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Zeitung 3.0?

Internet.- Besonders Zeitungen erhoffen sich von Apples iPad den Anbruch einer neuen digitalen Zeitrechnung. Mithilfe des Geräts, so der Wunsch, könnten sich endlich Medieninhalte auch kostenpflichtig vertreiben lassen. Ein Trugschluss? Wissenschaftsjournalist Peter Welchering berichtet im Interview mit Manfred Kloiber.

30.01.2010
    Manfred Kloiber: Die vergleichsweise schlechte Lesbarkeit des Displays hat Kolleginnen und Kollegen wie etwa Jennifer Brook von der New York Times nicht davon abgehalten, das iPad als die Plattform für die Essenz des Zeitungslesens zu loben. Und nicht nur die New York Times, auch andere Medienhäuser versprechen sich vom neuen Apple-Produkt ja sehr viel. Warum setzen eigentlich die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage so sehr auf Apples iPad, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Naja, also die setzten weniger auf das Gerät, auf das iPad so als Hardware, sag ich mal, sondern die setzten stärker auf das Konzept. Und das sowohl in den USA als auch in Europa. Ein österreichischer Verlagsmanager sagte mir etwa am Donnerstag, nachdem es eben vorgestellt war, Apple solle doch bitte ganz, ganz rasch das iPad 3.0 auf den Markt bringen. Denn mit so einem iPad 3.0 hätten dann die Verlage endlich eine technisch saubere Plattform für die Zeitschriften und Zeitungen der Zukunft und nicht eine Plattform, die eben noch nachgebessert werden müsste. Und deshalb hat ja wohl auch Jennifer Brook, die die New York Times ja auf dem iPad vorgestellt hat, obwohl das Verlagsmanagement der Hearst Corporation sich von den technischen Features des neuen Apple-Gerätes, naja sagen wir mal, nicht allzu begeistert zeigte. Aber eben viele Verlagsmanager, viele Zeitungsverleger, die haben eben erkannt, dass mit dem iPad und mit dem elektronischen Papier, mit dem E-Paper, dass davon vielleicht abgeleitet werden kann, irgendwann mal, jetzt allmählich eine Plattform wächst, entsteht, für die Zeitung der Zukunft, und damit hat dann eben die Zeitung auch plötzlich wieder eine Zukunft, die schon eigentlich vergeben war, in einer, naja sagen wir mal, ansonsten etwas verzagten Zeit in der Verlagswelt.

    Kloiber: Und wie sieht diese Zukunft aus?

    Welchering: Das hängt von einer leistungsstarken mobilen Netz-Infrastruktur ab. Die muss es geben, damit die Zeitung auf dem iPad Zukunft haben kann. Und das hängt von einer wesentlich verbesserten Qualität in der Darstellung ab. Ob nun allerdings das Display des iPads dann auch wirklich so ist, wie das beispielsweise in Laboratorien jetzt im Augenblick fürs E-Paper entwickelt wird, also in die Richtung geht oder in ganz andere Richtung, das kann man im Augenblick noch sehr schlecht sagen. Aber die Zeitung oder die Zeitschrift der Zukunft wird auf jeden Fall dabei mit so einer Plattform crossmedial gedacht werden. Und zweitens: die muss bezahlt werden. Große Erleichterung bei den Verlegern. Dem Abonnenten werden dann in der Nacht, so vielleicht ab zwei oder drei Uhr, die Dateien seiner Zeitung aufs iPad gespielt. Und wenn er dann morgens sein iPad nimmt, dann hat er einfach die erste Zeitungsseite mit dem Aufmacher, mit dem Unteraufmacher, mit den Kommentaren, mit den Kurznachrichten und etwa mit den Inhaltsanrissen oder einem Inhaltsverzeichnis vor sich. Und diese Zeitung bietet dann Text und Bilder wie gewohnt. Aber über diese Texte und Bilder noch hinausgehend, eben zu Beispiel auch einen kurzen Videoclip, etwa mit zwei, drei Statements zur Rede des Präsidenten zum Staatshaushalt. Der Abonnent kann einfach die Zeitungsseiten auf dem iPad durchblättern oder er kann gezielt weiterführende Artikel auswählen. Und diese Artikel kann er dann Vergrößern, die kann er um Hintergrundmaterial anreichern, er kann sie via Mail an Freunde und bekannte versenden, aber eben nicht nur Text und Bilder, sondern eben auch kurze Videos oder MP3-Dateien mit kurzen Interviews oder mit Statements. Und Zeitung oder Zeitschrift bietet damit dann eben auf dieser Nutzerplattform crossmediale Angebote, aber die Zeitung und Zeitschrift auf dieses Plattform bleibt eben dem ursprünglichen Konzept von Zeitung oder Zeitschrift aber auch treu.

    Kloiber: Solche Konzepte gab es doch auch schon für die Zeitungen am PC. Das aber war nicht so sonderlich erfolgreich. Warum erwarten denn die Zeitungsverleger jetzt von diesem neuen Gerät mehr?

    Welchering: Bis auf wenige Ausnahmen war das ziemlich ohne Erfolg. Das lag vermutlich auch daran, dass so etwas nicht gern am PC gelesen wird, sondern man will dass beispielsweise, typischerweise am Frühstückstisch lesen, so eine Zeitung, und dabei nicht einen PC vor sich haben, sondern lieber die Kaffeetasse. Aber es gab eben auch Ausnahmen. Beispielsweise bei der New York Times. Da gab es ja einen Vorläufer der iPad-Ausgabe, die auf dem PC ausgeliefert wurde und wird. Und die Grundlage dieser Lieferung, das ist Adobe AIR. Die Zeitung, die dann hier virtuell kommt, kann auf dem Notebook oder Netbook gelesen werden. Und bei Geschäftsleuten, die sich die New York Times mit diesem Times Reader 2.0, so heißt das Programm, auf ihr Netbook herunterladen, hat das eine durchaus hohe Akzeptanz. Die Abonnenten können mit diesem Times Reader 2.0 auf dem Macbook oder auf dem Netbook dann sogar das Kreuzworträtsel lösen und Times-Managerin Jennifer Brook erwartet nun, dass diese hohe Akzeptanz sich durch Plattformen wie dem iPad noch ausweitet. Und irgendwann wird das dann vermutlich auch auf so einer Plattform E-Paper enden, bei der das Trägermedium für das E-Paper dann eben sich gar nicht mehr so großartig vom Papier unterscheidet. Wichtig ist eben die Crossmediale Verknüpfung, die stattfinden muss, der klassischen Zeitungs- und Zeitschrifteninhalte, also Text und Bild in einem gut gemachten Layout mit Video und Audio. Und da hätte man bisher eben noch keine richtig überzeugende Lösung, weil bisher standen Video und Audio einfach so neben Text und Bild. Und diese Plattform bietet nun mit so einem Layout, wenn das weiterentwickelt wird, die fantastische Möglichkeit, dass hier die Zeitung um genau diese Crossmedialen Elemente erweitert wird. Und deshalb ist es technisch gesehen so sehr spannend für die Verleger.

    Kloiber: Peter Welchering über die Medienindustrie und das iPad. Dankeschön.