Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Zorn an den Zechen

Vor Ort regt sich Widerstand gegen den Beschluss zum Ausstieg aus der Steinkohleförderung in Deutschland. "Nach meiner Auffassung ist es aus energiepolitischen Gründen zwingend geboten, zumindest einen Optionsbergbau für die Zukunft aufrecht zu erhalten", sagte Thomas Hunsteger-Petermann (CDU), Oberbürgermeister von Hamm in Westfalen. Bei einer "energiepolitisch sich verändernden Großwetterlage" solle es die Chance geben, den Bergbau weiter zu betreiben.

Moderation: Gerd Breker | 30.01.2007
    Gerd Breker: Am Ende sahen sich beide Seiten als Gewinner, und das ist wohl auch in einer Großen Koalition gut so. Der Ausstieg aus der Steinkohle ist beschlossene Sache. Das freut die Union. Es wird ohne betriebsbedingte Kündigungen ablaufen, und man will die Entscheidung in fünf Jahren noch einmal auf den Prüfstand stellen. Das wiederum erfreut die Sozialdemokraten. Beim zweiten großen Thema der Nacht im Kanzleramt, dem Mindestlohn, kam man sich zwar ein wenig näher. Ein Lösungsweg wurde auch aufgezeichnet. Doch für eine Einigung reichte es nicht. Der Mindestlohn wartet auf seine Wiedervorlage im März.

    Wir wollen uns nun erst einmal auf das Aus für die Steinkohleförderung konzentrieren, und dazu begrüße ich nun am Telefon den Oberbürgermeister der Stadt Hamm in Westfalen Thomas Hunsteger-Petermann von der CDU. Guten Tag, Herr Hunsteger-Petermann!

    Thomas Hunsteger-Petermann: Ja, ich grüße Sie auch!

    Breker: Da hat Ihnen Ihre Partei, die CDU, einiges eingebrockt. Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau. Wie viele Arbeitsplätze sind denn da in Ihrer Stadt überhaupt betroffen von?

    Hunsteger-Petermann: Bei uns auf dem Bergwerk sind davon 3500 Arbeitsplätze betroffen, in unserer Stadt direkt immerhin über 1000.

    Breker: Tragen Sie denn diesen Ausstiegsbeschluss mit? Macht der aus Ihrer Sicht Sinn?

    Hunsteger-Petermann: Ich trage diesen Ausstiegsbeschluss in der Form natürlich nicht mit. Nach meiner Auffassung ist es aus energiepolitischen Gründen zwingend geboten, zumindest einen Optionsbergbau für die Zukunft aufrecht zu erhalten. Das heißt also, dass wir bei einer energiepolitisch sich verändernden Großwetterlage wenigstens die Chance haben, zur eigenen Standortsicherheit den Bergbau weiter zu betreiben. Deshalb kämpfen wir natürlich um das berühmte Bergwerk Donar. Das ist die Neuerschließung der Nordwanderung des Bergbaus. Da liegen noch 600 Millionen Tonnen Kohle.

    Breker: In fünf Jahren, Herr Hunsteger-Petermann, soll ja noch mal dieser Beschluss auf den Prüfstand. Haben Sie da Hoffnung? Setzen Sie da auf die Sozialdemokraten, dass die hart bleiben?

    Hunsteger-Petermann: Ach wissen Sie, das mit dem Hart-Bleiben der Sozialdemokraten haben wir ja gerade erlebt, wie hart sie an der Stelle geblieben sind. Ich setze vor allen Dingen darauf, dass es uns gelingt zu vermitteln, vor allen Dingen hier lokal zu vermitteln, dass ein solcher Prüftermin nur Sinn hat, wenn man jetzt ganz intensiv die Nordwanderung des Bergbaus weiter betreibt, weil: Wenn man diese Option jetzt dran gibt und nicht intensiv hier wirklich auch Geld in die Hand nimmt, um die Nordwanderung zu betreiben, dann ist möglicherweise der Prüfungstermin in fünf Jahren eigentlich schon dadurch hinfällig, dass die Realität dann die Steinkohle längst eingeholt hat.

    Breker: Aber diese Forderung widerhallt ohne Gehör?

    Hunsteger-Petermann: Ja, so ist das manchmal. Aber nicht immer hat die Mehrheit auch Recht. Ich glaube, dass diese Republik zumindest die Option des Bergbaus, über mehr reden wir ja sowieso nicht mehr, aufrechterhalten sollte. Ich glaube auch, dass die dafür notwendigen Subventionen vertretbar sind, wenn ich sehe, was wir in anderen Bereichen von regenerativen Energien, von Windenergien, aber auch was wir im Industriebereich teilweise an Subventionen, über deren Sinn man sich sicherlich unterhalten kann, zahlen.

