Freitag, 19. April 2024

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ZDF-Doku über Leo Kirch
Medienguru und Schattenmann

Leo Kirch gehörte über Jahrzehnte zu den einflussreichsten Medienmachern Deutschlands - und er kämpfte bis zu seinem Tod 2011 um sein Vermächtnis. "Er liebte das Spiel um die Macht", sagte der Journalist Michael Jürgs im Dlf, der jetzt eine Kirch-Doku gemacht hat.

Michael Jürgs im Corsogespräch mit Sören Brinkmann | 12.12.2017
    Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (l) unterhält sich am Mittwoch (08.02.2006) im Schloss Bellevue in Berlin mit dem Medienunternehmer Leo Kirch. Der Bundespräsident veranstaltete zu Ehren Kohls ein Abendessen, zu dem neben Kohls Familie zahlreiche Gäste aus Politik und Medien eingeladen waren.
    Leo Kirch umgab sich gerne mit den Mächtigen (dpa / Stephanie Pilick)
    Leo Kirch gehörte über Jahrzehnte zu den wichtigsten Machern in der Medienbranche überhaupt – nicht nur, aber vor allem in Deutschland. Und bis zu seinem Tod 2011 hat er um sein Vermächtnis gekämpft. Man könnte ihn als Medienmogul bezeichnen oder auch als "großen Zampano". So tut das jetzt der Journalist Michael Jürgs. Zusammen mit Bertold Baule hat er die Dokumentation gemacht: "Der große Zampano – Wer war Leo Kirch?". Darüber wollen wir sprechen.
    "Er liebte das Spiel um die Macht"
    Sören Brinkmann: Guten Tag, Herr Jürgs.
    Michael Jürgs: Hallo, ich grüße Sie.
    Brinkmann: Ausgerechnet im ZDF läuft die Doku – ohne das Leo Kirch nicht zu dem geworden wäre, was er später war, oder?
    Jürgs: Das ist doch eigentlich ein Zeichen dafür, dass die Heutigen beim ZDF souverän sind, denn es gab ja damals große, große Schwierigkeiten und auch Prozesse, dass das ganze ZDF im Würgegriff von Leo Kirch sei, was der Spiegel behauptet hatte, aber vieles davon zurücknehmen musste. Richtig war: Sicher hat er Hunderte von Millionen Mark in den Zeiten allein am ZDF verdient, weil er die Rechte für Serien und Filme hatte.
    Brinkmann: Das zeichnen Sie nach, eben auch diese Kritik, die es im Spiegel zum Beispiel gab. Und später dann hat Leo Kirch im Grunde dann seinen eigenen Sender gehabt, um die Konkurrenz auch zum öffentlich-rechtlichen System aufzubauen, mit Sat1.
    Jürgs: Das hat er heimlich gemacht natürlich, typisch für diesen Schattenmann, dass während er mit dem ZDF verhandelt hat, er natürlich einer der geheimen oder nicht auffälligen Treuhänder/Gründer von Sat1 gewesen ist, was dann doch zu gewissem Ärger beim ZDF führte – was ihm im Grunde aber egal war, denn er liebte das Spiel um die Macht. Die Macht in den Medien war ihm mindestens so wichtig wie die Macht in der Politik, die dann später wichtig wurde.
    "Verlegerisches Charisma"
    Brinkmann: Am Anfang des Films, darauf würde ich gerne zunächst noch mal kommen, da kommen direkt hintereinandergeschnitten etliche einflussreiche Medienmenschen zu Wort. Und wenn man die so hört, dann kann man den Eindruck bekommen: Klar, die können jetzt natürlich relativ leicht auch Lob verteilen, einige Jahre nach Kirchs Tod, wo das Schicksal seines Unternehmens endgültig besiegelt ist, da gibt es selbst Lob von Mathias Döpfner, dem Springer-Chef, der ja eigentlich Kirch aus dem Springer-Konzern rausgedrängt hat.
    Jürgs: Also, Mathias Döpfner, das war eigentlich sein Ritterschlag, dass er das geschafft hat. Friede Springer hat ja wirklich diesen Satz gesagt: "Schaffen Sie mir diesen Kirch vom Leib". Das hat er gemacht. Damals unvorstellbar, dieser mächtige Schattenmann und diese Jungen bei Springer, die gerade erst angefangen haben. Aber mit der berühmten Put-Option, die man jetzt gar nicht lang erklären kann… Auf jeden Fall mussten zu einer bestimmten Summe Aktien zurückgekauft werden, um es mal einfach zu sagen. Und dieses Geld hatte Kirch damals nicht mehr. Damit war er eigentlich erledigt. Plus – die Deutsche Bank, die sagte, das berühmte Ding von Breuer, der sagte: "in unserer Branche ist er nicht mehr so ganz kreditwürdig", in diesem Sinne, so ähnlich.
    Aber, weil Sie das gerade ansprachen, er hat ja – und das hat mich natürlich gereizt auch – ganz andere Seiten gehabt. Man kann ja sagen, ein fränkischer Weinbauernbub, ein tiefreligiöser Katholik, der sich aufmacht, von der Provinz in die weite Welt. Das ist eigentlich eine reife Leistung.
    Brinkmann: Sie zeichnen dieses Leben von Leo Kirch nach in sieben Kapiteln. In den letzten Kriegstagen noch eingezogen im Zweiten Weltkrieg, dann im Nachkriegsdeutschland den Grundstein gelegt für sein späteres Medienimperium, eng verbandelt – das haben Sie auch schon angesprochen – mit der Politik, unter anderem und ganz besonders mit Helmut Kohl. War Leo Kirch so ein typischer Unternehmer der "Alten Bundesrepublik", ich sage mal, wie ein Flick oder, um in der Branche zu bleiben, wie ein Axel Springer oder ein Reinhard Mohn? Ist das so typisch?
