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Zivile Drohnen
Invasion der Miniflieger

Ferngesteuerte Drohnen werden längst nicht mehr nur vom Militär eingesetzt. Auch die Zivilgesellschaft nutzt sie vielfältig und professionell - vom Filmemacher bis hin zum Vermessungsingenieur. Glaubt man Forschern, sollen die Drohnen der Zukunft völlig autonom durch die Lüfte düsen - ohne Fernbedienung.

Von Frank Grotelüschen | 11.01.2015
    Eine Quadrocopter in der Luft.
    Eine Quadrocopter in der Luft. (Paco Campos, dpa)
    Sprecherin: Rom, April 2007. Eine Konferenz über Robotik, die wichtigste des Jahres. Es ist Kaffeepause, im Innenhof gönnen sich die Teilnehmer ein wenig Sonne. Doch plötzlich surrt ein Mini-UFO durch den Hof, kaum größer als ein Teller. Batteriebetrieben fliegt es auf einen der Kaffee schlürfenden Wissenschaftler zu, verharrt vor seinem Kopf, fixiert den verblüfften Experten mit einer Kamera. Ein Prototyp, ferngesteuert vom anderen Ende des Atriums – von Michael Achtelik, Maschinenbau-Student aus München.
    "Ein Quadrocopter ist ein Fluggerät mit vier Rotoren und wird gesteuert über die Drehzahl der Rotoren. Und wir arbeiten daran, dass wir den möglichst stabil zum Fliegen bringen."
    Invasion der Miniflieger. Zivile Drohnen erobern den Luftraum.
    Eine Sendung von Frank Grotelüschen
    Januar 2015. Auf einer Wiese in Hamburg hat Quentin, zwölf Jahre alt, seinen Quadrocopter ins Gras gelegt. Dann greift er zu einer Fernbedienung mit zwei Joysticks.
    "Jetzt starte ich den Quadrocopter. Das macht man mit dem linken Stick. Den muss man einfach nach oben tun. Und mit dem rechten Stick fliegt man den Quadrocopter nach vorne, hinten, rechts, links. "Ich hab' das Gerät bei Amazon gekauft. Der hat 80 Euro gekostet. Am Anfang ist er ziemlich schwer zu fliegen. Aber später geht's dann."
    Quadrocopter. Wenige Jahre später ein beliebter Zeitvertreib für kleine und große Jungs. Aber: "Diese Technologie kann mehr als nur ein bisschen Spaß haben."
    Forscher und Firmen tüfteln weiter, entwickeln immer neue Ideen, was sich mit den Minifliegern alles anfangen ließe. "Das ist unser Produktionsraum. Hier sitzen unsere Techniker und Elektroniker, die die Systeme zusammenschrauben."
    Matthias Beldzik arbeitet bei Ascending Technologies, kurz AscTec. Die Firma sitzt in einem Gewerbegebiet nahe München und zählt zu den Pionieren im Quadrocopter-Bau. Gegründet 2007 von vier Studenten, die ihre ersten Erfolge bei Jugend forscht gefeiert hatten. Tüftler, die einfach nur einen neuartigen Modellhubschrauber konstruieren wollten, mit vier Rotoren anstatt einem. Heute zählt ihre Firma 40 Angestellte und produziert jedes Jahr ein paar hundert Minidrohnen.
    Ein Automat bestückt Platinen. Techniker hocken an Elektronik-Werkbänken, schrauben, löten und montieren. In den Regalen stapeln sich fertige und halbmontierte Drohnen. Keine Massenproduktion, sondern eine Hightech-Manufaktur. AscTec baut keine Spielzeuge, sondern Fluggeräte für den Profieinsatz – für Universitäten und Unternehmen.
    "Ich nehme das System in Betrieb. Der initialisiert sich kurz, checkt sich komplett selber durch, ob alle Systeme funktionieren wie sie sollen. Dann gibt er eine Startfreigabe und ich kann loslegen."
    Entwicklungsingenieur Martin Stobbe zeigt das Flaggschiff der Firma, den "Falcon 8". Ein Oktocopter, acht Rotoren statt vier. An Bord eine Profi- Vollformatkamera, 36 Megapixel. Die Fernbedienung: ein Raumschiffdeck im Miniformat.
