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Zehn Jahre Junior Uni Wuppertal
Erfolgreiches Lernen fern der Schule

Die private Junior Uni in Wuppertal hat es sich zum Ziel gemacht, Bildung für möglichst viele Kinder und Jugendliche anzubieten, auch aus einkommensschwachen Haushalten. Wer mag, kann schon für fünf bis zehn Euro einen Semesterkurs buchen, zum Beispiel "Pneumatik mit Legosteinen".

Von Jennifer von Massow | 21.12.2018
    Junior-Studenten testen in der "Junior Uni" in Wuppertal ihren Lego-Roboter, der mittels Sensoren zwischen Schwarz und Weiß unterscheiden und somit die Schablone entlang fahren kann. Im Vergleich zu vielen zeitlich oder altersmäßig begrenzten Initiativen, die in vielen Universitätsstädten angeboten werden, ist die Junior Uni für Wuppertal und das Bergische ganzjährig geöffnet. Die Dozenten sind Universitätsprofessoren, Lehrer, Unternehmer, Studierende, aber auch Schüler, die den Kindern und Jugendlichen ohne Leistungs- und Notendruck Wissen vermitteln. Foto: David Ebener dpa/lnw +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
    Schüler mit Lego-Roboter an der Junior Uni Wuppertal (David Ebener dpa/lnw)
    Auf den Startschuss vom Dozenten hin machen sich neun kleine Jungen und ein Mädchen auf den Weg zum Regal mit den Legosteinen. Sie kommen mit einer mal mehr mal weniger großen Auswahl an kleinen Rädern, Zylindern, Schläuchen und Pumpen zurück an den großen Tisch. In der letzten Stunde vor Weihnachten darf hier jedes Kind bauen, wozu es Lust hat.
    Anton ist sechs Jahre alt, kniet mit seinen Gummistiefeln auf dem Stuhl und macht sich aufgeregt ans Werk – er möchte ein Auto bauen: Oder doch lieber einen Kompressor?

    "So, und hier hab' ich das Rad. Das ist immer 'ne Fummelarbeit mit diesen Schläuchen. Boah! Kompressor habe ich noch nie gebaut."
    "Und was kann ein Kompressor?"
    "Der kann Luft oder, ja, pumpen. Ich weiß nicht, ob es mit Pneumatik oder Hydraulik funktioniert - keine Ahnung!"
    "Was glaubst du denn?"
    "Hydraulik ist mit Flüssigkeiten..."
    "Und siehst du hier irgendwas mit Flüssigkeiten, Nee ne? Außer draußen, ne? Da regnet's."
    Anton steckt Schläuche, Pumpen und Zylinder zusammen und pumpt erstmal Luft von einer Seite auf die andere. Andere Kinder am Tisch fangen sofort an, große Räder und Radachsen zusammen zu stecken, gegenüber wird ein Greifarm fertig gebaut. Vielleicht lassen sich die Teile auch verbinden?
    "Können die Pumpen denn eigentlich auch Räder verbinden? Das weiß ich nicht."
    Kursleiter Sinan läuft lässig in Jeans und Kapuzenpullover durch den Raum. Er studiert Maschinenbau und arbeitet schon seit vier Jahren nebenbei hier als Dozent. Er geht von einem Kind zum anderen, erklärt manchmal auch quer über den riesigen Tisch hinweg und mag die Arbeit hier.
    "Es macht einfach Spaß, weil man immer neue Kinder kennenlernt und halt jeder Kurs anders ist. Ist halt immer Abwechslung drin!"
    Die Wartelisten sind lang
    Einen Platz im Pneumatik-Kurs an der Junior Uni zu bekommen ist nicht so einfach: Nach Angaben der Geschäftsführung sind die Wartelisten hier genauso lang wie die Teilnehmerlisten. Es gibt zwei feste Anmeldestart-Tage für das neue Semester. Das sind oft die Chaostage an der Junior Uni, erzählt die 28-Jährige stellvertretende Geschäftsführerin Annika Spathmann.
    "Mittlerweile sind wir von der Technik etwas besser aufgestellt. Früher war es tatsächlich so, dass wir so einen großen Ansturm hatten, dass die Server zusammengebrochen sind, und dass die Telekom die Telefonleitungen stillgelegt hat, weil sie dachte, es sei ein Hackerangriff!"
    Das liegt auch an den sehr geringen Kursgebühren: Ein ganzes Semester Pneumatik kostet nur fünf bis zehn Euro pro Kind. Denn das Ziel der Junior Uni ist eine gute Bildung anzubieten - für alle Kinder in der sehr heterogenen Stadt Wuppertal. Vor zehn Jahren hat Ernst-Andreas Ziegler die Uni gegründet, um die Stadt wieder aufzuwecken. Die Antriebslosigkeit der Erwachsenen habe ihn damals wahnsinnig gemacht. Er sagt, die ganze Region habe so verschlafen gewirkt, dass Journalisten sich darüber lustig machten.
    "In einer großen deutschen Zeitung erschien ein Artikel mit einem Satz, der mich und andere unheimlich aufgeregt hat. In dieser Stadt und dieser Region wird künftig nur noch sich bewegen, was der Wind bewegt... Furchtbar. Und dann haben wir gesagt, was muss eigentlich passieren, dass eine Stadt im Strukturwandel mit großen finanziellen Problemen, eine Wirtschaft, die mutlos ist, was muss passieren, damit die Menschen Hoffnung haben? Die Antwort heißt: Denkbar beste Bildung für alle Kinder!"
    Junior Uni arbeitet als gemeinnützige GmbH
    Diese einfache Idee war gar nicht so leicht umzusetzen. Aber Ernst-Andreas Ziegler hat einen Weg gefunden: Die Junior Uni arbeitet als gemeinnützige GmbH. Drei Gesellschafter und viele Unternehmen und auch Bürger unterstützen die Einrichtung.
    "Wir sind überhaupt nicht profitorientiert. Unser Hauptanliegen ist, auch die einkommensschwachen Familien, sogar die bildungsfernen Familien zu erreichen."
    Alle Kinder erreichen - um das zu schaffen, wirbt die Junior Uni gezielt in Hauptschulen und nicht ganz so privilegierten Stadtvierteln für ihre Kurse, erzählt die stellvertretende Geschäftsführerin Annika Spathmann.
    "Aus unserer Sicht hat jedes Kind Talente, man muss sie nur finden und ihnen zeigen, wie sie die fördern können - und das möchten wir hier erreichen."