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Zahnspangen
Streit um medizinischen Nutzen und die Kosten

Ob fest oder lose: Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Deutschland bekommen irgendwann eine Zahnspange. Die Krankenkassen zahlen dafür pro Jahr etwa 1,1 Milliarden Euro - doch der medizinische Nutzen ist nicht ausreichend belegt. Bundestag und Bundesrechnungshof fordern Klarheit.

Von Monika Dittrich | 29.07.2019
Ein Junge sitzt auf einem Zahnarztstuhl, seine Zahnspange wird gereinigt.
Ob Zahnspangen medizinisch notwendig sind oder nur kosmetische Bedeutung haben, ist umstritten (imago images / Westend 61)
In der Adenauerallee in Bonn hat der Bundesrechnungshof seinen Sitz, in einem zurückhaltenden, sachlichen Gebäude aus den 50er-Jahren. Typisch Nachkriegsmoderne, typisch für die Bonner Republik. Früher war hier einmal das Postministerium untergebracht.
Lange Korridore mit fein glänzenden Linoleumböden, hinter hunderten Bürotüren arbeiten die Prüfer des Bundesrechnungshofs: Sie studieren Akten und kontrollieren Zahlenkolonnen. Ihre Aufgabe ist es, die Verwendung von Steuergeldern zu überwachen und zu prüfen, ob der Bund seine Mittel sinnvoll ausgibt.
Da wird etwa von der Anschaffung neuer Handfunkgeräte für die Bundeswehr abgeraten; dem Verkehrsminister wird vorgerechnet, wie viele Millionen er beim Bau eines Tunnels einsparen könnte; und die Finanzbehörden werden kritisiert, weil sie eine Milliarde Euro Hinterziehungszinsen nicht eingetrieben haben.
Freundlich im Ton, bestimmt in der Aussage
Und auch zum Thema Zahnspangen hat der Bundesrechnungshof etwas zu sagen: "Das betrifft eine Menge Kinder und Jugendlicher, über die Hälfte. Fachleute sprechen sogar von zwei Dritteln aller Kinder und Jugendlichen", sagt Kay Scheller, der seit fünf Jahren Präsident des Bundesrechnungshofs ist. "Und hier bei diesem Feld der Zahnspangen ist ein medizinischer Nutzen nicht genau belegt."
Der Bundesrechnungshof in Bonn
Der Bundesrechnungshof in Bonn (Deutschlandradio / Monika Dittrich)
Das Büro, in dem Scheller sitzt, war früher einmal das Ministerbüro: mit weitem Blick über den Rhein. Scheller ist 59 Jahre alt, Volljurist, sehr freundlich im Ton – und sehr bestimmt in der Aussage: "Man fragt sich ja schon und die Öffentlichkeit fragt sich ja vielleicht auch, wieso wir hier Intransparenz haben, wieso wir hier im Dunkeln sind. Das muss doch nicht sein. Hier brauchen wir doch mal Klarheit."
Und mit Klarheit meint Scheller: Es soll endlich erforscht werden, welchen medizinischen Nutzen Zahnspangen überhaupt haben, ob sie tatsächlich dabei helfen, im späteren Leben Karies, Zahnfleischentzündungen oder Zahnverlust zu verhindern. Ob es also gerechtfertigt ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen für diese Behandlungen bei Kindern und Jugendlichen aufkommen.
1,1 Milliarden zahlten die Krankenkassen
Dass Kieferorthopäden für gerade Zähne sorgen können, ist klar. Aber wenn schiefe Zähne gar keine gesundheitlichen Beschwerden machen, wäre das eben nur Kosmetik und kein Argument für eine Kassenleistung.
Die Kosten für feste und lose Zahnspangen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen; 2017 gaben die Krankenkassen 1,1 Milliarden Euro für kieferorthopädische Behandlungen aus.
Und weil die Krankenkassen nicht nur durch Beiträge von Versicherten und Arbeitgebern finanziert werden, sondern auch jährlich etwa 15 Milliarden Euro Zuschuss aus Bundesmitteln bekommen, sind die Zahnspangen eben auch ein Fall für den Bundesrechnungshof: "Und unsere Prüfer haben festgestellt, dass schon seit vielen Jahren danach gefragt wird, aber bisher die Kassen, die Selbstverwaltung, auch das Gesundheitsministerium sich nicht in ausreichender Intensität darum gekümmert haben", sagt Kay Scheller.