    "Der große Bildschirm in der Mitte, da sehen Sie das Live-Kamerabild. Auch die Daten von der Kamera, wie viele Fotos Sie noch schießen können, ob der Fokus sitzt, ob die Belichtung passt. Ich heb' mal kurz ab. Und durch einen einfachen Klick an der Bodenstation wird ein Foto geschossen. Sie sehen das direkt an der Bodenstation. Geht ganz einfach, kann im Prinzip jeder."
    Anders als beim Hubschrauber: Drohnen pegeln sich selbst ins Gleichgewicht
    Die Drohne steht wie festgenagelt in der Luft. Möglich macht das eine raffinierte Technik: Winzige Kompasse und Gyroskope messen fortlaufend die Lage des Fluggeräts. Ihre Daten fließen zu einem Mikroprozessor, dem Autopiloten. Sobald der eine Schieflage registriert, etwa verursacht durch einen Windstoß, lässt er einige Rotoren schneller drehen als andere. Dadurch pegelt sich die Drohne wieder aus – und zwar von selbst, ohne dass ein geübter Pilot mit viel Fingerspitzengefühl gegensteuern muss, so wie bei einem Hubschrauber.
    "Im Prinzip können Sie ihn sofort fliegen, das ist kinderleicht. Wir empfehlen trotzdem ein Training. Das dauert einen halben Tag bis einen Tag. Und danach können Sie rausgehen und das System bedienen und auch schon Aufträge erledigen."
    Die Unterschiede zu einer Spielzeugdrohne: Mehr Nutzlast. Größere Reichweite. Stabilere Fluglage. Aber auch: Geringere Absturzgefahr. Mehr Bedienmöglichkeiten. Und ein GPS-System an Bord, das bei der Navigation hilft. All das hat seinen Preis – das Profigerät kostet soviel wie ein Kleinwagen. Mit der Technik einer Kampfdrohne hat das alles nur wenig gemein. Kampfdrohnen sind millionenteure, ferngelenkte Flugzeuge mit Propeller- oder Düsenantrieb, mit Reichweiten von Tausenden von Kilometern, ferngesteuert über Satellit. Quadrocopter dagegen sind klein, laufen mit batteriebetriebenen Rotoren, können bislang nur wenig Nutzlast tragen und kaum länger als eine halbe Stunde in der Luft bleiben. Entsprechend getrennt sind die Märkte: Die einen Hersteller konzentrieren sich auf militärische, die anderen auf zivile Drohnen.
    Flugversuche mit einem Quadrocopter an der TU Ilmenau
    Flugversuche mit einem Quadrocopter an der TU Ilmenau (picture alliance / dpa / Michael Reichel)
    "Der Sprung ist in vielen Komponenten gleichzeitig entstanden. Der erste Durchbruch waren mit Sicherheit die Mikrochips, die in der Lage waren, die Bewegungen zu messen, also die sogenannten Gyroskope und Beschleunigungssensoren. Seit ungefähr 15 Jahren gibt es Mikrochips, die das messen können. Die waren am Anfang noch sehr teuer. Inzwischen werden sie immer günstiger. In jedem Handy steckt im Prinzip so ein Chip drin. Der kostet nur noch wenige Euro."
    Ähnliches gilt für den Autopiloten, das Hirn der Drohne, sagt Jan Stumpf, einer der vier AscTec-Geschäftsführer. Der Autopilot basiert auf einem Mikroprozessor. Erst seit einigen Jahren sind solche Prozessoren so leistungsfähig, dass sie die Sensordaten schnell genug verarbeiten können, um das Fluggerät stabil in der Luft zu halten. Auch bei den Elektromotoren gab es einen Technologiesprung. Mittlerweile sind sie so klein, leicht und leistungsstark, dass sie die Rotoren mit ausreichender Kraft antreiben können. Und:
    "Die Akkutechnologie ist definitiv auch einer der Punkte, die dafür gesorgt haben, dass sich so etwas umsetzen lässt. Vor zehn Jahren hätte man vielleicht eine Flugzeit von zwei bis drei Minuten gehabt. Ein reeller Einsatzweck dafür wäre da nicht gegeben gewesen."
