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WWF in Kamerun
Angespanntes Verhältnis zwischen Wildhütern und Einheimischen

Im Kameruner Nationalpark Lobéké sollen Wildhüter extrem gewalttätig gegen die lokale Bevölkerung vorgegangen sein – so lautet ein Vorwurf gegen den WWF. Eine Recherche vor Ort zeigt: Das gegenseitige Misstrauen zwischen Rangern und Einheimischen ist nach wie vor groß.

Von Anne Françoise Weber | 20.06.2019
Schild am Eingang zum Lobeké Nationalpark in Kamerun
Tiere schützen auf Kosten von Menschenleben? Nach den Vorwürfen in Kamerun will der WWF noch stärker auf die Einhaltung der Menschenrechte achten. (imago stock&people)
Messe Venant setzt sich als Vorsitzender der Organisation Okani für die Rechte der indigenen Gruppe der Baka ein, der er selbst angehört. Er kann viel davon erzählen, wie seine Volksgruppe in Kamerun benachteiligt wird und wo es an Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung fehlt. Und dann gibt es da noch Lobéké-Nationalpark, der in ihrem Siedlungsgebiet im Südosten Kameruns liegt und der besondere Probleme mit sich bringt:
"Ein ernstes Problem sind die Wildhüter. Sie haben oft keine Ausbildung über Menschenrechte und gehen mit Gewalt gegen die Baka vor – sie schlagen sie zusammen oder bringen sie ins Gefängnis. In meinem Wohnort Bertoua sind heute über zehn Baka im Gefängnis, weil sie im Nationalpark angetroffen wurden – na gut, es gibt Gründe für diese Festnahmen. Aber im Kopf der Baka gilt: Das ist meine natürliche Umgebung, hier kann ich mich frei bewegen und die Ressourcen sammeln, wie ich will."
Messe Venant setzt sich als Vorsitzender der Organisation Okani für die Rechte der indigenen Gruppe der Baka ein, der er selbst angehört.
Messe Venant setzt sich als Vorsitzender der Organisation Okani für die Rechte der indigenen Gruppe der Baka ein, der er selbst angehört. (Roméo Ghislain Zafack)
Lokale Bevölkerung zu wenig einbezogen
Zwar habe die Gewalt in letzter Zeit aufgrund zivilgesellschaftlichen Drucks etwas abgenommen, sagt der Baka-Vertreter. Doch das ist nicht das einzige Problem: Schon bei der Anlage des Nationalparks und der großen Pufferzone rundherum habe man die Lokalbevölkerung nicht einbezogen. So hätten gerade die Baka, die im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsgruppen hauptsächlich vom Jagen und Sammeln im Wald leben, Einschränkungen und Repression zu ertragen:
"Man wirft ihnen vor, mit Wilderern unter einer Decke zu stecken – die laufen aber weiterhin frei herum. Sie haben den Baka die Gewehre gegeben, aber als Auftraggeber dieser Verbrechen gegen die Wildtiere werden sie nie belangt; die Armen müssen dafür zahlen."
Zuständige Stiftung verweist auf Ethikcode
Die Stiftung FTNS, die für die Nationalparks der Sanga-Region in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und der Republik Kongo zuständig ist, gibt sich allerdings größte Mühe, die Lokalbevölkerung einzubinden und für Verluste zu entschädigen, glaubt man ihrem Geschäftsführer Théophile Zognou. Er hält die Berichte über gewalttätiges Vorgehen von Wildhütern für übertrieben:
"Wir sind fast ständig vor Ort. Wenn die Bevölkerung vor Ort den Bus mit unserem Logo ankommen sieht, dann kommen sie angerannt. Wenn tatsächliche solche Gewalttaten passieren würden, dann würden sie doch nicht zu uns kommen, sondern fliehen. Natürlich sind menschliche Werke nicht perfekt. Aber ich glaube nicht, dass es Misshandlungen auf dieser Ebene gibt. Manche stecken mit den Wilderern unter einer Decke. Wenn wir jemanden mit einer Kalaschnikow sehen, dann müssen wir ihn festnehmen und verhören. Aber der Ethikcode, der zur Bibel der Wildhüter geworden ist, sagt klar: Wir nehmen die Leute fest, aber wir foltern niemanden."
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Théophile Zognou von der Stiftung FTNS (Roméo Ghislain Zafack)
Man wirke auch auf das Ministerium für Wald und Fauna ein, um mehr lokale Wildhüter zu rekrutieren, sagt Zognou. Denn die Stiftung kümmert sich zwar um die Infrastruktur des Parks und erhält dafür Geld unter anderem von der deutschen Entwicklungsbank KfW. Die Parkhüter aber sind vom kamerunischen Ministerium ausgewählt, erklärt Henrice Stöbesand von einer Forschergruppe der Humboldt-Universität, die Anfang Juni eine Studie zum Lobéké-Nationalpark vorgelegt hat:
"Vor Ort gibt es keine lokalen Kräfte, die Wildhüter sind. Das hat auch seine Gründe, unter anderem möchte man damit Korruption vermeiden, dass gejagt wird, obwohl es nicht erlaubt ist – aber es liegt auch am nationalen Gesetz Kameruns, dass Wildhüter zentral in Yaoundé rekrutiert werden. Und da kann man auch als WWF gar nicht so viel Einfluss ausüben, dass sich das ändert."
Forscher plädieren für stärkere Präsenz der Regierung
Überhaupt ist der WWF nicht unbedingt so entscheidungsbefugt, wie es in manchen Berichten klingt - was auch daran liegt, dass seine Rolle in jedem Land anders ist. In Kamerun gibt die Tierschutzorganisation die von der FTNS-Stiftung erhaltenen Gelder an das Ministerium für Wald und Fauna weiter und teilt sich mit diesem das Parkmanagement – vor Ort werden die beiden allerdings oft verwechselt, wie die Forschergruppe von der Humboldt-Universität festgestellt hat. Die Studierenden vom Seminar für Ländliche Entwicklung konnten und wollten bei ihrer Forschung die Gewalt-Vorwürfe gegen den WWF nicht bestätigen oder entkräften. Ihr ging es vielmehr darum, grundsätzlich zu klären, wie sich das Verhältnis zwischen Lokalbevölkerung und Wildhütern gestalte, erklärt Yannic Kiewitt:
"Der Jetzt-Zustand ist, dass das Verhältnis von Misstrauen und teilweise auch Angst geprägt ist eigentlich, auf beiden Seiten."
Und dabei ist der Konflikt zwischen Wildhütern und Lokalbevölkerung nur einer von mehreren, den die Forscher vor Ort ausgemacht haben. Für sie ist klar, dass die kamerunische Regierung in diesem abgelegenen Landesteil stärker präsent sein und die Lokalbevölkerung besser versorgen und einbinden muss. Aber auch die Geldgeber des Nationalparks - nicht nur in Deutschland – müssen darauf dringen, dass der Naturschutz nicht auf Kosten der Menschenrechte geht.