Manche Experten vermuten Überversorgung
Tatsächlich ist das Thema nicht neu: So bemängelte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen schon im Jahr 2001 die unzureichende Versorgungsforschung in der Kieferorthopädie. Andere Experten äußerten zwischenzeitlich die Vermutung einer Überversorgung mit Zahnspangen – auch weil in Deutschland mehr Kinder behandelt werden als in vergleichbaren Ländern.
Das Gesundheitsministerium sei dieser Kritik nicht nachgegangen, heißt es in den Bemerkungen des Bundesrechnungshofs, und weiter ist dort zu lesen: "Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass das Bundesgesundheitsministerium und die Krankenkassen kaum Einblick hatten, mit welchen kieferorthopädischen Leistungen Patientinnen und Patienten konkret versorgt wurden. Es fehlten bundesweite Daten, zum Beispiel über Art, Dauer und Erfolg der Behandlung, behandelte Altersgruppen, zugrundeliegende Diagnosen sowie die Zahl der abgeschlossenen Fälle und Behandlungsabbrüche."
Diese Kritik veröffentlichte der Bundesrechnungshof im vergangenen Jahr. Jetzt liegt die Sache beim Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags. Und die Parlamentarier haben dem Bundesgesundheitsministerium eine Frist gesetzt: Bis Ende August wollen sie wissen, welche Schritte das Ministerium in dieser Angelegenheit plant und wie die Versorgungsforschung in Gang gebracht werden kann.
"Aus meiner Sicht ist es natürlich auch enttäuschend, dass nicht schon viel früher und vor einigen Jahren diese Dinge angepackt worden sind", sagt Rechnungshof-Präsident Kay Scheller. "Umso notwendiger war es, dass wir dieses Thema aufgegriffen haben, dass wir Druck gemacht haben und uns durchgesetzt haben. Auch im Ministerium. Das Ministerium wollte auch lange Zeit nicht handeln, aber ist jetzt über den Deutschen Bundestag zum Handeln getragen worden."

Zum Handeln getragen: Damit meint Scheller zum Beispiel das Gutachten, das das Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben hat - beim Institut für Gesundheits- und Sozialforschung, kurz IGES. Die Forscher sollten anhand bereits vorliegender Studien auswerten, welchen langfristigen Nutzen kieferorthopädische Behandlungen haben, ob es also einen nachweisbaren Effekt auf die Mundgesundheit gibt – in Bezug auf Karies, Entzündungen des Zahnbettes, Zahnlockerung, Zahnverlust.
Rechnungshofpräsident Kay Schneller
Rechnungshofpräsident Kay Schneller kritisiert, das Bundesgesundheitsministerium habe das Thema vernachlässigt (Bundesrechnungshof)
Gutachten: Keine Aussage über den Nutzen von Zahnspangen
Doch fanden sie dazu in der weltweiten Literatur nur wenige Untersuchungen. Der Arzt und Kommunikationswissenschaftler Holger Gothe leitet den Bereich Versorgungsforschung am IGES-Institut; er ist Mitautor der Meta-Studie. "Das wichtigste Ergebnis unseres Gutachtens ist, dass die Evidenzlage, also das Vorhandensein von Belegen für den medizinischen Nutzen der Kieferorthopädie nicht zufriedenstellend ist und es nicht gestattet, darüber etwas auszusagen, ob diese therapeutischen Interventionen tatsächlich einen langfristigen Nutzen stiften."
Keine Aussage über den langfristigen Nutzen: Das 140-seitige Gutachten liest sich wie eine einzige Bestätigung dessen, was der Bundesrechnungshof zuvor bemängelt hatte: Man weiß offenbar nicht genau, welchen medizinischen Effekt die Zahnspangen haben – mal abgesehen davon, dass sie Zähne gerade machen.
"Wenn man den Nutzen-Aspekt vor Augen hat und den analysieren möchte auf der Basis vorhandener Studien, dann ist man enttäuscht darüber, dass es trotz dieser jahrzehntelangen Erfahrungen keine ausreichende Zahl von Belegen gibt, die den Nutzen über einen langen Zeitraum tatsächlich nachweisen würden", sagt Gothe.