    Der größte Anwendungsmarkt liegt im Vermessungsbereich
    Heute können Profidrohnen für 20 bis 30 Minuten in der Luft bleiben – lange genug für professionelle Anwendungen. Einige Marktnischen haben die Flugroboter bereits erobert: Fotografen und Kameraleute machen Luftaufnahmen, ohne teure Kleinflugzeuge oder Hubschrauber mieten zu müssen. Und:
    "Heutzutage ist es so, dass die größten Märkte für uns im Vermessungsbereich und im Industrieinspektions-Bereich liegen. Da kann man sehr viel Positives machen, wo man gefährliche Einsätze ersetzt, wo Leute irgendwo an Türmen hoch müssen oder in Helikoptern nahe an Stromleitungen fliegen müssen."
    Bei der Vermessung von Grundstücken liefern die Drohnen genauere Bilder als Satelliten und ersetzen teure Vermessungsflugzeuge. Bei der Industrieinspektion haben manche Unternehmen begonnen, unzugängliche Anlagenteile von Drohnen unter die Lupe zu nehmen – Chemiefabriken, Bohrinseln, Windräder, Stromtrassen. Schon bald wird das teilweise automatisiert passieren, sagt Matthias Beldzik:
    "Man stellt sich an einen Strommast am Ort X, fliegt den einmal sauber ab. Weiß um die kritischen Punkte, die es zu inspizieren gilt. Speichert das ab, geht an den nächsten Strommast an einer anderen Stelle. Drückt nur noch den Startknopf, und das System würde dann den Strommast desgleichen Bautyps exakt genauso vermessen."
    Luftaufnahmen, Vermessungsflüge, Industrieinspektionen – sie sind nur der Anfang. Überall auf der Welt tüfteln Forscher an neuen Ideen für professionelle Anwendungen. Die bekannteste: Amazon und auch DHL wollen Drohnen nutzen, um Pakete schneller an ihre Kunden auszuliefern. Ein anderes Beispiel: die Ambulanz-Drohne.
    Eine Mini-Drohne des Online-Händlers Amazon
    Eine Mini-Drohne des Online-Händlers Amazon (dpa / pa / Amazon)
    "Das hier ist die Ambulanz-Drohne. Sie ist bis zu 100 Kilometer in der Stunde schnell und kann innerhalb einer Minute zu einem Notfall kommen. Und sie trägt ein Gerät bei sich, mit dem sie Leben retten kann."
    Technische Universität Delft, ein Großraumlabor, in dem futuristische Entwürfe für Autokarossen und Flugzeuge herumstehen. Mittendrin der junge Industriedesigner Alec Monmont, auf dem Tisch vor ihm der Prototyp einer Drohne. Sie ist lackiert wie ein niederländischer Rettungswagen – alarmgelb mit blauen und roten Streifen.
    "Sagen wir, jemand hat einen Herzinfarkt, und Passanten rufen die Notfallnummer an. Dann startet diese Drohne umgehend und fliegt zum Notfall. Wenn sie ankommt, fällt ein Defibrillator aus ihr heraus. Den legt man auf den Brustkorb des Patienten, um ihm einen lebensrettenden Stromstoß zu verpassen. Das würde die Überlebenschancen drastisch erhöhen."
    Die Ambulanz-Drohne hat Kamera, Mikrofon und Lautsprecher an Bord. Damit kann die Einsatzzentrale detaillierte Anweisungen geben, wie der Defibrillator zu bedienen ist.
    "Es ist ein GPS-Empfänger eingebaut und ein Kompass. Dadurch weiß die Drohne immer, wo sie ist und zu welchen GPS-Koordinaten sie fliegen soll. Was noch fehlt, ist ein System zur Hinderniserkennung. Das könnte man mit Ultraschall-Sensoren machen."
    Alec Monmont jedenfalls will seine Idee nun gemeinsam mit Medizinern weiterentwickeln.
    "Es ist ein Quadrocopter, den sie am Handgelenk tragen können, mit dem Sie jederzeit und überall in der Lage sind, Fotos zu machen."
    Hauptberuflich arbeitet Floris Ernst an der Universität zu Lübeck und programmiert Algorithmen für die robotergestützte Chirurgie. Nebenbei aber entwickelt er mit einem Team in den USA das Konzept für einen Quadrocopter, der wie eine Uhr am Handgelenk zu tragen ist. Auf Wunsch soll er sich auffalten, ein paar Meter wegfliegen und ein Foto von seinem Träger knipsen.
