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"Zentrum Automobil"
Künftig sechs rechte Betriebsräte bei Daimler

Bei den Betriebsratswahlen bei Daimler kommt die rechte Gruppierung "Zentrum Automobil" auf 13,2 Prozent. Auch in einer anderen Firma sollen sich demnächst "Zentrum"-nahe Kandidaten zur Wahl stellen. Arbeitnehmervertreter warnen vor einer Unterwanderung von rechts.

Von Uschi Götz | 06.03.2018
    Das Logo der Automarke Mercedes-Benz der Daimler AG ist am 24.07.2017 in Stuttgart (Baden-Württemberg) auf einem Gebäude des Werks Untertürkheim, in dem sich auch die Konzernzentrale befindet, zu sehen.
    Im Daimler-Werk Untertürkheim in Stuttgart sitzen nach der Betriebsratswahl sechs Vertreter des "Zentrums Automobil". Auch an den Standorten Rastatt und Sindelfingen ist die rechte Gruppierung vertreten. (picture alliance/dpa - Marijan Murat)
    Gewonnen hat diese Betriebsratswahl im Werk Untertürkheim eindeutig die IG Metall. Von 47 Betriebsräten werden künftig 37 IG-Metaller sein, drei Mandate mehr als bei der Wahl 2014. Wolfgang Niecke, IG Metall Betriebsratsvorsitzender des Untertürkheimer Werks klingt in einer ersten telefonischen Reaktion erleichtert und sieht die Arbeit der vergangenen Jahren bestätigt:
    "Insofern haben wir, glaube ich, als IG Metall ein Ergebnis, zu dem wir mit Fug und Recht sagen können, wir sind da wirklich super herausgekommen aus der Betriebsratswahl."
    Auch die rechte Gruppierung "Zentrum Automobil" kann heute feiern. Die Liste Zentrum kommt bei dieser Wahl auf 13,2 Prozent der Stimmen und ist künftig mit sechs Betriebsräten im Untertürkheimer Gremium vertreten. Bislang stellte das Zentrum dort vier Betriebsräte.
    Motiv Angst vor Veränderungen in der Arbeitswelt?
    Die bisherigen Betriebsräte des Zentrums hätten gegenüber der IG Metall eine aggressive Haltung eingenommen, so Niecke, und müssten sich nun überlegen, welche Rolle sie übernehmen wollen:
    "Was ich mit Sorge sehe, ist, dass wir einen Großteil an Kolleginnen und Kollegen haben, die die gewählt haben. Dort drückt sich auch ein Stück Angst vor Veränderung aus, vor dem, wie sich die Welt im Moment wandelt. Das Unternehmen Daimler ist heute ein anderes, wir sind ein global aufgestelltes Unternehmen mit weltweiten Produktionsstandorten."
    Möglicherweisen hätten einige Wählerinnen und Wähler des Zentrums Angst vor den Veränderungen in der Arbeitswelt, so Niecke. Das Unternehmen ebenso wie der Betriebsrat müssten sich nun verstärkt mit diesen Ängsten auseinandersetzen.
    Zentrum Automobil gegründet von Ex-Rechtsrock-Gitarrist
    Auch in den Daimler-Werken Sindelfingen und Rastatt werden künftig jeweils zwei Betriebsräte des Zentrums vertreten sein.
    Das Zentrum Automobil sieht sich nach eigenen Angaben als "Korrekturfaktor gegen das Monopol der großen Gewerkschaften". Mit Blick auf die, wie es heißt "um sich greifende Globalisierung" will man neue Strategien entwickeln. Welche bleibt dabei offen.
    2009 wurde Zentrum Automobil von Oliver Hilburger gegründet. Der heute 48-Jährige war einst Gitarrist der aufgelösten Rechtsrockband Noie Werte; seine politische Ausrichtung war zuletzt vor größerem Publikum auf einer Pegida-Kundgebung in Dresden zu hören:
    "Nachdem die AfD in fast allen Parlamenten ist, werden bald auch wir in vielen Betriebsratsgremien einziehen. Genau davor haben sie Angst und deswegen hassen sie uns..."
    Eine gewisse Mobilisationskraft im Südwesten Deutschlands
    Regional begrenzt hat die Gruppe zumindest im Südwesten eine gewisse Mobilisationskraft.
    So treten beim schwäbischen Motorsägen-Hersteller Stihl erstmals angeblich zentrumsnahe Kandidaten zur Betriebsratswahl am 20. und 21. März an. "Mut zur Veränderung" nennen sich dabei diese Betriebsratskandidaten bei Stihl.
    Frank Sell, Betriebsratsvorsitzender bei Bosch in Stuttgart-Feuerbach, sieht indes in seinem Unternehmen keine vergleichbaren Aktivitäten:
    "Das, was ich so von anderen Bosch-Standorten weiß, ich habe jetzt nicht den Überblick über alle, weil es da ziemlich viele gibt, aber die in der Region, da ist mir von keinem meiner Kollegen bekannt, dass es da irgendwelche Tendenzen gibt."
    Betriebsrat: Frustration muss man aufarbeiten
    Noch sei das Thema "rechte Betriebsräte" vor allem auf Daimler begrenzt, sagt Sell, und doch sollte man die Entwicklung verfolgen. Die Betriebsräte der IG Metall etwa müssten sich mit den Kolleginnen und Kollegen auseinandersetzen:
    "Vielleicht ist da ein Stück Frustration bei den Kolleginnen und Kollegen dabei. Und die muss man aufarbeiten. Da hilft nur Transparenz, an die Mannschaft ran, ja das aufzuarbeiten, um denen nicht weiter Nährboden zu geben."