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"Zaghaftigkeit führt da nicht weiter"

Der Sprecher der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Klaus Brandner (SPD), hofft auf versöhnliche Töne aus Ägypten. Deutschland müsse dabei helfen, dass sich die Lebensverhältnisse der Zivilbevölkerung verbessern.

Klaus Brandner im Gespräch mit Jasper Barenberg | 19.08.2013
    Jasper Barenberg: Unnachgiebigkeit auf beiden Seiten – die vom Militär gestützte Übergangsregierung in Ägypten sieht sich im Kampf gegen Terroristen, gegen Extremisten. Sie lässt Tausende aus den Reihen der Muslimbruderschaft verhaften. Auf der anderen Seite die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mursi, die sich unversöhnlichen geben und weiter gegen den Putsch der Generäle auf die Straße gehen wollen. Und sie müssen wieder Tote beklagen. Gestern sollen Dutzende verhaftete Aktivisten getötet worden sein bei dem Versuch, aus einem Gefangenentransport zu fliehen.

    Barenberg: Am Telefon begrüße ich Klaus Brandner, SPD-Abgeordneter und Sprecher der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Schönen guten Morgen!

    Klaus Brandner: Morgen, Herr Barenberg!

    Barenberg: Kehrt die alte Militärdiktatur zurück, nur ohne Mubarak, Herr Brandner?

    Brandner: Darauf bauen wir nicht, und wir müssen jetzt auf all die Kräfte setzen, die mithelfen wollen, dass es nicht zu einer Militärdiktatur kommt, sondern dass wir in einem Übergangszustand sind, dass der Ausnahmezustand überwunden wird und dass recht bald durch Neuwahlen und durch Aufarbeitung des Prozesses eine Chance gesucht wird, Ruhe im Land zu finden?

    Barenberg: Haben Sie denn Vertrauen, haben Sie Zuversicht, dass die Ankündigungen, dass es einen geordneten Übergang wieder zu einer zivilen Regierung gibt, dass es Neuwahlen geben wird, dass es eine Reform der Verfassung geben wird, dass das eingehalten wird?

    Brandner: Ich bin davon überzeugt, je stärker die Signale der Aussöhnung sind – und Aussöhnung heißt zuallererst, dass auch dieser Prozess, der jetzt stattfindet, aufgearbeitet wird, dass man Verantwortliche findet, dass deutlich wird, dass man Kriminalität von dem Recht auf Demonstration und sich politisch zu engagieren, trennt, dass das ein Zeichen sein kann, und dass unserer Sicht, also aus deutscher, aus europäischer Sicht es so ist, dass die Kontakte zu den vielen Menschen, die friedlich den Demokratieprozess unterstützen wollen, dass diese Menschen weiter gestützt werden, begleitet werden, damit wir zumindest deren Erwartungen nicht enttäuschen.

    Barenberg: Sehen Sie denn in dem Verhalten der Militärs und der Übergangsregierung irgendwelche Anzeichen für das, was Sie sich vorstellen. Also für Aussöhnung, für Rechtsstaatlichkeit?

    Brandner: Na ja, es gibt, wie gerade noch mal berichtet, auch von Sissi den Hinweis, dass Platz für jeden ist, dass er versöhnliche Töne legt und ausdrückt nach außen.

    Barenberg: Herr Brandner, vielleicht schließen wir an das an, was Sie gerade gesagt haben. Sie haben von den versöhnlichen Tönen gesprochen, die Sie aus Kairo wahrgenommen haben, und über die Chancen, dass es einen geordneten zivilen Prozess geben kann in nächster Zeit.

    Brandner: Ja, aus unserer Sicht müssen wir, finde ich, deutlich machen, dass insbesondere die Mehrheit der Muslime kein Verständnis für Übergriffe auf Christen hat, kein Verständnis für eine Radikalisierung hat. Und unser Job wird es gerade aus der westlichen Welt sein, deutlich zu machen, hier geht es nicht um Glaubenskriege, sondern hier geht es darum, dass es innerhalb Ägyptens große Auseinandersetzungen gibt und wir mithelfen wollen und mithelfen sollten, durch unsere Kontinuität auch in dem Transformationsprozess, in dem wir uns ja sehr engagiert haben, weiterhin zur Seite zu stehen und zu helfen, die Demokratieentwicklung zu stützen. Denn die kommt ja nicht über Nacht, wie wir wissen. Die braucht Zeit und sie braucht auch faire Begleitung.

    Barenberg: Nun hat sich die deutsche Außenpolitik, hat sich die Außenpolitik der Europäischen Union nicht gerade in den letzten Tagen unglaubwürdig gemacht und ist für viele Menschen in Ägypten überhaupt kein Ansprechpartner, kein Partner mehr, eben weil sie die Dinge nicht beim Namen genannt hat, den Umsturz des Militärs einen Putsch genannt hat, die Gewalt der Sicherheitskräfte ein Massaker tatsächlich genannt hat.

    Brandner: Ja, Zaghaftigkeit führt da nicht weiter, das ist schon richtig. Aber ich glaube schon, dass jetzt deutlich geworden ist, dass auch aus der westlichen Welt heraus ein Ausnahmezustand in Ägypten so klar herausgestellt worden ist, dass es kein Beitrag zur dauerhaften Sicherheit sein kann, dass der Demokratieprozess dadurch zumindest unterbrochen ist, und dass erwartet wird, dass von der jetzigen Regierung alles unternommen wird, dass Menschenrechte und Gewalt gegen Menschen unterbunden wird. Denn das ist eine wichtige Frage, dass wir uns nicht auf eine Seite schlagen können, was gerne die Parteien möchten, ob nun die Muslimbrüder oder die jetzige Regierung, sondern dass unsere Parteinahme für die Durchsetzung der Menschenrechte ist und die Sicherheit der Menschen ist. Und das muss eine klare und deutliche Stimme sein.

    Barenberg: Und das ist auch das Signal, dass Sie sich beispielsweise vom Treffen der Botschafter, der EU-Botschafter heute in Brüssel, von dem möglichen Treffen der EU-Außenminister versprechen?

    Brandner: Ich hoffe das, dass er das sehr deutlich macht, und dass die Ziele der Revolution aus Januar 2011 Brot, Freiheit und Gerechtigkeit, dass hinter diesen drei großen Botschaften auch spürbare Veränderungen für die Menschen in Ägypten entstehen werden. Erstens, dass hinter Brot steht, dass es durch eine bessere wirtschaftliche Entwicklung eine sichtbare Verbesserung der Lebensverhältnisse gibt und dass zum Stichwort Freiheit steht, dass das Ende des Ausnahmezustands und der Rückzug des Militärs erfolgen muss, und drittens, dass zum Stichwort Gerechtigkeit eine Strafverfolgung steht, eine Opferhilfe steht, zurück zu einer rechtsstaatlichen Aktivität. Dass diese drei Ebenen, die ja nach wie vor tiefe Bedeutung im Land haben, dass die von politisch Verantwortlichen auf angegangen werden.

    Barenberg: Der SPD-Politiker Klaus Brandner, Sprecher der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe. Danke Ihnen für das Gespräch!

    Brandner: Gern, Herr Barenberg!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.