    "Die Entfernung steuern wir durch die Art der Geste: Je nachdem, wie stark Sie Ihr Handgelenk bewegen, desto weiter fliegt das System weg, sucht Sie in dem Bild, macht das Foto von Ihnen und kommt dann wieder zu Ihnen zurückgeflogen."
    So sieht die Nixie-Drohne aus, wenn sie sich am Handgelenk entfaltet.
    So sieht die Nixie-Drohne aus, wenn sie sich am Handgelenk entfaltet. (Fly Nixie)
    Außerdem soll Nixie, so heißt das Projekt, mit dem Smartphone ihres Besitzers kommunizieren. Damit könnte sie nicht nur Standbilder schießen, sondern ihrem Besitzer auf den Fersen bleiben – einem Kletterer in der Steilwand oder einem Mountainbiker bei einer rasanten Abfahrt.
    "Hier geht es darum, ein System zu bauen, das in Kooperation von UAVs – den Flugrobotern, die wir produzieren – und bodengebundenen Robotern die Einsatzkräfte bei Großschadenslagen unterstützt."
    Michael Achtelik, einer der Geschäftsführer von AscTec nahe München. ANCHORS, so heißt das Projekt.
    "Wenn wir einen Unfall haben, bei dem ein Sperrgebiet eingerichtet wird und die Einsatzkräfte nicht direkt dorthin vordringen können, ist das Ziel, dass ein Roboter reingeschickt wird, von dem aus unsere UAVs operieren können und Detailinformationen über die Schadenslage, über Gefahrenstoffe an die Einsatzleitung liefern."
    Branche rechnet mit stark wachsendem Markt
    Ein Kernreaktor nach einem GAU, eine Chemiefabrik nach einer Explosion, Bürohäuser nach einem Erdbeben. In ihnen sollen Drohnen die Lage peilen, Gefahrenherde ausfindig machen, nach Überlebenden suchen. Gerade bei einem Reaktorunglück könnte das allerdings schwierig werden: So setzt die Strahlung den Mikrochips und Kameras der Systeme durchaus zu. Andererseits sind die Drohnen relativ preiswert, Verluste einzelner Exemplare könnten die Einsatzkräfte bei einer Katastrophe leicht verschmerzen, so das Kalkül der Hersteller.
    Die ANCHORS-Macher jedenfalls wollen ihre Technik im April in einem großangelegten Versuch testen. Eine der Herausforderungen:
    "Da die Einsatzdauer beschränkt ist, müssen die Akkus automatisch nachgeladen werden. Wenn der Akku nachgeladen werden muss, wird das Flugsystem am Bodenroboter landen, dort automatisch aufgeladen und danach die Mission fortsetzen."
    Die Branche geht von satten Wachstumsraten aus: 2012 lag das Marktvolumen für zivile Drohen bei etwa 100 Millionen Euro, in zehn Jahren könnten es bis zu drei Milliarden sein. Gebremst wird das Wachstum durch die unklare Rechtslage. Derzeit sind die Gesetze von Bundesland zu Bundesland verschieden, manches ist noch gar nicht geregelt. Grob gesagt gilt: Hobbypiloten dürfen bisher fast alles, solange sie ihre Flieger in Sichtweite steuern. Für kommerzielle Drohnenflüge dagegen braucht es eine Aufstiegsgenehmigung, sagt Matthias Beldzik.
    "Dann müssen Sie Ihrer Informationspflicht nachgehen, das heißt vor Ort die Anwohner informieren, die Polizei informieren."
    Bislang ist es in vielen Ländern pauschal verboten, eine Drohne außerhalb der Sichtweite fliegen zu lassen. Genau das aber wäre für viele Anwendungen nötig – für die Paketauslieferung, die Ambulanz-Drohne oder den Flugroboter, der ins Innere eines Reaktors fliegt. Immerhin: Was künftig unter welchen Voraussetzungen erlaubt sein soll, wird nun EU-weit diskutiert, sagt Jan Stumpf.
    "Wir sind sehr gut vernetzt in der EU und kennen die Diskussionen. Da sehen wir eigentlich eine gute Chance, dass man zu einer vernünftigen Zulassung kommt. Und wenn das eine vernünftige Zulassung ist, hätten wir sie als Hersteller lieber früher als später. Dann haben wir Planungssicherheit dafür."
