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Wunschzettel für Berlin

Medizin. - 2002 entschied der deutsche Bundestag, dass bestimmte menschliche Stammzellen aus dem Ausland nur importiert werden dürfen, wenn sie vor dem Stichtag 1. Januar 2002 erzeugt wurden. Weil diese Stämme heute zu alt sind, fordern Wissenschaftler eine Änderung der Regelung.

Von Michael Lange | 08.05.2007
    Ein Wissenschaftlertraum aus grünem Glas. Das neue Institutsgebäude des Max-Planck-Instituts für Molekulare Biomedizin am Stadtrand von Münster. Im ersten Stock arbeitet der Stammzellenforscher Hans Schöler mit seiner Arbeitsgruppe - in einem neu eingerichteten, hochmodernen Labor. Eigentlich könnte er rundum zufrieden sein.

    "Wir haben also wirklich Funktionalität und Schönheit gleichermaßen. Und die Max-Planck-Gesellschaft ermöglicht einem wirklich solide Grundlagenforschung zu machen, die international keinen Vergleich scheuen muss. Das ist schon exzellent. Also: Wunderbar."

    Aber neben seiner Forschung muss sich Hans Schöler auch mit deutscher Forschungspolitik beschäftigen. Denn in Zukunft sollen im neuen Institutsgebäude neben Mäusestammzellen auch embryonale Stammzellen des Menschen erforscht werden. Dazu sind die Stammzellen, die bisher laut Gesetz nach Deutschland importiert werden dürfen, nicht die erste Wahl. Denn sie stammen aus den Anfangsjahren der Stammzellenforschung - vor dem 1.Januar 2002.

    "Sie haben hier Stammzellen, die von sehr, sehr geringer Qualität sind."

    Die Zell-Linien, die importiert werden dürfen, haben durch jahrelange Vermehrung gelitten. Deshalb sind sie weniger leistungsfähig als neue Stammzellen, die in den letzten fünf Jahren entstanden sind. Außerdem wurden die alten Zellen mit Hilfe tierischer Zellen und Proteine hergestellt, weshalb eine Verpflanzung in Menschen nicht in Frage kommt. Aber auch für die Grundlagenforschung wäre es besser, neue Zellen zu besitzen. Embryonale Stammzellen, wie sie im Ausland heute üblicherweise verwendet werden.

    "Wenn man so mit den anderen europäischen Arbeitsgruppen spricht, dann wird gesagt: Ihr Italiener, ihr Deutschen mit eurem Gepäck im Rucksack. Wieso kriegt Ihr das nicht hin, dass wir endlich zusammen forschen mit den Zell-Linien, die wir etabliert haben. Und irgendwann sagen die dann: Jetzt wollen wir einfach nicht mehr. Und das ist schlecht für die Deutschen."

    Hans Schöler und andere Stammzellenforscher in Deutschland fürchten, in die zweite Reihe abgedrängt zu werden. Ganz oben auf ihrem Wunschzettel steht deshalb die Abschaffung des Stichtages. Dann dürften auch neue Stammzellen aus dem Ausland importiert werden.

    "Ich denke, dass in der jetzigen Situation die Abschaffung dieser Stichtagsregelung im Stammzellengesetz und eine Abschaffung der Strafandrohung dazu führen würde, dass ein Ruck durch die deutsche Stammzellenforschungsszene gehen würde. Jetzt können wir endlich mit den anderen zusammen forschen und würden nicht ständig als Geduldete angesehen. Da muss einfach sich vom Klima was ändern."

    Langfristig wünschen sich die Stammzellenforscher noch mehr. Am liebsten hätten sie europäisch einheitliche Richtlinien. Das würde bedeuten, dass das siebzehn Jahre alte deutsche Embryonenschutzgesetz geändert werden müsste. Der Stammzellenforscher Miodrag Stojkovic hat Deutschland verlassen, um selbst embryonale Stammzellen zu gewinnen. Von München ging er zunächst nach Newcastle in England und jetzt nach Valencia in Spanien.

    "Was mich hier in Deutschland stört, ist das Embryonenschutzgesetz und das Stammzellengesetz. Das Embryonenschutzgesetz ist 1990 verabschiedet. Und ich bin der Meinung: In den letzten 17 Jahren hat sich so viel entwickelt in der Embryologie, das ist ziemlich überholt das Gesetz."

    Politisch ist eine Änderung des Embryonenschutzes in Deutschland allerdings wenig realistisch. Bevor der Wunschzettel der Stammzellenforscher Realität wird, müssen die Wissenschaftler die Bürger von ihrem Anliegen überzeugen, oder wenigstens die Bundestagsabgeordneten.