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Zerreißprobe für Sinn Fein

Die katholische Sinn-Fein-Partei hat sich bislang geweigert, in einer künftigen nordirischen Provinzregierung völlig uneingeschränkt mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Die Parteiführung will diese Verweigerungshaltung nun aufgeben, was den Friedensprozess wieder in Gang bringen könnte. Doch an der Basis gibt es Widerstand. Martin Zagatta berichtet.

26.01.2007
    In der neuen nordirischen Polizei soll sich die ganze Gesellschaft wiederfinden. So lockt die Fernsehwerbung, die vor allem eines zum Ziel hat: auch Katholiken in der Unruheprovinz dazu zu bewegen, sich für einen Job als Ordnungshüter zu bewerben. Ein schwieriges Unterfangen. Schließlich sehen viele Nicht-Protestanten in der Polizei noch immer einen Unterdrückungsapparat des britischen Staates. Das bekommt nun selbst die Sinn Fein zu spüren, die stärkste Partei im katholischen Lager. Ihre Führung will sich jetzt erstmals zur Zusammenarbeit mit der Polizei bereit erklären. Der dafür einberufene Parteitag verspricht hitzig zu werden, zumal ein Untersuchungsbericht den nordirischen Sicherheitskräften erst Mitte der Woche vorgehalten hat, noch in den 90er Jahren bei der Ermordung von Katholiken mitgeholfen zu haben.

    Dieser Bericht, dieses Eingeständnis sei doch ein "Anreiz, sich an Mechanismen und Einrichtungen zu beteiligen, die sicherstellen, dass so etwas nicht wieder passieren kann". So plädiert der Sinn-Fein-Präsident Gerry Adams dafür, die nordirische Polizei nun offiziell anzuerkennen. Die Parteiführung, die der Untergrundorganisation IRA nahe steht, will mit diesem Kurswechsel den Weg freimachen für den Eintritt in eine gemeinsame Regionalregierung mit den Protestanten. Diese mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 geschaffene Regierung ist vor mehr als vier Jahren schon auseinandergebrochen, im Streit um die Rolle der IRA. Die Terrororganisation hat inzwischen ihren bewaffneten Kampf für den Anschluss Nordirlands an die Republik Irland offiziell für beendet erklärt. Seither ist die Anerkennung der Polizei der Hauptstreitpunkt.

    "Wenn sich die Sinn Fein-Partei zur vollen Unterstützung der Polizei bekennt und zur Rechtsordnung, dann wird die DUP", die stärkste Protestantenpartei, "eine Regierung mit ihr bilden", gibt sich der britische Premierminister Tony Blair zuversichtlich. So sei das in den Nordirland-Verhandlungen vereinbart worden.

    Doch Gerry Adams muss die Mehrheit der rund 2000 Delegierten, die sich am Sonntag in Dublin versammeln, erst einmal auf seinen Kurs einschwören. Der Sinn-Fein-Chef hat Todesdrohungen aus den eigenen Reihen erhalten. Ihm wird Verrat vorgeworfen, und genauso wie im katholischen wird auch im protestantischen Lager jetzt darüber gestritten, ob man mit den einstigen Todfeinden eine Regierung bilden kann. Er sei zu vielen Särgen hinterhergelaufen, um jetzt mit den Mördern gemeinsame Sache zu machen, warnt der DUP-Abgeordnete William McCrea seinen Parteichef Ian Paisley. Der 80-jährige Paisley würde Chef der nordirischen Regierung werden, wenn er sich zu einer Koalition mit den Katholiken bereit erklärt. Eine Aussicht, die seine Partei zu spalten droht, sollte Sinn Fein die Polizei nun tatsächlich anerkennen.

    "Es geht nicht nur um Worte, das haben wir klar gemacht, sondern auch darum, dass die Zusammenarbeit mit der Polizei in die Praxis umgesetzt wird. Davon machen wir unsere Entscheidung abhängig, wie schnell man wieder eine Regierung einsetzen kann", gibt sich der DUP-Unterhändler Jeffrey Donaldson betont vorsichtig. Doch ein Kompromiss könnte sein, wie geplant im März schon eine gemeinsame Regierung zu bilden und die Selbstverwaltung im Polizeibereich noch einige Zeit aufzuschieben.

    Eine pragmatische Lösung zeichnet sich jedenfalls bei dem Versuch ab, den Anteil der Katholiken in der nordirischen Polizei so schnell wie möglich zu erhöhen. Auf die Werbespots hin sollen sich schon fast 1000 Einwanderer aus Osteuropa, vor allem aus Polen, um eine Stelle als Ordnungshüter beworben haben - mit guten Aussichten, so heißt es. Viele von ihnen würden zwar noch nicht so gut English sprechen, aber die Hauptvoraussetzung erfüllen. Sie sind katholisch.