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WWF will Monsterkrabbe an den Kragen

Für die einen eine Delikatesse, für die anderen eine Plage: die Königskrabbe. Vor 50 Jahren von Russen eigens in der Barentssee angesiedelt, breitet sie sich seitdem ungehemmt aus. Umweltschützer schlagen deshalb Alarm.

Von Agnes Bührig | 18.05.2011
    Lars Petter Øie steht an Bord eines schwankenden, etwa sechs Meter langen Schlauchboots, das in einem Fjord bei Kirkenes dümpelt. Backbord taucht gerade Kollege Andreas aus den dunklen Fluten und hält drei Königskrabben in die Luft. Durch die chinesisch-britische Touristengruppe in ihren orangenen Überlebensanzügen geht ein Raunen. Ist das das Tier, das am Meeresboden alles kurz und klein frisst? Øie versucht, sachlich zu bleiben:

    "Es gibt zwei Situationen, in denen sich ganz viele Krabben auf einem Fleck sammeln. Das ist eine kurze Periode im Frühjahr, wenn sich die geschlechtsreifen Tiere sammeln, um sich zu paaren. Und beim Schalenwechsel, wenn die jüngeren Krabben zusammenhalten, um sich zu beschützen. Dabei konzentrieren sie sich auf einem kleinen Flecken. Wenn diese Invasion in den Medien gezeigt wird, dann glauben die Zuschauer, das sei der Normalzustand."

    Die Königskrabbe ist ein Allesfresser und sauge den Meeresboden förmlich nach Nahrung ab, sie vermehre sich ungehindert, weil sie keine natürlichen Fressfeinde habe und verdränge heimische Arten, so liest Øie immer wieder in der Zeitung. Das hält er für Rufmord. Er selbst tauche schon seit mehr als 15 Jahren vor den Küsten bei Kirkenes, große Veränderungen im Ökosystem in 30 bis 40 Metern Tiefe habe er dabei nicht beobachtet. Das sieht Rasmus Hansson, Chef der Umweltorganisation WWF in Norwegen, jedoch ganz anders:

    "Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass fremde Arten die biologische Vielfalt bedrohen. Die Königskrabbe ist ein Exot, den es plötzlich millionenfach gibt und auf den Flora und Fauna in unseren arktischen Gewässern nicht vorbereitet sind. Norwegen hat sich aktiv für eine internationale Konvention der Artenvielfalt eingesetzt. Jetzt ist das Land verpflichtet, eine Art zu entfernen, die bei uns fremd ist und sich in unseren Gewässern etabliert hat."

    Dass man die Königskrabbe vor Norwegen wieder ausrotten kann, wie es der WWF fordert, hält die Biologin Jannicke Falk-Petersen von der Universität Tromsø dagegen für unmöglich:

    "Eine fremde Art, die sich in neuen Gewässern etabliert hat, kann man nicht ausrotten. Aber man kann den Bestand niedrig halten."

    In diesem Sinne hat auch das Fischereiministerium entschieden und die Fangquote für Königskrabben in der kommenden Saison um ein Drittel erhöht. Und das, räumt die Biologin ein, ist die richtige Maßnahme:

    "In Studien wurde nachgewiesen, dass die Art einen negativen Einfluss auf die Tiere am Meeresboden hat. Wir beobachten einen Rückgang der Artenvielfalt in einzelnen Gebieten."

    50 Jahre ist es her, dass russische Forscher die Königskrabbe vor Murmansk ansiedelten. So sollte das würzige Krabbenfleisch in Murmansk und Moskau schneller auf den Tisch kommen. In den 70er-Jahren wurde die erste Königskrabbe dann vor der norwegischen Küste gefangen, seitdem wandert sie immer weiter nach Süden. Und das befeuert die Diskussion über die Königskrabbe, eine Diskussion, welche die Touristengruppe hingegen kalt lässt. Die Engländer und Chinesen sind längst wieder an Land, haben sich aus ihren Überlebensanzügen gepellt und wärmen sich im Esssaal eines gut geheizten Holzhauses am Fjord. Nun lassen sie sich die Königskrabbe schmecken. Pam Rutty aus Großbritannien überzeugen Geschmack und Qualität des Fleisches:

    "Wunderbar. Sehr frisch und sehr würzig. Ein Geschmack, den ich bisher bei keiner anderen Krabbe genossen habe."