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Zoologie
Affen im Zoo leiden unter Zivilisationskrankheiten

Immer wieder sterben im Zoo lebende Schimpansen und Gorillas an einem Herzinfarkt. Amerikanische Forscher haben herausgefunden: Auch bei Menschenaffen gibt es Risikofaktoren für eine Herzerkrankung, doch das sind andere als beim Menschen. Und sie sind offenbar nur für ein Geschlecht gefährlich.

Von Michael Stang | 11.10.2018
    Gorilla sitzt im Zoo von Berlin
    Auch Zootiere leiden unter Zivilisationskrankheiten (imago)
    2010 gründete Hayley Murphy das Great Ape Heart Project. Grund war, dass in den Jahren zuvor Dutzende Menschenaffen in Zoos in den USA an Herzerkrankungen gestorben waren. Seither erheben die Tierärztin vom Zoo in Atlanta und ihre Kollegen überall in zoologischen Anlagen in Nordamerika Daten, um die Herzerkrankungen bei Gorilla und Co. zu verstehen und frühzeitig zu erkennen.
    "Die großen Menschenaffen rauchen ja keine Zigaretten oder trinken Bier. Bei ihnen gibt es also nicht diese direkten Risikofaktoren, die bei uns Menschen zu Herzerkrankungen führen können. Wir wissen nicht, warum die Affen Herzinfarkte erleiden. Hängt das mit der Ernährung zusammen oder sind es genetische Faktoren?"
    In den ersten Jahren untersuchten Hayley Murphy und ihre Kollegen zunächst gestorbene Menschenaffen, um die Veränderungen an den Herzen zu studieren. Dabei entdeckten sie einige bemerkenswerte Unterschiede zwischen Gorillas und Menschen.
    Andere Herzerkrankungen als beim Menschen
    "Gorillas sind zwar Vegetarier, aber sie bekommen dennoch Herzerkrankungen wie Menschen, jedoch andere. Unsereins entwickelt eher koronare Herzerkrankungen, weil sich Plaques durch einen hohen Cholesterinspiegel gebildet haben. Menschenaffen zeigen auch hohe Cholesterinspiegel, aber sie entwickeln keine koronaren Herzerkrankungen. Dafür finden wir bei ihnen Fibrosen, also krankhafte Vermehrungen des Bindegewebes am Herzen, der Herzmuskel vernarbt, und genau das interessiert uns: Warum gibt es diese Unterschiede?"
    Um möglichst frühzeitig Risikofaktoren auszumachen und Tiere so vor einem Herzinfarkt schützen zu können, haben die Tierärzte dutzende Studien in Zoos in Nordamerika durchgeführt. Die neueste stellte Hayley Murphy in Prag vor. Dabei wurden 44 männliche und 25 weibliche Gorillas untersucht.
    Nur Männchen sind betroffen
    "In unserer Studie an Gorillas sahen wir: Zeigten die Männchen Risikofaktoren für einer Herzerkrankung wie einen hohen Leptinwert im Blut und eine Insulinresistenz, haben wir diese Faktoren in Zusammenhang mit dem Alter gesetzt. Je älter sie wurden und je höher der Leptinwert, desto eher bekamen die Männchen eine Herzerkrankung. Bei den Weibchen hingegen sieht das anders aus: Zwar wurden sie im Alter auch immer dicker, aber ihre Herzwanddicke veränderte sich nicht."
    Je älter und fetter die männlichen Gorillas wurden, desto dicker wurden ihre Herzen und das machte sie anfälliger für Herzerkrankungen. Die weiblichen Gorillas waren davon aber nicht betroffen: "Nun, wir sehen viele Fälle von Adipositas, also krankhaftes Übergewicht, das in Zusammenhang mit einem veränderten Zuckerstoffwechsel steht. Darauf konzentrieren wir uns, denn einige Tiere zeigen ja diese abnormalen Faktoren. Das Spannende ist aber: Bei Männchen führen dieser Faktoren zu einer Herzerkrankung, bei den Weibchen aber nicht."
    Ursachen für die Geschlechterdifferenz noch unklar
    Gerade haben die Wissenschaftler in Atlanta ein Projekt begonnen, das sich mit den genetischen Faktoren beschäftigt, die im Zusammenhang mit Übergewicht bei Gorillas stehen. Parallel nehmen sie Ernährungsstudien hinzu, um Fütterungspläne für ihre Tiere zu entwickeln, damit es erst gar nicht zu dem Risikofaktor Übergewicht kommt.
    Vielleicht ist ein Faktor auch Stress. Die hierarchische Struktur bei Gorillas führt dazu, dass die Männchen immerzu unter Stress stehen, entweder weil sie gegen den Silberrücken kämpfen oder sie selbst das Alphatier sind und sich gegen die Konkurrenz behaupten müssen. Weibchen unterliegen diesem Stress nicht. Vielleicht verdanken sie ihre starken Herzen aber auch dem Sexualhormon Östrogen. Viele offene Fragen also. Eins haben die vergangenen Jahre der Forschung Hayley Murphy gezeigt: Die komplexe Physiologie der Menschenaffen steht der des Menschen in nichts nach.