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Zahlen des Verbrechens

Mathematik. - Auf deutschen Mattscheiben tummeln sich immer mehr Wissenschaftler im Dienst der Verbrechensaufklärung. Eine verschwindende Minderheit darunter sind Mathematiker, dennoch hat einer von ihnen es auch zum Serienhelden gebracht. Tatsächlich widmen sich einige von seinen realen Kollegen den verborgenen Verbrechensmustern - doch Wundereinsichten sind von ihnen nicht zu erwarten.

Von Mathias Schulenburg | 02.01.2009
    Schlechte Karten für den Ermittler in der legendären US-Fernseh-Serie "Numbers" – hätte der nicht einen genialen Mathematiker zum Bruder. Der aus der Verteilung der Tatorte messerscharf schließen kann, dass der Täter stets einen Bogen um seinen Wohnsitz gemacht hat, woraus sich mit einer trickreichen Statistikformel schließen lässt, wo der Mörder wahrscheinlich zu finden ist. Eine branchenübliche Übertreibung? Keineswegs, das Spezialgebiet zur Fernsehserie gibt es, es heißt "spatial criminology", etwa "räumliche Kriminalitätsverteilung", die Computerversion des guten alten Fähnchensteckens auf einer Karte – ein Thema von Henk Elffers, Professor an der Freien Universität Amsterdam:

    "Wir arbeiten im Rahmen der sogenannten Routine-Aktivitätstheorie, die sagt: Ein Verbrechen geschieht dann, wenn ein motivierter Täter auf ein geeignetes Opfer trifft, ohne dass eine Schutzperson die Tat verhindern könnte. Und wenn man diese drei Faktoren variiert, bekommt man viele verschiedene mögliche Muster."

    Was man bei den entsprechenden Studien eigentlich immer sehen könne, sei eine ungleiche Verteilung der Verbrechenshäufigkeit, Schwerpunkte, "hot spots", an denen sich das Geschehen konzentriert. Über eher diffuse Aussagen wie "Gelegenheit macht Diebe" ist aber auch mit Computerhilfe vorerst schwer hinauszukommen, was natürlich an der Komplexität des Gegenstandes liegt. Elffers:

    "Die Grundprinzipien sind ja wirklich einfach, aber im Rahmen einer Stadt wird es schnell kompliziert. Schon die zeitliche Entwicklung: Da schlendert dieser Typ durch die Stadt, dieses mögliche Opfer ist nicht attraktiv genug – also die Einzelentscheidungen sind verstehbar, aber das Zusammenspiel aller Faktoren macht es sehr komplex."

    Muster zeigen sich nicht nur im Raum sondern auch in der Zeit. Elffers:

    "Es hat sich gezeigt, dass es, wenn Sie einmal Opfer eines Einbruchs waren, eine höhere Chance für einen bald darauf folgenden gibt, denn der Einbrecher hat in sein Objekt etwas investiert, er hat es ausgekundschaftet. Einen Teil weggeschafft und sich gemerkt: Da gibt es noch mehr. Die Investition will er bezahlt haben."

    Auch gewalttätige Straßengangs sind Gegenstand der Verwissenschaftlichung – ein Thema für George Titas, Professor für Kriminologie, Recht und Gesellschaft an der University California-Irvine:

    "Gangs an sich sind nicht das Problem, es ist deren Verhalten. Das muss man verändern, und meine Arbeit hat sich auf einen Punkt konzentriert: Schusswaffengebrauch, erschossene Menschen. Da kann man einmal mehr Druck aufbauen – mehr Patrouillen, die Täter von der Straße holen, und man kann den Lohn für Wohlverhalten erhöhen. Wir haben also neben die Strafandrohung soziale Belohnungen gesetzt: Entfernen von Tätowierungen, Jobangebote für die, die nicht länger in einer gewalttätigen Straßengang sein wollen."

    Mitunter helfen auch ganz altmodische Mittel. Einen Bandenkrieg in Boston etwa habe man beenden können, indem man sich mit den Anführern zusammensetzte und ihnen anbot, sie bei Fortführung ihres Krieges für immer wegzuschließen. Was sagte noch der Meisterdetektiv Nick Knatterton in vergleichbarer Lage?

    Ein hartes Wort
    zur rechten Zeit
    schafft Ruhe und Gemütlichkeit.