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Zootiere
Forscher bestimmen Stresspegel

Aufgabe der Tiergärten ist nicht nur das Präsentieren der Tiere, sondern auch sie zu schützen und ihren Fortbestand zu sichern. Methoden, um Wohlbefinden oder Stresslevel eines Tieres zu bestimmen sind Mangelware. Wie Abhilfe geschaffen werden könnte, darüber diskutieren Experten auf der Internationalen Konferenz für Krankheiten bei Zoo- und Wildtieren in Barcelona.

Von Michael Stang | 15.05.2015
    Ein Nilpferd und ein Besen vor seinem Maul
    Um eine bestmögliche Haltung zu gewährleisten, benötigen Veterinäre sichere Methoden, um Wohlbefinden oder Stresslevel eines Tieres zu bestimmen. Doch hier sind objektive Daten Mangelware. (picture alliance / dpa / David Wimsett)
    "Wir sind uns einig, dass das Wohl der Tiere wichtig ist, in erster Linie aus ethischen Gründen. Wenn wir Zoos auch als Schutzraum für Spezies nutzen, dann müssen Tiere und Gehege natürlich in Topzustand sein."
    Seit 1892 öffnet der Zoo in Barcelona nahezu täglich seine Pforten. Auch heute sind wieder zahlreiche Kindergartengruppen, Schulklassen und Familien gekommen, um sich Flamingos, Erdmännchen und die großen Säugetiere Afrikas anzuschauen. Doch nicht alle Gehege sind zugänglich, denn der alte Tierpark wird erneuert. Allerdings seien nicht nur neue und bessere Gehege notwendig, auch die Grundlagenforschung habe Verbesserungsbedarf, sagt Tierarzt Xavier Manteca von der Autonomen Universität Barcelona.
    "Das Wissen, wie man Zootiere artgerecht hält, geht auf nur wenige Arten zurück: Primaten, Fleischfresser, Elefanten. Und das sind nur wenige Beispiele innerhalb der Säugetiere oder Vögel. Schauen wir uns Amphibien, Fische oder Reptilien an, da gibt es praktisch keine Studien, die sich mit diesem Thema beschäftigen."
    Gestresste Tiere kümmern sich nicht um den Nachwuchs
    Bei dieser Diskussiongehe es aber nicht nur um optimales Futter, so Xavier Manteca, obschon es immer noch viele übergewichtige Tiere in manchen Zoos gebe, sondern vielmehr hätten die Anforderungen an die Tiergärten endlich eine neue Qualität erreicht. Was sind sichere Faktoren, die anzeigen, dass es einem Tier gut geht? Selbst eine erfolgreiche Fortpflanzung könne nicht per se für das Wohlbefinden der Tiere sprechen.
    "Der Akt der Fortpflanzung allein oder das Gebären von Nachwuchs kann auch bei Tieren vorkommen, die unter Stress leiden oder nicht in bester Verfassung sind. Hingegen ist die Brutpflege ein gutes Zeichen, denn gestresste Tiere kümmern sich nicht um den Nachwuchs. Zieht ein Tier seine Jungen auf, deutet das also auf ein gewisses Wohlbefinden hin."
    Jedoch kann sich in einem Zoo nicht jedes Tier beliebig fortpflanzen, da eine Hierarchie unter den Individuen einer Art das nicht zulässt oder Geburtenkontrollen der Tierärzte dies verhindern.
    "Was ist mit einem Tier, das Kontrazeptiva bekommt? Geht es ihm schlechter, weil wir es an der Fortpflanzung hindern? Das können wir nicht beantworten."
    Biomedizinische Grundlagenforschungen notwendig
    Daher können Verhaltensbeobachtungen nur bedingt anzeigen, wie es um ein Tier steht. Somit sind neue physiologische und biomedizinische Grundlagenforschungen notwendig, sagt auch Jaco Bakker vom Biomedical Primate Research Centre im niederländischen Rijswijk.
    "Bei der biomedizinischen Forschung ist das natürlich noch wichtiger, dass es den Tieren gut geht. Deswegen untersuchen wir auch, wie man das Wohlbefinden der Tiere objektiv messen kann und was man ändern kann, wenn sie gestresst sind. Dazu haben wir von Krallen - und Rhesusaffen Speichel und Haare 14 Wochen lang auf den Cortisolgehalt untersucht. Und die Ergebnisse waren übereinstimmend. Diese Methode eignet sich, um auf chronischen Stress zu testen.
    Jedoch sind Speicheluntersuchungen aufwendig, da sie mehrmals am Tag erfolgen müssen. Bei mehreren hundert Tieren ein kaum zu stemmender Aufwand. Daher haben sich Jaco Bakker und seine Kollegen auf die Haarproben spezialisiert. Die neue Methode könnte bald Standard werden.
    "Wir haben die Haarproben von fünf oder sechs Körperstellen entnommen, aber die Schulter erwies sich als die Stelle mit den zuverlässigsten Ergebnissen. Diese Methode eignet sich nicht nur für Affen, sondern auch in Zoos etwa für Huftiere. Diese kann man so trainieren, dass sie zum Tierpfleger kommen und sich am Nacken rasieren lassen. Das wiederholt man dann alle zwei, drei Monate."
    Klar seien nur zwei Dinge, so der Tenor beider Tierärzte: Eine Methode allein kann die Frage nach dem Wohlbefinden von Tieren in Gefangenschaft nicht beantworten und es gibt noch jede Menge Forschungsbedarf, denn auch das Wohlbefinden von Reptilien, Amphibien, Wirbellosen und Fischen müssen Zooveterinäre sicherstellen.