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Zöllner: Studierende sind unsere Zukunftsinvestition

Obwohl das Bundesverfassungsgericht vor einem Jahr den Weg für Gebühren im Erststudium frei gemacht hat, will Rheinland-Pfalz auf diese verzichten. Für Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner ist klar, dass Studiengebühren abschrecken würden. Auch sei es wie befürchtet nicht gelungen, ein funktionierendes Stipendiensystem zu etablieren, betonte Zöllner.

Interview mit Jürgen Zöllner, Wissenschaftsminister Rheinland-Pfalz | 26.01.2006
    Himmelrath: Auf den Tag genau ein Jahr ist es jetzt her, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden hat, die Bundesländer dürfen Gebühren für ein Erststudium erheben. Und die Gebührenbefürworter feiern diese Entscheidung seit einem Jahr als Sieg und als Chance endlich mehr Geld für die Hochschulen einnehmen zu können. Die aktuelle politische Debatte geht um 500 Euro pro Semester. Und das macht bei zwei Millionen Studierenden, rein rechnerisch, eine Milliarde Euro pro Semester. Am Telefon begrüße ich jetzt Jürgen Zöllner, dem Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz. Er war vor einem Jahr, genauso wie heute, ein erklärter Gegner von Erststudiengebühren. Guten Tag, Herr Zöllner!

    Zöllner: Einen schönen guten Tag!

    Himmelrath: Haben Sie ihn Rheinland-Pfalz so viel Geld, dass Sie trotz dieser Möglichkeit, die das Bundesverfassungsgericht Ihnen eingeräumt hat auf Studiengebühren verzichten können?

    Zöllner: Wir haben so wenig Geld, dass wir es uns nicht leisten können Gebühren von Studierenden zu nehmen, weil sie unsere Zukunftsinvestition ist.

    Himmelrath: Erklären Sie das genauer!

    Zöllner: Weil jedem klar sein muss, und genau das zeigt sich doch. Sie sehen die zurückgehenden Studierendenzahlen in den Ländern, die es angekündigt haben. Und jeder weiß, dass wir eher mehr als weniger Studierende brauchen. Es gibt sogar ja CDU-Kollegen, die inzwischen davon reden, dass wir 40 Prozent eines Jahrgangs hochqualifiziert an Universitäten ausgebildet brauchen. Und es gibt keinen Zweifel, dass der Abschreckungseffekt da ist. Es zeigt sich meine Befürchtung, dass man nicht in der Lage ist bisher ein Stipendiensystem zu etablieren. Und drittens, ich habe auch keinerlei Anzeichen, dass dieses dann zu mehr Geld für die Hochschulen führen würde. Meine große Befürchtung, selbst wenn es in den Gesetzen verankert ist, werden die Steigerungsraten, die notwendig sind der Basisfinanzierung staatlicherseits hinterherhinken, so dass der scheinbare Zugewinn sehr schnell aufgefressen ist.

    Himmelrath: Das sind aber jetzt Argumente, die ja viele Ihrer Ministerkollegen in den Ländern nicht unbedingt teilen. Sie sind selber von zukünftigen Gebührenländern umgeben in Rheinland-Pfalz. Das heißt in Zukunft brauchen Sie sich wahrscheinlich gar keine Sorgen zu machen, dass die Leute zu Ihnen kommen, einfach deshalb, weil Sie ein Billigstudienland sind.

    Zöllner: Ja, aber das hat natürlich die andere Seite. Und deswegen haben wir ja in Rheinland-Pfalz, genau vor einem Jahr übrigens auch, in angesichts des zu erwartenden Urteils beschlossen, dass wir vorschlagen werden, die staatliche Basisfinanzierung der Studierenden als allgemeines Prinzip einzuführen. Eine solche Situation würde es ermöglichen, dass es einen Wettbewerb zwischen gebührenfreien Ländern und solchen die Gebühren erheben stattfinden könnte. Und er würde tatsächlich einen qualitätssteigernden Wettbewerb an den Hochschulen eröffnen.