Diese Ergebnisse sind niederschmetternd für das Fach der Kieferorthopädie. Steht doch damit der Vorwurf im Raum, dass Kieferorthopäden in Deutschland teure Therapien anbieten, deren medizinische Notwendigkeit nicht nachgewiesen ist. Der Vorwurf wiegt schwer, zumal es nicht nur um die 1,1 Milliarden Euro geht, die die gesetzlichen Krankenkassen dafür im Jahr ausgeben.
Kieferorthopäden wehren sich
Das IGES-Gutachten hat auch gezeigt, dass die allermeisten gesetzlich versicherten Patienten beim Kieferorthopäden private Zusatzleistungen in Anspruch nehmen – im Durchschnitt zahlen sie - beziehungsweise die Eltern - dafür bis zu 1.000 Euro. Es geht also um eine Menge Geld. Und um den Ruf der Kieferorthopäden.
"Durch diese stets wiederholte irreführende Berichterstattung in der Presse ist die Öffentlichkeit natürlich total verunsichert. Aussagen wie: ‚Regierung bestätigt Verdacht auf Abzocke mit Zahnspangen‘ sind absolut nicht zielführend, werden aber immer wiederholt und immer wiederholt. Wahr werden sie deshalb nicht", sagt Hans-Jürgen Köning. Er ist Fachzahnarzt für Kieferorthopädie in Berlin und Vorsitzender beim Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden.
Er und seine Kollegen seien überrascht, mit welcher Leichtigkeit der Bundesrechnungshof einem seit Langem etablierten Fachgebiet der Zahnheilkunde die Existenzberechtigung abspreche. Zahn- und Kieferfehlstellungen seien Krankheiten, die der Behandlung bedürften; der medizinische Nutzen stehe keinesfalls in Frage, so Köning.
Im Übrigen müssten die Krankenkassen jede Therapie anhand eines Behandlungsplans genehmigen – es sei deshalb überhaupt nicht nachvollziehbar, warum der Bundesrechnungshof mangelnde Informationen über kieferorthopädische Leistungen beklagt.
"Wir investieren hier in die Gesundheit der Jugend und das sollte sich ein Land wie Deutschland mit so einem hochentwickelten Gesundheitswesen leisten können", sagt Köning. Damit ist wohl auch gemeint: Die soziale Herkunft soll nicht an schiefen Zähnen erkennbar sein.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie wehrt sich mit einer Stellungnahme: "Für Patienten wichtige Beispiele klinisch-kieferorthopädischer Therapien sind etwa verlagerte und damit kaufunktionell nicht nutzbare Zähne, die wieder in die Mundhöhle und den Zahnbogen eingestellt werden und somit lebenslang ihre Funktion erfüllen können. Wenn bleibende Zähne fehlen – Beispiel zwei –, lässt sich durch einen kieferorthopädischen Lückenschluss eine ansonsten notwendige prothetische Versorgung in bestimmten Fällen vermeiden. Die Liste des klinischen Nutzens für den Patienten ließe sich fortsetzen."
Gerade Zähne nur ein Nebeneffekt?
Peter Schicker ärgert sich über die ganze politische Debatte. Der Fachzahnarzt für Kieferorthopädie betreibt eine Praxis in Bergisch-Gladbach. Schon Tausende Kinder und Jugendliche habe er in den vergangenen Jahren erfolgreich behandelt.
Dass er mit Zahnspangen schiefe Zähne geraderücke, sei dabei nur ein netter Nebeneffekt. "Wir sind nicht dafür da, die Zähne hübsch zu machen. Das ist mir ganz wichtig. Wir heißen ja Kieferorthopäden und nicht Zahnorthopäden. Das, was wir machen, ist die Einstellung von Ober- und Unterkiefer, Kiefergelenke, Sprachentwicklung, Muskulatur, Atemwege freischaufeln, um es mal salopp auszudrücken."
Schicker zeigt zahlreiche Beispiele aus seiner Praxis. Da sind Kinder und Jugendliche mit stark vorstehendem Ober- oder Unterkiefer. Patienten mit Zahnwurzelentzündungen, weil die gesamte Kaukraft nur auf einem oder wenigen Zähnen lagert.

Es gibt Kreuzbisse und offene Bisse, Menschen mit Kiefergelenkschmerzen; manche haben einfach zu wenig Platz im Mund für die bleibenden Zähne, bei anderen fehlen einige Zähne von Natur aus. Atmen, Sprechen oder Beißen können schwierig sein, wenn die Zähne im Kiefer nicht richtig stehen.