    Die rechtlichen Probleme sollten sich lösen lassen, hoffen die Unternehmen. Und tüftelt bereits an weit ambitionierteren Konzepten: an Drohnen, die mehr Gewicht tragen. Oder die nicht mehr ferngesteuert werden müssen, sondern sich allein zurechtfinden.
    "Das ist der Flugbereich. Der Quadrocopter sieht die Absperrlinie nicht. Die ist nur für Menschen gedacht, dass die nicht reinlaufen."
    TU München, Fakultät für Informatik. Doktorand Jakob Engel hat die Tür zu seinem Labor geöffnet und zeigt auf ein Viereck, das mit Absperrband auf den Fußboden geklebt ist. Der Quadrocopter, den er gleich starten will, schafft etwas, was kommerziellen Drohnen bislang nur ansatzweise gelingt: Er fliegt autonom, also ohne Fernsteuerung.
    "Heutzutage geht das schon, wenn man GPS benutzt. Wenn man draußen fliegt und GPS hat, kann man relativ gut autonom fliegen. Man kann allerdings keinen Hindernissen ausweichen."
    Auch in Innenräumen versagt die GPS-Steuerung, hier ist der Empfang zu schlecht. Will man hier eine Drohne selbstständig fliegen lassen, ohne dass sie dauernd aneckt, muss man ihr das Sehen beibringen. Eine Herausforderung für die Maschine.
    "Der Mensch kann das sehr gut. Das ist eine außerordentlich schwierige Aufgabe, die wir im Hintergrund machen, ohne dass es uns klar ist. Der Computer muss das erst mal lernen."
    Ausgangspunkt sind die Videobilder der Drohnenkamera. Aus deren Daten muss eine Software jene Information identifizieren, die zur Navigation und zum Ausweichen von Hindernissen taugen.
    "Aus dieser Information können wir dann berechnen, was für Steuersignale man an den Quadrocopter schicken muss, um zum Beispiel auf einer Position zu bleiben oder eine bestimmte Position anzufliegen. Die Aufgaben, die der Mensch mit der Fernsteuerung hat, übernimmt dann der Computer."
    Jakob Engel hat eine Drohne auf den Fußboden gestellt, in den abgesperrten Bereich.
    "Die baut jetzt ein Wifi-Netzwerk auf, zu dem ich mit dem Computer verbinden kann. Dann bekomme ich live Video- und Sensordaten auf den Computer geschickt."
    Der Plan: Die Drohne hebt ab und sendet ihre Kameradaten an den Computer. Der errechnet daraus eine digitale Karte, an der kann sich die Drohne dann im Raum orientieren. Anschließend soll sie einmal im Quadrat fliegen und zum Ausgangspunkt zurückkehren.
    Der Quadrocopter startet. Erst läuft alles glatt, doch dann verlässt die Drohne den Sperrbereich – und stößt gegen den Forscher. Der checkt die Anzeigen auf dem Laptop und hat den Fehler schnell entdeckt.
    "Die Figur, die einprogrammiert war, war größer als der Raum. Und dann ist sie natürlich gegen uns geflogen, weil wir gerade da standen, wo sie eigentlich hätte hinfliegen sollen."
    Ein paar Mausklicks, dann ist die richtige Flugfigur eingestellt.
    "Probieren wir's noch mal. Jetzt hat die Drohne die Welt erkannt und bleibt, wo sie gerade ist. Wenn ich sie zur Seite stoße, kommt sie wieder zurück."
    Engel gibt der Drohne einen Schubs. Sofort kehrt sie wieder in ihre Ausgangslage zurück – als hätte sie ihren eigenen Kopf. Engel zeigt auf den Bildschirm seines Rechners: Hunderte von roten Punkten, dazwischen eine grüne Linie.
    "Die grüne Linie ist der geflogene Pfad. Und die roten Punkte sind die Landmarken, an denen sich der Quadrocopter orientiert. Jeder dieser roten Punkte ist ein Punkt im Raum, an dem der Quadrocopter erkennt, wo er gerade selber ist."
    Als Landmarken dienen markante Ecken, Kreuzungen und Kanten. Sie sind für den Rechner am einfachsten zu identifizieren. Im Labor funktioniert die Technik. Praxistauglich aber ist sie noch nicht.