    Jürgs: Ich würde ihn eher einordnen in Richtung Reinhard Mohn, weil natürlich Axel Springer oder auch Nannen oder Augstein oder andere, selbst der alte Burda, hatten ein gewisses Charisma in den Medien, also "verlegerisches Charisma", lassen Sie uns mal diesen Begriff nehmen. Er war einer eher, der wie Grundig oder Neckermann, das waren ja Händler, eine Idee war – nur, dass er nicht mit Waren handelte, sondern mit Filmen handelte. Insofern war er eine typische Unternehmerfigur der "Alten Bundesrepublik", er betrachtete die Filme als Ware bis er 12 000 liegen hatte oder 40 000 Stunden Serien. Mit diesem Geschäft wurde er mächtig und groß - bis er natürlich die Übersicht verlor.
    Wir haben noch länger mit Michael Jürgs gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Brinkmann: Warum kommt der Film jetzt, eben einige Jahre nach dem Tod von Leo Kirch, wo auch der Prozess beendet ist, wo vielleicht auch nicht mehr so oft über Leo Kirch gesprochen wird? Brauchte es aus Ihrer Sicht ein bisschen Abstand?
    Jürgs: Also, ich glaube, abwarten musste man ganz sicher, um aktuell zu sein. Das Ende des Prozesses, Sie wissen, 934 Millionen musste die Deutsche Bank an die Erben und auch an seinen späteren letzten Geschäftsführer Dieter Hahn bezahlen et cetera und die Gläubiger…
    Brinkmann: … Und Rolf Breuer, der diesen markanten Satz gesagt hat, musste auch bezahlen, an die Deutsche Bank dann.
    Jürgs: … Drei Millionen von seinem Privatgeld – im Vergleich zu der Summe ist das so viel nicht, könnte man einfach mal behaupten. Aber es ist gerade im Fall "Leo Kirch", wo so viele Juristen, unglaublich viele Juristen – und nicht die schlechtesten, dazu gehörte auch Peter Gauweiler zum Beispiel – mitspielen, muss man auf die Feinheiten achten und genau im Detail arbeiten und immer wieder – was wir ja auch gelernt haben – Audiator machen, also die andere Seite hören. Als ich erfuhr, es gibt einen unehelichen Sohn von Leo Kirch - dieser Erzkatholik, dieser konservative Kohl-Freund hat einen unehelichen Sohn, da ist man als Journalist höchst misstrauisch. Und ich habe es erst geglaubt, als ich dann die Geburtsurkunde, die Eintragung im Standesamt hatte. Das haben wir dann ja auch gezeigt.
    "Schröder denkt nicht dran, über diese Herrenrunde zu sprechen"
    Brinkmann: Genau. Das ist dann der Scoop auch am Ende Ihres Films noch. Ärgert es Sie, dass es eben – wie so häufig die Dokus, auch im öffentlich-rechtlichen – dann doch eher in den späteren Stunden läuft?
    Jürgs: Um diesen Ärger auszudrücken würde Ihre Sendezeit nicht reichen, wie Sie sich vorstellen können. Ich habe das ja nicht zum ersten Mal erlebt, dass man so spät sendet, aber besser als nach Mitternacht, oder?
    Brinkmann: Es kommen viele bekannte Medienmacher zu Wort – aber einige kommen eben auch nicht zu Wort. Fred Kogel zum Beispiel, von Sat1 früher, Georg Kofler, Medienmanager – warum sind die nicht dabei?
    Jürgs: Alle angefragt. Die ganzen Medienmenschen, die Sie gerade nannten, wurden natürlich alle von mir angefragt: Kogel, Kloiber, Kofler, Mojto, Dieter Hahn selbstverständlich – und bei allen kam die Antwort: kein Interesse. Und es gab auch Beispiele von Leuten, die "ja" gesagt haben zu mir, weil man sich lang genug kannte – und plötzlich, wenn ich den Termin machen wollte, sagten sie "lieber doch nicht, die Zeiten sind vorbei". Ich könnte mir vorstellen, woran das liegt, aber ich werde nicht so blöd sein, diesen Verdacht zu äußern, weil ich möchte ja juristisch sauber bleiben.
    Brinkmann: Und allen voran Rolf Breuer, der damals diesen bekannten Satz gesagt hat als Deutsche Bank-Chef, der – das erwähnen Sie mehrmals – angefragt wurde, aber nichts sagen wollte mehr zu dem Thema.
    Jürgs: Aber auch Schröder, der ehemalige Bundeskanzler, hat freundlich gegrüßt, aber er denkt nicht dran, über diese Herrenrunde damals zu sprechen, in der eigentlich das Fell des Bären Leo Kirch verteilt worden ist - oder verteilt werden sollte. Also, da gibt es sicher noch viel zu erzählen. Und das wiederum – und das wäre der Bogen, glaube ich – hätte man natürlich in einer Fiction-, einer Spielhandlung wunderbar erzählen können.
    Brinkmann: Nun ist es anders, in einer Dokumentation, gezeigt worden - in einer Dokumentation von Michael Jürgs: "Der große Zampano – Wer war Leo Kirch?", zu sehen heute abend im ZDF. Vielen Dank für das Gespräch.
    Jürgs: Ich danke Ihnen auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.