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Zorniger Poet

Der Dichter Giosuè Carducci stand für das wehrhafte Bürgertum Italiens, das sich im 19. Jahrhundert gegen Kirche und Adel durchsetzte. Heute sind seine Werke weitgehend in Vergessenheit geraten.

Von Robert Schurz | 16.02.2007
    "Verflucht seist du. auf alle Zeit verflucht,
    allüberall, wo Anmut blüht und Edelmut sich reckt,
    verflucht, du alte blutige Wölfin Vatikan."

    Es gibt den Typus des zornigen Poeten, der mit der Kraft einer erlesenen Sprache, gegen alle Heuchelei der Welt wettert, gegen Lug und Trug, gegen Dekadenz, Bigotterie und Feigheit. Was sich ihm in den Weg stellt wird mit dem Zorn des Gerechten gnadenlos verfolgt und vertilgt, - freilich nur mit den Mitteln der Kunst. Giosuè Carducci war so ein zorniger Poet. Von seinem Werk ging eine Faszination aus, die heute nur schwer nachzuvollziehen ist. Damals jedoch, in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, befand sich Italien in einem nationalen Freiheitskampf; auf der einen Seite die Nationalisten und Republikaner; auf der anderen Seite der Adel, die regionalen Fürsten sowie der Klerus. Carduccis Vorbild war Rom, das Römische Reich.

    "Es läßt aus Livius
    im mächtigen Schwingen
    Tribune, Konsuln,
    Quiriten steigen.
    Träumend von römischer Macht, auf den Hügel
    des Kapitols, Mönch, heben dich Flügel"

    Giosuè Caducci wurde am 27. Juli 1835 in der Toskana in Pietrasanta geboren. Sein Vater war Landarzt und Mitglied der so genannten Carbonari, eines patriotischer Geheimbundes, der eine geeinte Republik Italien anstrebte. Wegen seiner politischen Ansichten und wegen seines ungezügelten Temperaments, brachte es der Vater nicht besonders weit: Die Familie lebte in relativer Armut und musste oft umziehen. Prägend für den jungen Carducci war dieser Vater allemal, der auch mal ins Gefängnis musste, weil er einen Bürgermeister geohrfeigt hatte. Giosuè Carducci studierte in Pisa Philologie, wo er auch promovierte. 1860, mit 25 Jahren, wurde er schließlich als Professor nach Bologna berufen, wo er 44 Jahre hindurch lehrte. Sein eigentlicher Lebensinhalt jedoch war die Dichtung. Schon mit 22 Jahren trat er mit seiner Lyrik in die Öffentlichkeit, bekannt wurde er aber in den späten 60er Jahren mit den Gedichtbänden "Levia gravia", "I Decinali" und insbesondere mit seiner "Inno a Satana" - "Hymne an Satan".

    "Er fährt, von Ort zu Ort/Wohltaten zu tragen,
    auf unaufhaltsamen/feurigen Wagen.
    Schimmre und blitze/eherner Krieger,
    auf, o Materie/Satan ist Sieger."

    Carducci wurde als Gelehrter geehrt und als Dichter gefeiert, er stand für das neue, das geeinte Italien, für die Republik und für eine neue Zeit. Er war Mitglied in mehreren Freimaurervereinigungen, gründete sogar eine eigene Loge und wurde 1890 zum Senator berufen. Zwar wurde sein Leben überschattet vom Selbstmord seines Bruders sowie vom frühen Tod eines seiner vier Kinder, aber insgesamt lebte er recht ruhig dahin und reiste so gut wie nie. Und auch sonst gab es keine größeren Umbrüche in seinem Werdegang.

    1906, mit 71 Jahren erhielt er, von aller Welt schon länger erwartet, den Nobelpreis für Literatur. In einem Befürwortungsschreiben heißt es: "Ein halbes Jahrhundert haben seine Gesänge die Volksseele zutiefst aufgewühlt. Er war ein harter Streiter gewesen, und sein geschliffenen Vers, den er wie ein Schwert zu handhaben wusste, vermochte manche Wunden zu schlagen; aber wenn sein künstlerischer Schwung ihn vielleicht hie und da übers Ziel hinausschießen ließ, sein ungestümes Herz hat doch niemals ernsthaften Hass gekannt." So gefeiert und berühmt Giosuè Carducci an der Wende zum 20. Jahrhundert auch war, er blieb eine Zeiterscheinung. Zwar wird er heute als Vorbild einer ganzen poetischen Gattung, des so genannten italienischen Verismo, angesehen, aber ungeachtet einer kurzen und zweifelhaften Renaissance unter der Herrschaft der Faschisten Mussolinis, war Carduccis Wirkung sehr schnell verblasst. Zwar kennt seinen Namen in Italien heute noch immer jedes Schulkind, allein, sein Werk wird nicht mehr gelesen.

    "Ich verlang', als Lohn für den Vers, der mutig
    Von der alten Zeit nach der neuen schwebet,
    einen vollen Kelch von der Freundschaft und das
    Lächeln der Schönheit."

    Giosuè Carducci starb am 16. Februar 1907.