    Breker: Herr Hunsteger-Petermann, 34.000 Arbeitsplätze im Bergbau, in Ihrer Region 3500, sagten Sie gerade. Früher wäre dieser Beschluss nicht ohne Proteste geblieben. Die bleiben aber derzeit aus. Woran liegt das? Haben die Kumpel schon resigniert?

    Hunsteger-Petermann: Das kann ich im Moment auch so nicht wirklich beurteilen. Natürlich gibt es auf dem Bergwerk eine tief sitzende Resignation. Man hat da ja auch die Entwicklung der letzten Jahre gesehen, auch das Ergebnis des großen Kampfes, ich glaube '97 war das , als es um den damaligen Kohlekompromiss ging. Also es geht schon die Angst und die Frustration um, wobei es mich als Bürgermeister noch mehr umtreibt, dass ich natürlich auch die Arbeitsplätze für die Zukunft sichern möchte und eben nicht im Jahre 2019 in der Situation stehe, dass Bergbau in Deutschland nicht mehr existent ist. Den Bergbau kann man nicht mal eben einschalten und abschalten. Das dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis eine nennenswerte Produktion wieder zu Stande kommt.

    Breker: Und am Bergbau hängt ja noch mehr. Es geht jede Menge Kaufkraft verloren. Haben Sie da Zahlen?

    Hunsteger-Petermann: Ich habe jetzt natürlich keine akut gerechneten Zahlen, aber ich gehe davon aus, dass die Kaufkraftverluste jetzt nicht nur für die Stadt Hamm, sondern für die Region in die Millionen gehen, das was also im Zuliefererbereich passiert. Und sollte eine solche Situation eintreten, was ich nicht hoffe, hoffe ich, dass die Politik. und dabei ist es mir ziemlich gleichgültig, ob die schwarz, rot, gelb oder grün ist, dass die Politik sich dann ihrer Worte erinnert, dass man nicht plötzlich vergisst, dass in die strukturverändernde Region dann auch wirklich zusätzlich Geld hineinfließt.

    Breker: Herr Hunsteger-Petermann, wir hören es soll keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Das hören wir, das hören Sie sicherlich gerne. Nur, wie kann das gehen? Haben Sie schon Notfallpläne parat?

    Hunsteger-Petermann: Nein. Ich habe natürlich keinen Plan B und C, weil: Wir setzen verständlicherweise auf Plan A, das heißt Zukunft des Standortes Hamm mit Bergbau. Wenn wir jetzt schon einen Plan B oder C hätten, dann würden wir ja die Option, um die wir kämpfen, im Grunde zum heutigen Zeitpunkt schon aufgeben. Aber natürlich ist es so, dass wir jetzt sehr genau überlegen müssen, welche Schwerpunkte wir in dieser Region weiter verstärken, zum Beispiel Logistik und Gesundheit. Das sind Schwerpunkte, in denen wir in den letzten Jahren auch sehr erfolgreich waren. Ich sage mal im Schnitt der letzten fünf Jahre ist bei uns die Arbeitslosigkeit um 0,5 gesunken, in Nordrhein-Westfalen um 1,3 Prozent gestiegen. Aber wir müssen da natürlich jetzt alle gemeinsam arbeiten. Aber es ist nicht so, als ob ich jetzt eine Schublade aufziehen könnte und sagen, da liegt der und der Plan drin für den Fall, dass der Bergbau in Hamm sich endgültig verabschiedet. Ich darf mal daran erinnern: In dieser Stadt haben mal 15.000 Bergleute direkt im Bergbau gearbeitet, ohne Zulieferer.

    Breker: Herr Hunsteger-Petermann, welche Erwartungen haben Sie an die Landesregierung in Düsseldorf? Welche Erwartungen haben Sie an Berlin, an den Bund?

    Hunsteger-Petermann: Die Erwartung ist, dass die Überprüfungsklausel wirklich ernst gemeint ist, dass man im Jahre 2012 wirklich überprüfen möchte, ob sich dann die energiepolitische Situation verändert hat. Die zweite Erwartung ist, dass wir die Möglichkeit der Nordwanderung jetzt intensiv weiter betreiben und dass am Standort Hamm, über diesen Standort nicht vor 2012 entschieden wird, weil einfach aus meiner Sicht, ich habe es eben ja schon einmal gesagt, eine realistische Zukunft für den Bergbau in Deutschland es nur über die Nordwanderung gibt, und die ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nur über Hamm möglich.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der Oberbürgermeister der Stadt Hamm in Westfalen, Thomas Hunsteger-Petermann von der CDU. Herr Hunsteger-Petermann, danke für dieses Gespräch.

    Hunsteger-Petermann: Dankeschön, Ihnen auch.