Der Kieferorthopäde Peter Schicker sitzt inmitten von Zahnarzt- und Kieferorthopädieinstrumenten in seiner Praxis.
"Gerade Zähne sind ein Nebeneffekt", sagt Kieferorthopäde Peter Schicker (Deutschlandradio / Monika Dittrich)
Und manchmal machen Zähne auch seelische Probleme: "Also das ist ein Patient, acht Jahre alt, und der kam zu uns, weil die Eltern sich Sorgen machten, der hat sich nicht mehr in die Schule getraut." Am Computerbildschirm zeigt Peter Schicker ein Foto des Jungen. Die Lippen sind geschlossen, doch ein Schneidezahn ragt deutlich heraus.
"Er ist halt in der Schule so stark gehänselt worden, dass er nicht mehr hingehen wollte. Und das gab richtige Probleme. Dann haben wir mehrere Gespräche gemacht und haben eine ganz einfach herausnehmbare Zahnspange gemacht und dann mit einem kurzen Stück fester Zahnspange nachjustiert, wo eben nur vier Zähne beklebt wurden. Und wenn man den am Ende anguckt, dann ist das ein ganz selbstbewusster Kerl geworden."
Kassen zahlen nicht immer
Zahnfehlstellungen wurden 1972 vom Bundessozialgericht als Krankheit eingestuft. Welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden, legt der Gemeinsame Bundesausschuss fest. Darin sind Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen vertreten.
Seit 2002 ist die Kostenübernahme in den sogenannten befundbezogenen kieferorthopädischen Indikationsgruppen geregelt, kurz: KIG. Hier gibt es fünf Schweregrade, von leichten Zahnfehlstellungen, deren Behandlung nur aus ästhetischer Sicht wünschenswert sein kann, bis hin zu extrem stark ausgeprägten Anomalien, die aus medizinischen Gründen unbedingt behandelt werden müssen. Ab Stufe drei zahlen die Krankenkassen die Therapie, allerdings üblicherweise nur bei Kindern und Jugendlichen.
Der Arzt muss am Gipsmodell des Kiefers mit millimetergenauen Messungen nachweisen, welcher Schweregrad bei einem Patienten zutrifft. "Normalerweise sind wir ja ein freier Beruf. Davon habe ich noch nicht so viel mitbekommen in den letzten zwölf Jahren. Es ist genau festgeschrieben, was wir machen dürfen, was wir machen können. Wir dürfen ja nur das Festgelegte behandeln. Dann wird das von den Krankenkassen regelmäßig begutachtet und kontrolliert. Das ist auch richtig, das soll auch so sein", so Kieferorthopäde Peter Schicker.
20 Prozent der Kosten für die kieferorthopädische Behandlung beziehungsweise zehn Prozent bei einem Geschwisterkind müssen die Eltern übrigens zunächst vorstrecken – sie werden von der Kasse erstattet, wenn die Behandlung erfolgreich abgeschlossen wurde. Die Patienten sollen so zum Mitmachen motiviert werden.
"Ich hatte mal eine Patienten-Mutter, die kam und sagte, schnell noch behandeln, bevor es der Staat mir wegnimmt", erzählt Schicker. Von Wegnehmen kann derzeit allerdings keine Rede sein. Eine evidenzbasierte Forschung könnte ja auch dazu führen, dass der medizinische Langzeitnutzen ganz zweifelsfrei bewiesen wird. Oder die Krankenkassen sogar für weitere Leistungen aufkommen müssen.
Ethische Bedenken gegen Studien
In der ganzen Diskussion muss man sich also fragen, warum es diese Versorgungsforschung einfach nicht gibt. Viele Kieferorthopäden argumentieren, die Studien seien aus ethischen Gründen nicht machbar – weil man dafür eine Kontrollgruppe brauche, die nicht behandelt wird.
Peter Schicker vergleicht das mit dem Fallschirm: Dessen Nutzen werde auch nicht belegt, indem man eine Kontrollgruppe ohne Fallschirm aus dem Flugzeug springen lasse: "Und da bin ich froh, dass wir seit vielen Jahrzehnten in einem Land leben, in dem es verboten ist, dass wir unethische Forschung betreiben. Ich kann doch nicht das eine Kind behandeln und das andere nicht."
