als auch fossilen Wasserstoff. Das finden wir problematisch."
Tara Conolly arbeitet als Energieexpertin für die Umweltorganisation in Brüssel. "Wir sehen, dass die Gaslobby in Brüssel sehr aktiv ist. Alle wissen, dass es viel schwerer ist, den Gassektor zu dekarbonisieren als den Strom-Sektor. Und mit Wasserstoff versucht die Gasindustrie die Entscheidungsträger zu überzeugen, dass sie sehr schnell dekarbonisieren kann. Deswegen sind sie im Bereich Wasserstoff so aktiv."
Die Aktivistin befürchtet, wenn erst einmal Milliarden-Investitionen in Gas-Reformer und sogenannte Carbon Capture and Storage-Systeme für blauen Wasserstoff geflossen sind, wird es der Industrie schwerfallen, sich davon wieder zu verabschieden.
"In immer mehr Infrastruktur für fossile Energieträger zu investieren, ist nicht sinnvoll. Diese Investitionen werden die Industrie Jahrzehnte lang an diese Anlagen binden. Aber wir haben nicht einmal mehr zehn Jahre, um unsere Emissionen drastisch zu verringern."
Kritik von Umweltschützern
Rene Schutte von Gasunie glaubt, die Politik kann einen solchen sogenannten Lock-In-Effekt verhindern. Mit CO2-Steuern auf blauen Wasserstoff zum Beispiel, und durch Subventionen für grünen Wasserstoff. "Die Märkte, die Preisentwicklung wird das dann lösen. In Zukunft wird grüner Wasserstoff viel profitabler oder erschwinglicher sein als blauer."
Welcher Wasserstoff am Ende durch die Rohre fließt, dürfte den Pipeline-Betreibern fast egal sein, sagen einige Kritiker. Firmen wie Gasunie würden nur für Wasserstoff werben, weil die Gaspipelines sonst bald leer stehen. Auch Martin Lambert kennt dieses Argument. Der Energiexperte arbeitet für das Oxford Institute for Energy Studies. "Wir haben dieses weitverzweigte System. Und sollte es möglich sein, das System auf wirtschaftliche Weise für den Transport und die Lagerung von Wasserstoff zu nutzen, dann scheint das eine gute Idee zu sein."
René Schutte vom Pipelinebetreiber Gasunie sieht das wenig überraschend ähnlich: "Es ist durchaus sinnvoll, der bestehenden Infrastruktur ein zweites Leben zu schenken. Von vorn anzufangen, würde mehr Zeit und Geld kosten."
Aber auch der Gasmanager mag die Euphorie um den Wasserstoff nicht. Rationale Diskussionen seien so nur schwer möglich. Nötige Entscheidungen würden ausgebremst. Dabei wissen alle Beteiligten: Es gibt eine Ressource, die mindestens so rar ist wie grüner Wasserstoff: Und das ist Zeit.