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Zeitungen in der Coronakrise
Hoffen auf Digitalabos

Mehr zu tun und viel Zuspruch, aber weniger Erlöse in der Krise: Die Corona-Pandemie setzt Zeitungsverlagen in besonderer Weise zu. Ein möglicher Ausweg könnte im digitalen Geschäft liegen, darauf deuten erste Zahlen hin.

Von Christopher Ophoven | 28.04.2020
Zeitungen liegen in einem Ständer vor einem Einzelhandelsgeschäft
Experten sehen die Zukunft für Zeitungen nicht gedruckt und im Einzelhandel, sondern digital und im Internet. (picture alliance/Marijan Murat/dpa)
"Viel mehr Nutzer greifen derzeit aktiv auf Zeitungsinhalte zu, als sie das in früheren Monaten oder früheren Jahren getan haben", sagt Anja Pasquay vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger BDZV. Tatsächlich verzeichnen Nachrichtenangebote bundesweit Rekorde bei den Zugriffszahlen auf ihre Internetseiten, und das ist klar auf das Coronavirus zurückzuführen. Insgesamt ist die Reichweite der Tageszeitungen in Deutschland allein im März um durchschnittlich zehn Prozent gestiegen, wie eine Auswertung der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse zeigt.
Gleichzeitig haben die Medienhäuser gerade massive wirtschaftliche Schwierigkeiten. Veranstaltungen finden nicht statt und Unternehmen schalten weniger Anzeigen. Das führt in der ganzen Branche zu erheblichen Umsatzeinbußen auf dem Werbemarkt, trotz deutlich höherer Klickzahlen im Netz. Die Zahlen, die Pasquay nennt, klingen dramatisch.
Gefragt und doch in der Not
Informationen und journalistische Inhalte sind in der Corona-Krise zwar stark nachgefragt. Doch viele Verlagshäuser geraten jetzt in wirtschaftliche Not – vor allem weil das Anzeigengeschäft einbricht. Der Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger zieht eine durchwachsene Bilanz.
Kleine und große Verlage betroffen
"Im März ging es noch einigermaßen, da haben die Zeitungen vielleicht 30 bis 40 Prozent verloren. Jetzt im April rechnen wir mit 80 Prozent Verlusten am Werbemarkt. Und wenn man weiß, dass die Einnahmen aus Anzeigen und Werbung ungefähr ein Drittel der Zeitungsumsätze ausmachen, dann sehen sie auch, das tut dann schon richtig weh."
Und das hat auch wirtschaftliche Konsequenzen: "Eine ganze Reihe von Häusern hat also zumindest erst mal Kurzarbeit beantragt, um die Kosten ein wenig, ein wenig zu drücken."
Nicht nur kleinere Häuser sind betroffen, sondern auch die ganz großen, zum Beispiel die Südwestdeutsche Medienholding, der Verlag hinter der Süddeutschen Zeitung. Kurzarbeit wurde auch bei der Funke Mediengruppe angemeldet, die in Teilen des Ruhrgebiets ein Zeitungsmonopol hat. Bei der Rheinischen Post gibt es außerhalb der Redaktion in Teilen des Verlags ebenfalls Kurzarbeit, also auch hier hinterlässt die Corona-Pandemie Spuren. Chefredakteur Moritz Döbler sieht allerdings auch positive Effekte.
"Risiken und Chancen"
"Ich glaube, jede Krise hat Risiken und Chancen - und das gilt auch für die Pandemie. Natürlich sind die Pandemie und die Folgewirkung zum Beispiel für das Anzeigengeschäft schwerwiegend und werden uns noch über Monate belasten, aber zugleich hat der Trend zur Digitalisierung, der sich ja in dieser Pandemie deutlich zeigt, auf vielen Ebenen uns sehr geholfen."
Und dabei geht es Döbler nicht nur um die Reichweite im Internet: "Auch die Zahl der neuen Aboabschlüsse für unser Digitalabo RP+ ist sehr, sehr vielversprechend."
Gut 4.000 Leute haben ihm zufolge allein im März ein solches Abo bei der Rheinischen Post abgeschlossen. Sie können damit die Inhalte hinter der Bezahlschranke auf der Internetseite lesen. Auch Frankfurter Allgemeine und Süddeutsche Zeitung geben an, zuletzt sehr viele Digitalabo-Kunden gewonnen zu haben.
"Kein Gewinn für Journalisten"
Die Coronakrise zeige, wie wichtig professioneller Journalismus für die Gesellschaft sei, sagte die Journalismusforscherin Alexandra Borchardt im Dlf. "Gerade jetzt ist verlässliche Information eine Sache des Überlebens." Allerdings erlebten Medienschaffende eine schwere Zeit.
Hoffen auf Digitalabos
Wie RP-Chefredakteur Döbler sieht auch der Journalismusforscher Klaus Meier von der Universität Eichstädt eine Chance in der aktuellen Situation.
"Dass man gerade in dieser Zeit den Nutzerinnen und Nutzern klarmacht, wie wichtig es ist, dass für Informationen Journalisten da sind, die sich auf Deutsch gesagt den Arsch aufreißen, und dass sie dafür gut bezahlt werden müssen."
Solche Digitalabos sind ein erster Schritt in diese Richtung, wobei die Verlage mit teilweise extrem günstigen Angeboten locken. Bei der FAZ kostet das Digitalabo derzeit nur einen Euro die Woche. Dauerhaft lässt sich so der Auflagenschwund der gedruckten Zeitung nicht kompensieren. Denn eigentlich sinkt bei allen Tageszeitungen weiter die Auflage.
Gleichzeitig deutet sich an: Die Zeitungen, die ihre Digitalabos an ein ePaper koppeln, können wohl nicht vom Corona-bedingten Aufschwung profitieren. Zumindest deuten darauf die vor Kurzem veröffentlichen Auflagenzahlen hin. Die werden allerdings nur Quartalsweise ausgewiesen, und Journalismusforscher Meier verweist darauf, dass das große Interesse am Coronavirus erst im März einsetzte.
"Die Zahlen sind natürlich schwierig, weil es Quartalszahlen sind. Das wäre jetzt für das erste Quartal nur ein Sechstel des Zeitraums, so ein halber Märzmonat. Da ist eben die Frage, ob dann schon zu erwarten ist, dass wirklich Auflagenzahlen stark steigen."
Die Zahlen sind also nur bedingt aussagekräftig. In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob die großen Reichweiten den Verlagen auch Ertrag bringen. Bis dahin bleibt die Corona-Pandemie eine Ausnahmesituation, auch für Tageszeitungsverlage – das weiß auch Moritz Döbler, der Chefredakteur der Rheinischen Post.
"Journalistisch ist diese Pandemie für uns natürlich auch eine große Herausforderung. Fast die gesamte Redaktion arbeitet im Homeoffice. Aber ist eben auch eine große Chance, weil wir zeigen können, wie unverzichtbar unsere Inhalte sind."