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Zahn- und Kiefermedizin
Zähneknirschen kann ernste Folgen haben

Mediziner sprechen von Bruxismus, wenn der Kiefer angespannt und die Zähne mahlend aufeinandergepresst werden. Eine Krankheit ist das genau genommen nicht, für die Zähne kann es aber ausgesprochen schädlich sein.

Von Christina Sartori | 11.06.2019
Eine junge Frau zeigt ihre strahlend weissen Zähne in der Firma "KaVo Dental GmbH und Co.KG" im oberschwäbischen Biberach, aufgenommen am 15.04.2003. Das Unternehmen wurde ursprünglich 1909 in Berlin-Steglitz von Alois Kaltenbach gegründet, zog mit seiner raschen Marktführerschaft in der Dentalbranche im Jahr 1919 nach Potsdam um und verliess 1946 die brandenburgische Metropole in Richtung Biberach. Der Konzern beschäftigt weltweit rund 3.500 Mitarbeiter. Im Geschäftsjahr 2001 wurde ein Umsatz von rund 370 Millionen Euro erwirtschaftet. KaVo ist derzeit in 21 Ländern mit eigenen Vertriebsgesellschaften präsent und gilt als einer der weltweit führenden Anbieter von zahnärztlichen Behandlungseinheiten und Instrumenten. | Verwendung weltweit
Schätzungen zufolge pressen 20 Prozent der Menschen unbewusst die Zähne aufeinander (Jens Wolf/dpa / picture alliance)
Manche Menschen wachen nachts auf, weil der Ehemann oder die Ehefrau schnarcht. Andere wiederum werden geweckt, weil ihr Bettnachbar im Schlaf spricht. Und dann gibt es gar nicht so wenige, deren Nachtruhe wird gestört, weil jemand mit den Zähnen knirscht.
Zähneknirschen, den Kiefer anspannen, die Zähne aufeinander pressen – das nennen Zahnärzte Bruxismus. Bruxismus kann nachts, während des Schlafs auftreten, aber auch tagsüber. Und es betrifft erstaunlich viele Menschen, erklärt Professorin Ingrid Peroz von der Charité in Berlin und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und –therapie.
"Man geht von einer Häufigkeit von 20 Prozent aus, und das Interessante ist eben, dass es bereits Kinder betrifft, vom Kleinkindalter bis hin zum alten Menschen."
Nicht nur die Zähne leiden
Unter dem Knirschen und Pressen leiden mit der Zeit nicht nur die Zähne, beschriebt Ingrid Peroz.
"Die Folgen, die es haben kann, sind Spuren auf den Zähnen, wie Schlifffacetten, Absprengungen der Zahnsubstanz, Zerstörungen von Füllungen, Zerstörungen von Kronen und Brücken und Prothesen – also es macht eigentlich vor keinem der Materialien Halt, die in der Mundhöhle sind."
Doch das ist noch nicht alles: Nicht nur die Zähne leiden, auch die Kau- und Kiefermuskeln werden übermäßig belastet durch das Reiben und Aufeinanderpressen der Zähne.
Mann mit Stahlgebiss
Mancher Mensch hat im Alltag viel Anlass, die Zähne zusammenzupressen (dpa/picture-alliance/Martin Athenstädt)
"Darüber hinaus kann es aber auch ein Risikofaktor dafür sein, dass die Patienten Kopfschmerzen bekommen, typischerweise der Schläfenkopfschmerz oder dass sie Probleme bekommen mit der Kaumuskulatur oder Schmerzen am Kiefergelenk oder Bewegungsstörungen am Kiefergelenk."
Der Bruxismus kann nicht geheilt werden, aber verschiedene Maßnahmen können die Folgeschäden verringern oder ganz verhindern. In der jetzt veröffentlichten ersten Deutschen Leitlinie zum Thema Bruxismus – eine Handlungsempfehlung für Ärzte – sind die Behandlungsmöglichkeiten aufgeführt.
Abhilfe durch Beißschiene
Häufig hilft eine Plastikschiene, sagt Dr. Matthias Lange, Zahnarzt in Berlin und Mitglied im Vorstand der deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und – therapie.
"Da wird ein Aufbiss-Behelf angefertigt, idealerweise geht der über alle Zähne, ist aus hartem Kunststoff gefertigt und führt dazu, dass die Zähne zuverlässig geschützt werden vor dieser Aktivität. Aber durch die Unterkieferveränderung kann sich auch die Belastung innerhalb der Muskeln so verändern, dass die Muskeln sich dann nachts beim Tragen dieser Schiene z.B. ausruhen können, die Kiefergelenke können entlastet werden."
Bildnummer: 52920240 Datum: 26.02.2009 Copyright: imago/Niehoff Beißschiene gegen Zähneknirschen , Objekte; 2009, Studio, Gebissschiene, Zähne, Abdruck, Zahnarzt, Zahnmedizin; , quer, Kbdig, Einzelbild, Freisteller, , Bildnummer 52920240 Date 26 02 2009 Copyright Imago Niehoff Beißschiene against Teeth grinding Objects 2009 Studio Bite splint Teeth Imprint Dentist Dentistry horizontal Kbdig Single cut out
Häufig wird eine Plastikschiene angefertigt, die die Zähne vor Abnutzung schützen soll (Niehoff / imago)
Außerdem nimmt der Körper die Schiene als Fremdkörper wahr, was dazu führt, dass die Kau- und Kiefermuskeln weniger aktiv sind, also den Bruxismus abschwächen. Um diesen Effekt zu nutzen, sollte man die Schiene daher nicht jede Nacht tragen, empfiehlt Matthias Lange.
"Man soll sie intervallmäßig tragen, nicht durchtragen, um den Organismus immer wieder mal zu überraschen, dass die Wirksamkeit dann besser ist."
Eine App erinnert mit zufälligen Signalen ans Lockerlassen
Für Patienten, die tagsüber unbewusst mit den Zähnen knirschen oder die Kiefer aufeinanderpressen, hilft es, wenn sie sich immer wieder selbst beobachten und dann bewusst den Kiefer entspannen, so dass die oberen und unteren Zahnreihen sich nicht berühren. Mittlerweile gibt es sogar eine App, die dabei helfen soll, erklärt Matthias Lange:
"Die App kann man einstellen, dass die am Tag zufällig Signale sendet und jedes Mal, wenn die ein Signal sendet, soll man drauf achten, was man gerade mit seinen Zähnen macht, also idealerweise, wenn man den Mund geschlossen hat, sollten die Zähne auseinander sein."
Für andere Behandlungsmethoden, die zum Beispiel mit schwachen Reizströmen arbeiten, fehlen noch Beweise, dass sie wirken.
Klar ist aber jetzt schon: Wer glaubt, dass er möglicherweise mit den Zähnen knirscht, sollte dies unbedingt mit seinem Zahnarzt besprechen – bevor seine Zähne kaputtgeschliffen sind.