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Zeitumstellung
Die Polen wollen nicht mehr richtig ticken

Die Zeitumstellung von Winter- auf Sommerzeit und umgekehrt ist umstritten. In Polen will die Regierung die Umstellung auf die Winterzeit abschaffen. Geht es nach den Befürwortern, könnte ab 2018 dann dauerhaft die Sommerzeit gelten.

Von Florian Kellermann | 28.10.2017
    Das Zifferblatt einer Uhr zeigt verschwommen zwei und drei Uhr gleichzeitig.
    Im polnischen Lublin wird es rund eine Stunde früher dunkel als in Köln. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Polen liegt am östlichen Rand der Zeitzone, zu der auch Deutschland gehört - der Mitteleuropäischen Zeit. Und weil die Sonne im Osten aufgeht und im Westen untergeht, ist es am Abend in Polen früher dunkel. Der Unterschied ist spürbar - zwischen Lublin und Köln etwa beträgt er über eine Stunde. Im Dezember geht die Sonne im östlichen Polen schon um 15:20 Uhr unter.
    Doch das soll im kommenden Jahr anders werden, wünscht sich Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, Vorsitzender der Bauernpartei PSL:
    "Wir sind, ganz ehrlich, sehr glücklich, dass unser Vorschlag im Innenausschuss einstimmig angenommen wurde: In Polen soll es künftig nur noch eine Zeit geben, die gute, die Sommerzeit. Wir danken allen Abgeordneten. Jetzt geht das Gesetz in die zweite Lesung."
    Sommerzeit als Standard
    Mit anderen Worten: Wenn es nach dem Willen des Ausschusses geht, sollen die Uhren in Polen heute Nacht zum letzten Mal auf die Normalzeit zurückgestellt werden. In einem Jahr soll das nicht mehr passieren: Die sogenannte Sommerzeit würde dann das ganze Jahr über gelten.
    Darauf freuen sich alle, die an Winternachmittagen gerne länger Sonne haben. Aber auch diejenigen, die einfach nur eine einheitliche Zeit wollen, weil ihr Organismus unter der Umstellung leidet. Der Psychologe Leszek Mellibruda:
    "Für diejenigen, die ohnehin jeden Tag zu einer anderen Uhrzeit ins Bett gehen und aufstehen, ist das kein Problem. Anders bei denen mit einem stabilen Tagesablauf, bei denen die biologische Uhr gut eingestellt ist. Bei ihnen beginnt das Hormon Cortison, das Stress-Hormon, sie schon eine Stunde vor dem Aufstehen zu stimulieren. Bei ihnen dauert die Umstellung bis zu einer Woche."
    "Die Faulen sind faul, egal, ob es hell oder dunkel ist"
    Weniger begeistert von der ständigen Sommerzeit dürften diejenigen sein, die früh aufstehen müssen. Denn morgens würde es dann im Winter eine Stunde später hell - im polnischen Westen, an der Grenze zu Deutschland, zum Beispiel im Dezember erst gegen neun Uhr.
    Die Polen sind gespalten, wie Umfragen zeigen. Eine ältere Dame aus Kattowitz meint:
    "Ich bin dafür, es bei der Sommerzeit zu belassen. Für die Frühaufsteher wird das kein Problem, denke ich. Die stehen aus Gewohnheit auf, nicht, weil es hell ist. Und die Faulen sind auch faul, egal, ob es hell oder dunkel ist. Die schlafen sich so oder so aus."
    Druck auf die EU-Kommission wächst
    Allerdings kann Polen die Zeitumstellung eigentlich gar nicht alleine aussetzen, denn das ist seit 2001 EU-weit geregelt. Aus gutem Grund, meint Maciej Dobieszewski aus dem polnischen Wirtschaftsministerium:
    "Ein polnischer Alleingang würde ja bedeuten, dass wir sechs Monate im Jahr die Uhr umstellen müssten, wenn wir unsere westliche oder südliche Landesgrenze übertreten. Die Folge wäre ein Durcheinander in der Zusammenarbeit mit unseren engsten Partnern, auch für Touristen."
    Zwar gibt es in der ganzen EU immer mehr Politiker, die die Zeitumstellung abschaffen wollen. Der Druck auf die EU-Kommission, sich mit der Frage zu beschäftigen, wächst. Doch außerhalb von Polen wird eher die Abschaffung der sogenannten Sommerzeit diskutiert.
    Einstweilen lautet das wichtigste Ergebnis der Debatte im polnischen Parlament: Die sonst so gnadenlos zerstrittenen Parteien können also doch, zumindest in manchen Fragen, mit einer Stimme sprechen.