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Zeitungssterben in den USA
Eine kleine Lokalzeitung behauptet sich

Im Jahr 2018 mussten in Nord-Kalifornien 13 Lokalzeitungen ihren Betrieb einstellen. Rollie Atkinson, Besitzer und Verleger der "Healdsburg Tribune", hat sich erfolgreich gegen den Zeitungstod gestemmt - mit einem in den USA ungewöhnlichen Finanzierungsmodell.

Von Marcus Schuler | 01.11.2018
    Rollie Atkinson, der Besitzer und Verleger der Healdsburg Tribune, einer Lokalzeitung in Kalifornien, sitzt an seinem Schreibtisch und schaut auf seinen Computer.
    Rollie Atkinson musste sich etwas einfallen lassen, um seine Lokalzeitung am Leben zu erhalten. (Marcus Schuler / Deutschlandradio)
    "Wir sind hier in der Redaktion unserer vier Zeitungen. Wir beschäftigen acht Journalisten, mich eingeschlossen. Ich schreibe auch selbst und kümmere mich ums administrative Geschäft."
    Rollie Atkinson ist ein kleiner stämmiger Mann mit Bierbauch. Der 67-Jährige trägt eine schwarze Jeans und ein rotkariertes T-Shirt. Vier Lokalzeitungen betreiben er und seine Frau. Die 130 Jahre alte Wochenzeitung "Healdsburg
    Tribune" ist eine davon. Healdsburg ist eine Kleinstadt mit 12.000 Einwohnern mitten im Weinanbaugebiet Sonoma, gut 110 Kilometer nördlich von San Francisco.
    "Alle vier Zeitungen wurden gegründet, bevor es überhaupt die Dörfer gab. In all den Gemeinden war die Zeitung zuerst da. Das ist wirklich typisch für den Westen: Erst gibt es einen Pferdestall, dann einen Waren-Laden und jemand gründet eine Zeitung."
    Leser können Anteilseigner werden
    Allein 13 Zeitungen haben in diesem Jahr in Nord-Kalifornien Konkurs angemeldet. Vor allem kleine Blätter sind vom Zeitungssterben betroffen. Atkinsons vier Zeitungen kommen auf eine Auflage von 10.000 Exemplaren. Der Gewinn im vergangenen Jahr fiel mickrig aus. Knapp 24.000 Dollar blieben übrig.
    "Die kostenlose Kleinanzeigen-Website Craigslist hat uns all die Kleinanzeigen weggenommen. Das hat ungefähr 20 Prozent unserer Einnahmen ausgemacht. Jetzt sind es Amazon, Google und Facebook. Sie sorgen dafür, dass die Geschäfte in unserer Stadt dicht machen.
    Der Journalist, Herausgeber und Verlagschef in einem wollte das für seine Zeitungen nicht akzeptieren. Seinen Journalisten bezahlte er bis vor kurzem noch 15 Dollar die Stunde. Das reicht kaum, um in Sonoma leben zu können. Denn immer mehr Menschen aus San Francisco kaufen sich hier Häuser. Alles ist teurer geworden. Um seine Zeitungen zu retten, griff Atkinson zu einem ungewöhnlichen Mittel.
    "Anstelle darüber zu berichten, wie schlecht es unserer Zeitung geht, haben wir eine positive Geschichte veröffentlicht. Und zwar: 'Investieren sie in Ihre Lokalzeitung, werden sie Anteilseigner und verdienen pro Jahr drei Prozent
    Dividende.' Uns war wichtig unseren Lesern und Abonnenten eine aktivere Rolle zu geben."
    Neues Finanzierungsmodell stabilisiert Verlag
    Mittlerweile hat sich die Lage des Verlags stabilisiert. Fast 300.000 Dollar sind in den vergangenen Wochen durch die Ausgabe der Beteiligungen zusammengekommen. Der Verlag hat jetzt 70 nicht stimmberechtigte Teilhaber. Dass sich die Bürger im überwiegend liberalen Kalifornien an ihrer Lokalzeitung beteiligen, hat auch viel mit US-Präsident Trump zu tun, sagt Rollie Atkinson:
    "Viele Menschen sagen, wir Leben im 'Fake News'-Zeitalter. Was unsere Lokalzeitungen angeht, war das bislang nie ein Vorwurf. Wir sind zu sichtbar, zu lokal, zu greifbar. Das wissen die Leute, wenn sie in uns investieren. Sie stecken ihr Geld in Qualitäts-Journalismus."
    Das neue Geschäftsmodell zahlt sich auch für die Lokal-Journalisten aus. Dieses Jahr gab es bereits eine Gehaltserhöhung - und die nächste ist schon angekündigt.
    "Im Landkreis von Sonoma sind die Lebenshaltungskosten hoch. Wir können zwar immer wieder junge gute Journalisten für uns gewinnen, doch sie zu halten, war bislang schwierig. Jetzt bekommen unsere Jung-Reporter zwischen 17 und 18 Dollar die Stunde. Und im Frühjahr wollen wir die Löhne nochmals erhöhen."