    "Ein Problem sind sich bewegende Hindernisse. Die sind schwieriger zu erkennen. Oder Glasscheiben, die sind ganz schwierig zu erkennen. Da muss man dann zum Beispiel mit Ultraschall arbeiten."
    Drohnen, die von selbst ihren Weg finden und Hindernissen sicher ausweichen – noch gibt es sie nicht. Doch die Branche hofft, die Technik schon in einigen Jahren zum Laufen zu bekommen. Und dann dürften Drohnen, die automatisch Päckchen ausliefern, Industrieanlagen inspizieren und Katastrophen überwachen, in greifbare Nähe rücken. Der logische nächste Schritt: Drohnen, die nicht nur eine Kamera tragen können oder ein Päckchen, sondern wirkliches Gewicht.
    "Anstatt einem großen Rotor ist es ein Kranz von sechs Armen, auf denen jeweils drei Motoren sitzen mit ihren Rotoren."
    Vom unbemannten zum bemannten Fluggerät
    Alexander Zosel, Geschäftsführer von e-volo, einem Startup in Karlsruhe. Zosel arbeitet am Volocopter, einer Art Elektrohubschrauber, in der Luft gehalten von 18 batteriebetriebenen Rotoren. 2011 hob ein primitiver Prototyp ab, mit einem Hüpfball als Pilotensitz. Bald soll erstmals ein seriennahes Modell starten, ein Zweisitzer. Eine erste Kleinserie soll 2016 folgen.
    "Unser aktuelles Entwicklungsziel ist, das sicherste Luftsportgerät der Welt zu bauen. Wenn wir das bewiesen haben, ist unser Ziel in mittelfristiger Zeit auch der kommerzielle Luftmarkt."
    Zosel träumt von Lufttaxis, die ihre Passagiere schwebend ans Ziel bringen. Und:
    "Was auch interessant sein wird, sind Schwerlast-Drohnen, die in eine rauchige Feuerstelle reinfliegen können und Leute bergen, wo ein normaler Hubschrauber gar nicht mehr rein kann. Oder auch intelligente Felderbewirtschaftung: Man könnte viel effizienter arbeiten, wenn man nicht einfach breitbandmäßig alles düngen würde. Da wird sehr viel Dünger verschwendet. Man kann mit Sensoren erkennen, wenn man rüberfliegt: An der Stelle ist der Boden zu sauer, und dann dementsprechend Sachen einbringen."
    Technisch gesehen scheint die Entwicklung absehbar: Im Prinzip seien alle Komponenten, die es für eine autonome Lastdrohne braucht, schon da, meint Zosel. Doch so schnell wird sie weder den Traktor auf dem Feld ersetzen noch den Rettungshubschrauber. Denn:
    "Schwerlast-Drohnen über 150 Kilogramm – gesetzlich gibt es da noch keinerlei Grundlage. Aber wir sind uns sicher, dass wir eine Technik zur Verfügung haben, mit der man autonom fliegen kann."
    Drohnen, die Hunderte Kilogramm an Lasten befördern können, sind eine Stoßrichtung der Forschung. Eine andere zielt ins genaue Gegenteil: Mini-Drohnen, möglichst klein und unscheinbar.
    "Als wir vor zehn Jahren anfingen, sagte jeder: Ach, die Jungs mit ihren ferngesteuerten Flugzeugen. Niemand hat begriffen, wozu diese Technologie eines Tages gut sein könnte. Doch heute, zehn Jahre später, zählen wir zu den Schlüssellabors an diesem Institut."
    TU Delft, das Institut für Luft- und Raumfahrttechnik. Ingenieur Bart Remes zeigt eine Drohne der besonderen Art. Statt Rotoren hat sie durchsichtige Flügel. Eine Roboter-Libelle.
    "Diese Mikrodrohne ist inspiriert durch ein Insekt. Sie kann mit den Flügeln schlagen und ist wirklich klein: Flügelspannweite zehn Zentimeter, Gewicht drei Gramm. Doch sie hat sogar eine Kamera an Bord und steht im Guinness-Buch der Rekorde als das kleinste mit einer Kamera bestückte Flugzeug der Welt."
    DelFly, so heißt das Roboterinsekt. Die erste Version hatte noch eine Spannweite von 50 Zentimetern, dann wurden Prototypen immer kleiner und leichter.
