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Zeitungsverkäufer gegen "Bild"
Boykott am Kiosk

Die "Bild"-Zeitung polarisiert gerne und verzichtet auch mal auf journalistische Qualitätsstandards. Nicht zuletzt deshalb stand sie in den vergangenen Jahrzehnten oft in der Kritik. Eigentlich nichts Neues. Doch nun gibt es eine kleine Bewegung aus Zeitungsverkäufern, die dem Springer-Blatt eine Absage erteilt. Ein Beispiel aus Düsseldorf.

Von Murat Koyuncu | 10.04.2015
    An einem Straßenkiosk in der Düsseldorfer Innenstadt herrscht wie jeden Morgen Hochbetrieb. Passanten kommen, kaufen und gehen. Sie wollen ihre Tageszeitung, vielleicht noch einen Becher Kaffee und ziehen sofort weiter. Was an dem großen, drehbaren Zeitungsständer heute besonders auffällt, ist die leere Ablage mit der Information: "Ich verkaufe keine 'Bild'." Kioskbesitzer Hans-Peter Wesseling hat dafür klare Worte:
    "Also ich boykottiere die BILD, weil dieser reißerische Journalismus oder was sich gern als Journalismus bezeichnet... damit kann ich mich gar nicht mehr identifizieren. Journalismus sollte objektiv sein und das, was da betrieben wird, ist eigentlich nur noch Verarsche der Leute, würde ich behaupten. Und wer so etwas glaubt und auch verkauft, damit kann ich mich nicht identifizieren und kann das auch nicht unterstützen."
    Keine Lust mehr auf reißerische Schlagzeilen
    Vor etwa zwei Wochen hat er sich gegen den Verkauf der "Bild" entschieden. Schon oft habe er dran gedacht, die Zeitung abzubestellen. Er habe keine Lust mehr, jeden Morgen reißerische Schlagzeilen gegen Russland oder Griechenland zu lesen. Zudem habe die Berichterstattung um die Germanwings-Tragödie das Fass zum überlaufen gebracht. Jetzt, mit der aktuellen Boykott-Welle, wäre es höchste Zeit, sich anzuschließen. Denn die BILD sei in seinen Augen keine gewöhnliche Zeitung:
    "Die 'Bild' ist sicherlich als Meinungswaffe zu verstehen, da sie natürlich die auflagenstärkste Zeitung in Deutschland ist und natürlich auch durch ihre klaren plakativen, sehr simpel strukturierten Aussagen durchaus auch eine Leserschaft anspricht, die dazu nicht fähig ist, die aufgenommenen Informationen zu reflektieren. Und somit ist es natürlich möglich, in die Köpfe sehr vieler Millionen Menschen ein gewisses Gedankengut hineinzusetzen ohne dass diese sich weitergehende Gedanken machen."
    Bei vielen seiner Kunden stoße der 35-Jährige auf Verständnis und Akzeptanz.Claudia Müller, die hier jeden Morgen ihre Zeitschriften kauft, findet die Einstellung des Zeitungsverkäufers gut.
    "Weil ich finde, im Sinne der Meinungsfreiheit kann auch der Kioskbesitzer sagen: 'Das möchte ich nicht vertreiben!' Ich als Konsumentin, mir fehlt nichts. und wenn die 'Bild' irgendwann merkt, dass sie mit ihrer Art und Weise, wie sie Journalismus betreibt, nicht weiterkommt, dann wäre das ein großer Tag!"
    Es gäbe aber auch Kunden, die kein Verständnis dafür hätten. Auch Costa Manikas, der auf der anderen Straßenseite ein Büdchen betreibt, kann seinen Zeitungskollegen nicht verstehen. Er findet, ein Boykott wäre eine Bevormundung des Kunden.
    "Wenn man schon davon redet, ob man Mohammed-Karikaturen veröffentlichen darf und gleichzeitig sagen muss, dass gewisse Artikel nicht gedruckt werden sollten, wäre es einfach heuchlerisch zu sagen, die Artikel sind nicht in Ordnung, deswegen boykottieren wir die - und gleichzeitig die Pressefreiheit schützen... das geht einfach nicht."
    Einschränkung der Pressefreiheit? Dr. Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung sieht das anders:
    "Wir haben da in den letzten Jahren insgesamt so einen Trend, immer von Presse und Meinungsfreiheit dann zu sprechen, wenn es um Rassismus geht. Da gibt es ja Grenzen von Äußerungsfreiheiten, also wenn es um Hetze gegen Personen geht, wenn Volksverhetzung betrieben wird oder eben üble Nachrede. Insofern ist es immer wieder erstaunlich, dass man sich gerade in diesem Bereich auf Meinungsfreiheit beruft. In gleicher Weise werden beispielsweise Rassismus-Kritiker nicht abgedruckt. Also in solchen Dingen gerät man in eine Schieflage da."
    Bisher keine Reaktionen der Zeitungsmacher
    Zwar würde ein flächendeckender Boykott nicht gleich das Aus für die "Bild"-Zeitung bedeuten, aber:
    "Es ist auf jeden Fall ein wichtiger symbolischer Akt. Die 'Bild' ist ja kein Abo-Blatt, insofern ist das relevant, wenn sie nicht verkauft werden kann. Ich denke, diesen Signalcharakter sollte man nicht unterschätzen. Und Medienmacher sind immer gut beraten, die Nutzer und Kritiker ernst zu nehmen und nicht einfach zu ignorieren."
    Morgen ist für den Nachmittag eine Kundgebung vor dem Axel-Springer-Haus in Berlin geplant. "Bild"-Gegner und Aktivisten wollen hier zusammen kommen, um gegen die unseriöse Arbeit der Redaktion zu demonstrieren. Prominente, wie zum Beispiel das Modell Anabel Schunke, hatten im Vorfeld in sozialen Netzwerken dazu aufgerufen:
    "Kommt zahlreich, bringt so viele Leute mit, wie es geht... fragt eure Freunde und Bekannten. Da werden wir hoffentlich Springer mit einem kreativen Protest einheizen."
    Reaktionen von Seiten der Zeitungsmacher gab es bisher nicht. Kioskbesitzer Hans-Peter Wesseling erhofft sich dennoch, dass sie irgendwann einsichtig werden.
    "Ich habe das Gefühl, dass die 'Bild' dann vielleicht etwas - was diesen Hype angeht und den doch merkbaren Boykott - langsamer treten wird, sich vielleicht auch zu seriöserem Journalismus bekennen könnte und vielleicht nochmal seine journalistische Politik und Berichterstattung überdenkt. Das könnte passieren, die Hoffnung habe ich."