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Zankapfel Kooperationsverbot

Neben dem Bedarf an einer höheren Grundfinanzierung von Hochschulen sind sich Union und SPD bei den Koalitionsgesprächen in vielem einig. Doch eine Differenz zeigte sich: Das Kooperationsverbot will die Union per Grundgesetzänderung nur zugunsten der Hochschulen aufheben.

Von Jürgen König | 11.11.2013
    In sehr vielem sind sich die Bildungspolitiker von Union und SPD einig: etwa darin, dass die Hochschulen eine erheblich höhere Grundfinanzierung brauchen, dass die Forschungsausgaben steigen sollen, dass es eine "spürbare" BAföG-Reform geben muss. In einem Punkt aber zeigten sich heute Differenzen – und dieser eine Punkt ist leider ein grundlegender. Das Kooperationsverbot will die Union per Grundgesetzänderung nur zugunsten der Hochschulen aufheben. Die amtierende Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, CDU, nach der Sitzung der Arbeitsgruppe:

    "Wir wollen auf der Basis dessen, was jetzt auch an Förderlinien gelaufen ist, diese Exzellenzinitiative weiter entwickeln, aber dort auch, und das ist entscheidend, Formate schaffen, wo die Hochschulen nicht wieder für drei oder fünf Jahre einen Zuschlag bekommen, sondern langfristig, unbefristet. Das ist etwas, was den Hochschulen unwahrscheinlich viel nutzen würde."

    Das will die SPD auch, darüber hinaus aber, so die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen, sei es dringend nötig, in eine Grundgesetzänderung auch die Schulen einzubeziehen.

    "Wenn ich nur drei Stichworte nenne: Ganztagsschule, das große Thema Inklusion, aber auch das Thema Integration durch Bildung, dann glaube ich, wäre es zu kurz gesprungen, das einfach einer staatlichen Ebene zuzuordnen, sondern dann scheint es mir an der Zeit zu sein, dass man sich wirklich neu verständigt, dass solche zentralen Herausforderungen auch gemeinsam von allen staatlichen Ebenen angegangen werden. Und deswegen hätten wir gerne auch diese Öffnung im Grundgesetz für den schulischen Bereich. Und natürlich wollen wir das materiell unterlegen, indem wir dann eben auch sagen: Wir bringen ein großes Ganztagsschulprogramm auf den Weg."

    Johanna Wanka hält zweierlei dagegen: Viele Bundesländer seien strikt gegen eine solche Kompetenzverlagerung und: Über eine Grundgesetzänderung auch zugunsten der Schulen würde Jahre debattiert werden, diese Zeit aber hätten die Hochschulen nicht, sie bräuchten dringend Planungssicherheit. Eine Änderung nur zugunsten der Hochschulen aber sei, da bereits allseits akzeptiert, auch kurzfristig machbar.

    "Also im Hochschulbereich haben wir schon Kooperationen, haben wir schon mehr als im Bildungsbereich, und im Bildungsbereich ist es natürlich eine grundlegende Veränderung. Und für uns ist es schon ein Problem, weil es drängt, es im Hochschulbereich zu tun. Die Pakte laufen aus, wir müssen jetzt die Basis haben - und deswegen ist es schon ein Punkt, der uns sehr beschäftigt, dass de facto der Wissenschaftsbereich, das Wissenschaftssystem in Geiselhaft genommen wird für Kompetenzverteilung innerhalb der Bundesregierung und auch Finanzströme, die sich wirklich erst ändern oder überhaupt diskutieren lassen im Rahmen einer Föderalismuskommission."

    "Ich halte einen Begriff wie Geiselhaft für völlig unangemessen, Frau Wanka, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen; so wie wir Handlungsdruck im Bereich von Hochschulen und Wissenschaft haben, so haben wir ja auch Handlungsdruck in großen zentralen Projekten im schulischen Bereich! Und aus meiner Sicht gibt es keine nachvollziehbare Begründung, warum wir das jetzt nicht gemeinsam lösen können."

    Ohne Verfassungsänderung, kontert wiederum Johanna Wanka, könne es auch kein neues Ganztagsschulprogramm des Bundes geben. Eine verblüffende Aussage – hatte nicht Bundeskanzlerin Merkel im Wahlkampf genau dieses in Aussicht gestellt? Nein, um Ganztagsschulen sei es der Kanzlerin nie gegangen, sagt Johanna Wanka, von "Ganztagsbetreuung" sei lediglich die Rede gewesen. Doris Ahnen schüttelt nur mit dem Kopf.

    (Doris Ahnen:) "Das Ganztagsschulprogramm ist strittig gestellt."
    (Johanna Wanka:) "Ja!"
    (Doris Ahnen:) "Komplett, von der CDU/CSU komplett strittig gestellt."
    (Johanna Wanka:) "Und von der SPD auch."

    Der Ton wird rauer in der der Arbeitsgruppe Wissenschaft, Bildung und Forschung. Sollte man sich über eine Grundgesetzänderung nicht einigen, wird die Große Koalitionsrunde entscheiden. Dass sich die SPD dabei durchsetzt, ist unwahrscheinlich – es könnte also durchaus sein, dass in Sachen Kooperationsverbot: Alles bleibt, wie es ist.