    "Batterie, Motor, Elektronik – alles muss sehr leicht sein. Das zweite Problem: die Aerodynamik. Nach wie vor ist der Flügelschlag eines Insekts nicht im Detail verstanden. Also mussten wir in unzähligen Experimenten herausfinden, wie wir das Ding zum Fliegen bringen."
    "Auf jeder Seite sind zwei Flügel, sie sind übereinander angeordnet. Angetrieben werden sie durch einen kleinen Elektromotor, der sie hoch- und runterklappen lässt. Das passiert 14 Mal pro Sekunde. Der Flügelschlag erzeugt vor den Flügeln kleine Wirbel. Und an diesen Wirbeln saugt sich das Gerät regelrecht nach oben."
    Remes hält den Flieger in die Luft. Per Knopfdruck aktiviert er den Flügelschlag – und lässt den Winzling los.
    "Sie sehen: Er fliegt sehr, sehr langsam. Sein Schwanz hängt beim Fliegen runter. Der Vorteil gegenüber einem Quadrocopter: Fliegt ein Quadrocopter dicht an einer Wand vorbei, saugt er sich aus aerodynamischen Gründen an die Wand heran und könnte dadurch abstürzen. Das ist bei DelFly anders: Er kann extrem dicht an Wände heranfliegen, ohne ins Trudeln zu kommen. Und das ist gerade für den Einsatz in einem Innenraum sehr interessant."
    "Unsere Vision ist, dass jeder Feuerwehrmann so ein Ding in der Tasche hat und bei einem Einsatz einfach in die Luft wirft. Man hätte dann einen regelrechten Drohnenschwarm, der autonom durch ein brennendes Gebäude fliegt und Daten sammelt. In einer Zentrale würde ein Einsatzleiter die Daten auswerten und könnte dann die Feuerwehrleute gezielt zu jenen Stellen schicken, wo es einen Brandherd zu löschen gibt oder wo Menschen zu retten sind."
    RoboBee - die mechanische Biene
    Und es geht noch kleiner: Forscher aus Harvard haben RoboBee gebaut, eine mechanische Biene kaum größer als ein Eurostück. Auch RoboBee kann schon fliegen, muss aber noch über einen dünnen Draht mit Energie versorgt werden, sagt Projektleiter Robert Wood.
    Eine der ersten Anwendungsideen ist das Bestäuben von Nutzpflanzen. Dabei geht es nicht darum, Bienen zu ersetzen, das wäre blödsinnig. Aber Roboterbienen könnten bei der Bestäubung helfen, bis man hinter die Ursachen des rätselhaften Bienensterbens gekommen ist, das wir derzeit in vielen Ländern beobachten.
    Roboterbienen als mechanische Bestäuber – nicht die einzige Drohnen-Idee, die gewagt klingt. Auch ob die Selfie-Drohne das Zeug für den Massenmarkt hat oder die Katastrophen-Drohne tatsächlich Menschenleben retten kann, ist noch nicht ausgemacht. Klar ist jedoch das Interesse der Militärs - zum Beispiel an autonomen Mini-Drohnen, die unbemerkt den Feind ausspähen.
    "Nun, wir haben zwar auch einige militärische Forschungsprojekte gemacht. Aber wir konzentrieren uns auf die zivilen Anwendungen. Denn der zivile Markt ist riesig, und der militärische relativ klein."
    Vielen Forschern sind die militärischen Anwendungen ein Dorn im Auge – ebenso die Aussicht, dass Terroristen die Technik missbrauchen könnten. Die Fachleute beteuern zwar, ihnen gehe es nur um den zivilen Nutzen von Quadrocoptern und Flugrobotern. Doch man darf davon ausgehen, dass sich ihre Entwicklungen irgendwann auch auf Schlachtfeldern oder in Terroristenhänden wiederfinden. Ein Unbehagen schwingt immer mit.
    "Es ist immer Dual-Use-Technologie. Das lässt sich nicht vermeiden. Es wird immer Anwendungsszenarien geben, bei denen die Dinge, die konstruiert werden, auch im militärischen Bereich eingesetzt werden, oder für Dinge, die wir eigentlich nicht vorgesehen haben."
    Invasion der Miniflieger. Wie zivile Drohnen die Lüfte erobern.
    Eine Sendung von Frank Grotelüschen.
    Regie: Axel Scheibchen
    Redaktion: Christiane Knoll