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Zigaretten aus dem Parteibüro

In Ungarn hatte die Regierungspartei Fidez 5400 Konzessionen für den Tabakverkauf neu ausgeschrieben. Opposition und Nichtregierungsorganisationen werfen ihr vor, dass Bewerber vor allem dann eine Lizenz bekamen, wenn sie gute Kontakte hatten.

Stephan Ozsváth | 23.05.2013
    Eine Fraktionssitzung der Regierungspartei Fidesz im südungarischen Szekszárd – Anfang Mai. Es geht darum, wer eine Konzession für den Tabakverkauf erhalten soll. Einer der Teilnehmer der Sitzung, der Gemeinderat Ákos Hadházy, erklärt die Tonbandaufnahme, die in ungarischen Medien veröffentlicht wurde.

    "Es war ein informelles Gespräch. Der Bürgermeister las eine Liste mit Namen vor, und fragte uns nach unserer Meinung. Das halte ich nicht für korrekt."

    Die Parteilinie – laut diesem Zeugen: Fidesz-Mitglieder und Sympathisanten sollten belohnt werden mit einer Trafik-Lizenz. Die Regierung hatte 5400 solcher Konzessionen neu ausgeschrieben. Die wurden laut Medienberichten auf Zuruf vergeben. Der Abgeordnete Zoltán Lukács von der sozialistischen Opposition kritisiert.

    "Es ist augenfällig, dass die Bewerber in der ersten Runde keinerlei ernsthafte Bedingungen erfüllen mussten. Sie mussten ein paar Datenblätter ausfüllen. Und einen Business-Plan vorlegen, der eher fiktiv zu nennen ist. Sie brauchten weder ein Geschäft noch Berufserfahrung. Um eine Lizenz zu bekommen, brauchte man vor allem gute Fidesz-Kontakte."

    So gingen laut Medienberichten die lukrativsten Lizenzen an Parteifreunde: etwa an Orbáns Kanzleramtschef János Lázár, der auch Bürgermeister der südungarischen Stadt Hódmezövásárhely ist. Ebenso an den Chef der nationalen Aufsichtsbehörde für das Tabakmonopol. Der nationalkonservative Ministerpräsident Viktor Orbán weist den Vorwurf der Parteilichkeit zurück.

    "Ich meine das nicht als Drohung. Aber wenn wir nach politischen Gesichtspunkten diese Ausschreibung abwickeln wollten, würde kein einziger Linker gewinnen. Sie konnten gewinnen, auch die, die sich von der Politik fernhalten, konnten das ganz regulär, denn wir haben nicht aufgrund von politischen Kriterien, sondern aufgrund der Wettbewerbsbedingungen entschieden."

    Doch ein Blick auf die "Hauptstadt des Trafik-Skandals", auf Szekszárd, zeigt ein anderes Bild. Denn: Ein Fidesz-Gemeinderat und sein Bruder bekamen gleich ein halbes Dutzend Lizenzen. Und auch die Schwester des Bürgermeisters darf künftig Zigaretten verkaufen. Die Opposition forderte deshalb den Rücktritt des Fidesz-Bürgermeisters István Horváth. Der lehnte das ab. Einen Interessenkonflikt sieht er nicht.

    "Denn nicht die Gemeinde hat den Wettbewerb ausgeschrieben und beeinflusst", sagt er, "sondern eine andere Instanz. Die Entscheidung wurde woanders getroffen. Mein Bekanntenkreis oder meine Familie wären nur dann ein Hindernis, wenn ich in einer Ausschreibung der Stadt zu entscheiden hätte."

    Opposition und Nichtregierungsorganisationen sehen das anders. Die Namen-Vorschläge Fidesz-dominierter Gemeinderäte sind laut Medienberichten von der Nationalen Tabakhandelsbehörde einfach abgenickt worden. Transparency International spricht von "Gipfel der Korruption" und "staatlichem Raub". Denn die Regierung billigt den Neu-Trafikanten per neuem Gesetz einen garantierten Gewinn von bis zu zwölf Prozent zu. Ein einträgliches Geschäft. Diese Trafikbesitzerin aus Szekszárd dagegen ging leer aus.

    "Wir haben uns regulär beworben, haben gedacht, wir hätten eine Chance, denn seit 2004 verkaufen wir schon Tabak. Das ist meine Arbeit. Es trifft uns hart, dass wir raus sind. Am 1. Juli bekommen wir die letzten Tabakwaren, zum 15. müssen wir schließen. Aber ich will nicht schließen."

    Die nationale Behörde für den Tabakhandel hat jetzt Trostpreise für die zweite Bewerbungsrunde ausgeschrieben: 1400 Konzessionen für die Ladenhüter der ersten Runde. In Orten mit weniger als 2000 Einwohnern.