Freitag, 29. März 2024

Archiv

WZB-Studie
Bessere Lage von Frauen fördert Demokratisierung

Die Verbesserung der Lebens-, Gesundheits- und Ausbildungsbedingungen von Frauen tragen nicht nur zu deren individuellen Grundrechten bei, sondern insgesamt zu einer kollektiven Demokratisierung der Gesellschaft. Das Berliner Wissenschaftszentrum hat dazu eine nachvollziehbare Studie vorgelegt.

Von Christiane Habermalz | 08.03.2014
    Die gute Nachricht, ganz nebenbei: Die Welt ist seit dem Ende des 20. Jahrhunderts demokratischer geworden. Viele Länder, die in den 80er Jahren noch diktatorisch regiert wurden, haben autoritäre Strukturen verlassen und sich hin zu mehr sozialer Teilhabe und politischer Mitbestimmung entwickelt. Und bisher galt als hinreichend belegt: Demokratisierung führt am Ende auch zu einer Verbesserung der Lage der Frauen in einer Gesellschaft. Dass es aber genau anders herum ist, das hat nun eine internationale Studie um die Sozialforscherin Jianghong Li vom Wissenschaftszentrum Berlin belegt.
    "Bislang wurde angenommen, dass Frauenrechte und Geschlechtergleichheit erst erreicht werden können, nachdem ein Land demokratisch geworden ist. Unsere Studie zeigt aber, dass das nicht der Fall ist. In den Ländern, die wir untersucht haben, musste erst ein Mindestmaß an Geschlechtergleichheit erreicht werden, damit das Land den Weg der Demokratisierung überhaupt gehen konnte. Ich denke das ist sehr wichtig und so in der Literatur noch nicht belegt worden."
    123 Länder über 25 Jahre untersucht
    Zusammen mit zwei australischen Forschern hat Jianghong Li 123 Länder weltweit untersucht, und zwar über einen Zeitraum von 25 Jahren. Nur über diese lange Zeit der Datenerhebung, erläutert sie, lässt sich die umgekehrte Kausalität belegen. Sie fand heraus: Drei Faktoren müssen gegeben sein, damit ein Land bereit ist für die Demokratisierung: Fortschritte in der Mädchen- und Frauenbildung, ein Anstieg der weiblichen Erwerbstätigkeit und sinkende Geburtenraten. Das Zusammenspiel aller drei Faktoren ist dabei entscheidend. In vielen arabischen Ländern wie auch dem Iran beispielsweise seien Frauen im Schnitt gut ausgebildet und auch die Geburtenrate ist gesunken. Doch da Frauen aus dem Erwerbsleben so gut wie ausgeschlossen sind, zu Hause sitzen und sich um die Kinder kümmern müssen, erlebt das Land keinen Demokratisierungseffekt. Auch China stellt laut Li eine Ausnahme dar, da die niedrige Geburtenrate Ergebnis der staatlich verordneten Ein-Kind-Politik ist und nicht Folge eines Emanzipationsprozesses der Frauen.
    "Frauen machen 50 Prozent der Bevölkerung aus. Wenn die Hälfte der Einwohner eines Landes unterdrückt wird, kann sich kein politischer Wandel einstellen. Streben Frauen nach sozialer und politischer Gleichberechtigung, verändert das stetig die Gesellschaft. Frauen sorgen sich zudem um nachfolgende Generationen: Mütter, die selber Bildung erfahren haben, werden sich auch darum kümmern, dass nicht nur ihre Söhne, sondern auch ihre Töchter Zugang zu Bildung und soziale Teilhabe erhalten."
    Frauen als gesellschaftliche Transformatoren
    Was aber macht Frauen zu gesellschaftlichen Transformatoren? Sind sie die besseren Demokraten, gar die besseren Menschen? Sie sind gute Netzwerker, betont Li:
    "Frauen sind überlegter und sie kommunizieren mehr. Wenn man sich in Familien anschaut, wer kümmert sich um die Korrespondenz? Wer schreibt die Geburtstagskarten und Briefe, wer hält den Kontakt zu den Freunden? Bei meinen Freunden sehe ich, dass es fast immer die Frauen sind, die das tun. Männer könnten das auch natürlich. Aber ich denke, die Kommunikation ist eine Stärke der Frauen. Das lässt sich auf die Gesellschaft übertragen. Frauen können soziale Teilhabe und demokratische Werte effektiv voranbringen."
    Für Li liegt die logische Schlussfolgerung auf der Hand: Politische Entwicklungsprogramme sollten viel gezielter Frauen in ihrem Streben nach Gleichberechtigung unterstützen, um den weltweiten Demokratisierungsprozess voranzutreiben. Dazu aber müsse zunächst einmal akzeptiert werden, dass Männer und Frauen verschieden sind, sagt Li.
    "Diese Unterschiede zwischen Mann und Frau anzuerkennen, kann hilfreich sein. Es geht nicht darum, mit den biologischen Unterschieden die soziale Ungleichheit zu rechtfertigen. Aber anzuerkennen, dass Männer und Frauen verschieden sind und dieses Wissen in politische Programme einfließen zu lassen, um sich die unterschiedlichen Stärken der Geschlechter zunutze zu machen."
    Beitrag zur Demokratisierung
    Die Stärkung der Rolle von Frauen in der Gesellschaft, so das Fazit der Studie, hat in den vergangenen Jahrzehnten mehr zur Demokratisierung der Welt beigetragen als Modernisierung, Industrialisierung, Wirtschaftswachstum, Verstädterung oder politische Reformen.