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Zeiträume

Mittwoch morgen 9.00 Uhr. So langsam trudeln die Mieter der Zeiträume an ihren Arbeitsplätzen ein. Die Zeiträume sind ein Büro in Köln, in dem sich Selbstständige auf Zeit einmieten können. Einzelbüros, Arbeitsplätze im Großraum, Konferenzräume oder auch Coachingzimmer können für Monate oder Wochen, aber auch nur für Stunden angemietet werden.

Von Andrea Lueg | 13.11.2010
    "An sich geht unser Kundenstamm durch alle Branchen. Es sind relativ viele Menschen aus dem IT Bereich da, Berater, Coaches, freie Journalisten, Grafikdesigner, Fotografen, jeder, der von Berufs wegen relativ viel unterwegs sein muss und für sich ne Basisstation sucht, um teilweise auch die ungeliebten Sachen zu machen, zum Beispiel die Buchhaltung."

    Erzählt Jacqueline Boyce, die die Zeiträume vor drei Jahren ins Leben rief. Solche neuen Büroformen, co-working spaces genannt, entstanden zu der Zeit parallel in verschiedenen Großstädten in Deutschland. Jeder zehnte Erwerbstätige ist mittlerweile selbstständig, diese Gruppe gewinnt in der Arbeitswelt an Bedeutung. Und sie braucht nicht nur einen Arbeitsplatz. Viel wichtiger ist für viele auch die Struktur und die Kontakte, die man hier knüpfen kann. So geht es auch der Autorin Claudia Noke.

    "Ich könnte auch von zuhause aus arbeiten, aber mir ist das eigentlich ein bisschen zu einsam. Ich finde es ganz schön, in seinem Umfeld zu arbeiten, wo auch andere Kollegen sitzen. Man kommt so in Kontakt mit Leuten, die man sonst vielleicht nicht kennenlernen würde. Da gibt’s einen, der hat erzählt, er ist Gutachter für das Fischereiwesen – wusste ich gar nicht, dass es so was gibt."

    Solche Kontakte sind aber nicht nur interessant, sondern können auch zu Kooperationen führen. Grafikdesigner und Autoren können zum Beispiel Dienstleistungen im Paket anbieten. Einige Sportwissenschaftler begannen ihre Selbstständigkeit in den Zeiträumen, entwickelten Bewegungskonzepte für die anderen Büroarbeiter hier und fanden damit auch rasch Kunden in Unternehmen außerhalb.

    Die Räume sind in dunklem Rot und Grasgrün angestrichen, Schreibtische und Schränke farblich abgestimmt, ein angenehmes Ambiente in einer alten Fabriketage. Alles wirkt offen durch die Glastüren.

    "Zum Arbeitsplatz gehört ein Telefon, auch mit ner festen Durchwahl, das find ich eben auch sehr angenehm, ansonsten ist der Schreibtisch leer."

    Claudia Noke hat noch nicht einmal auf Wochen oder Tage fest gemietet, sie hat ein Kontingent.

    "Das läuft so, dass ich eine Kontingentkarte kaufe, also über 200 Stunden oder 100 Stunden und dann kann ich kommen, wann ich will und ich bezahl auch nur für die Zeit, die ich hier bin."

    Etwa 900 Euro kosten 200 Stunden, ein Einzelbüro 450 Euro im Monat, ein Schreibtisch 350. Stolze Preise, aber dafür übernimmt der Empfang auch Telefondienste und löst Drucker- oder Faxprobleme und eine Putzfrau macht regelmäßig sauber. Ein kleiner Fitnessbereich kann ebenfalls genutzt werden.

    Und eigentlich könnte Claudia Noke auch noch ihre kleine Tochter mitbringen, denn zum Büro auf Zeit gehört auch eine Kita. Nur waren deren Plätze deutlich schneller belegt als die Schreibtische. Deshalb gab es dort keinen Platz mehr.

    Inzwischen sind auch die Büros gut ausgelastet und berufstätige Eltern gehören durchaus zu den Kunden. Zu den Lieblingsplätzen auch hier gehört die Küche.

    "Ich freu mich immer, wenn ich Kunden bei den berühmten Küchengesprächen beobachte oder selbst dran teilnehme, das ist so was, wo auch mal gute Ideen geboren werden."

    Immerhin hat das Massachusetts Institute of Technology herausgefunden, dass 70 Prozent aller Innovationen zufällig im Gespräch entstanden. Wahrscheinlich auch oft in der Küche.