    Übrigens ist dieses, weil in der Bevölkerung eben auch nicht sauber diskutiert wird, in der Schweiz der Fall. Die Schweiz wird immer angeführt, als gutes Beispiel, dass es Sinn macht Studiengebühren zu erheben. Und man vergisst, dass ein solcher Vorteilsausgleich, der an eine solche Basisfinanzierung gekoppelt wäre zwischen den Ländern die Voraussetzung des Funktionierens in der Schweiz ist.

    Himmelrath: Das heißt die Länder würden, nach diesem Vorschlag für Ihre Landeskinder aufkommen. Welche politischen Chancen sehen Sie denn das tatsächlich durchzusetzen? Das ist doch wohl eher unrealistisch im Moment.

    Zöllner: Ich habe am Anfang gedacht drei Prozent, dann meinte ich 13 Prozent. Aber ich meine, wenn man heute in die Landschaft guckt, und sieht, dass die Gefahr besteht, dass die noch vorhandenen Kapazitäten in den neuen Bundesländern eher abgebaut werden. Wenn man sieht welcher Rückgang an Studierendenzahlen in einigen alten Bundesländern, die ich jetzt nicht mit dem Finger bezeichnen möchte, stattfindet, der weiß, dass wir so etwas brauchen. Und noch ein Weiteres: Ich verstehe keinen, der mit wirtschaftlichem Sachverstand ausgestattet ist, der glaubt, er würde ein quantitativ und qualitativ steigernden Wettbewerb zwischen den Hochschulen bekommen, wenn die Refinanzierung über Studiengebühren letzten Endes nur fünf oder zehn Prozent ist. Das ist das System wie letzten Endes die Ostblockstaaten die Wirtschaft in Gefahr gebracht haben, beziehungsweise zum Erliegen gebracht haben, wenn der Preis mit den echten Kosten nicht übereinstimmt.

    Himmelrath: Trotzdem ist aber doch die Chance sehr viel höher, dass es zunächst zu Studiengebühren kommt in einigen Bundesländern und dass Sie dann Ihren Rektoren im Land Rheinland-Pfalz erklären müssen: ihr müsst jetzt mit mehr Andrang zurechtkommen. Und dafür haben Sie doch eigentlich kein Geld?

    Zöllner: Das ist richtig! Und es gibt, wie unser Ministerpräsident es formuliert hat, dann nur die Möglichkeit des Kampfes um das Überleben, denn es kann nicht sein, dass ein sicher nicht reich ausgestattetes Land wie Rheinland-Pfalz 30 Prozent mehr Studierende finanziert. Dann haben wir ja in den anderen Bereichen der Hochschulen überhaupt keine Wettbewerbschancen mehr. Und die Ausbildung wird auch dann nicht mehr verantwortbar. Dann müssen wir nach einem Weg suchen, diese Regelung nur für letzten Endes Rheinland-Pfälzer gelten zu lassen, um dann dafür zu sorgen, dass für die, für die wir eine Verpflichtung haben in jedem Falle eine, aus unserer Sicht, verantwortungsvolle Ausbildung gewährleistet ist. Dies ist aber nur die ultima ratio. Und ich hoffe immer noch auf die Vernunft meiner Kolleginnen und Kollegen.

    Himmelrath: Die ersten Bundesländer haben angekündigt im Herbst mit den Gebühren starten zu wollen. Sehen Sie außer den politischen Argumenten möglicherweise auch noch eine rechtliche Chance solche Gebührenpläne zu stoppen?

    Zöllner: Ich sehe rechtliche Chancen keine.

    Himmelrath: Jürgen Zöllner war das, der Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz mit einer kurzen Bilanz nach einem Jahr Gebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts. Herzlichen Dank, Herr Zöllner!