Holger Gothe vom IGES-Institut sieht allerdings auch andere Möglichkeiten des Studiendesigns: "Man kann beispielsweise in bevölkerungsweiten Studien, wo man ja viele Teilnehmer hat, also bevölkerungsbezogen, da hat man ja die Möglichkeit, sich diejenigen anzuschauen, die solchen therapeutischen Maßnahmen unterzogen worden sind in der Vergangenheit oder auch in Zukunft unterzogen werden und sie dann zu vergleichen mit denjenigen, bei denen das nicht der Fall ist. Also basierend auf bereits laufenden oder jetzt anlaufenden Studien ließe sich so etwas konstruieren."
Rechnungsprüfungsausschuss wird aktiv
Im Bundesgesundheitsministerium war übrigens zu diesem Thema niemand für den Deutschlandfunk zu sprechen – mehrere Interviewanfragen wurden abgelehnt.
In einer älteren Stellungnahme zu dem IGES-Gutachten erklärte das Ministerium: "Dass Zahnspangen die Morbidität (Karies, Parodontitis, Zahnverlust etc.) - verringern, kann zwar nicht belegt werden, ist aber (…) auch nicht ausgeschlossen."
Mit einer solchen Aussage werden sich die Abgeordneten im Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags wohl kaum zufriedengeben.
Die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz ist dort Berichterstatterin für das Thema. Aus ihrer Sicht ist es nicht hinnehmbar, "dass wir teure Behandlungen in Deutschland finanzieren, wo wir nicht mal sagen können, ist es gut, ist es schlecht, ist es richtig, ist es wichtig, ist es wirtschaftlich, ist der Nutzen für den Patienten gegeben."
Der Gesundheitsminister habe in dieser Sache eine Kontrollfunktion und müsse nun endlich handeln, sagt Deligöz. Sie fordert eine entsprechende Studie. "Daraus wird es dann zu Schlussfolgerungen kommen müssen. Es gibt eine Vermutung, das ist lediglich eine Vermutung, dass womöglich eine Überkapazität der Versorgung stattfindet und dass die Patienten, oftmals Kinder, mit Leistungen versorgt werden, die so nicht notwendig sind."
Der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages hat das Gesundheitsministerium aufgefordert, bis Ende August zu erklären, wie es in dieser Sache nun weitergehen soll.
Offenbar hat allein die Debatte darüber schon etwas in Gang gebracht. Die Deutsche Gesellschaft für Kieferorthopädie will entsprechende Fragestellungen in der nächsten Deutschen Mundgesundheitsstudie unterbringen. Auch der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen erklärte erneut, es sei wichtig, dass Notwendigkeit und Wirkungen kieferorthopädischer Behandlungen wissenschaftlich geprüft werden.
CDU-Mitgliedschaft des Präsidenten hindert ihn nicht an Kritik
Also – offenbar sind jetzt alle dafür, den Nutzen von Zahnspangen zu erforschen. Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, verbucht das als Erfolg seines Hauses: "Im Auge der Bürgerinnen und Bürger sind wir schon ein wertvolles Staatsorgan, eine wertvolle Einrichtung, auch im Sinne des Bürgernutzens. Auch in dem Sinne, dass es wichtig ist, dass Bürgerinnen und Bürger Vertrauen haben in staatliche Leistungen. Ja, dieser Faktor ist wichtig in unserem Staatswesen, da gehört so eine externe Finanzkontrolle einfach dazu."
Scheller ist übrigens Mitglied der CDU. Vor seiner Zeit am Bundesrechnungshof war er Direktor der Unionsfraktion im Bundestag. Doch die Parteizugehörigkeit hindert ihn offenbar nicht daran, seinen CDU-Kollegen in Berlin auf die Füße zu treten. Er mache einfach seine Arbeit - aus dem Amt heraus, sagt Scheller.
Tatsächlich hat er sich immer wieder auch mit CDU-Ministern angelegt und ihre Ausgabepolitik gerügt. Damit muss wohl auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rechnen. Denn für Kay Scheller und seine Rechnungsprüfer ist die Sache mit den Zahnspangen noch nicht erledigt: "Also der Bundesrechnungshof wird dieses Thema in den nächsten Jahren eng begleiten. Das kann ich Ihnen versprechen."