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Zu viel Gülle
Brüssel setzt Bundesregierung letzte Frist für Nitratminderung

Die EU-Kommission fordert von Deutschland Nachbesserungen bei der Düngemittelverordnung binnen zweier Monate. Andernfalls droht sie mit einem Zwangsgeld von bis zu 850.000 Euro pro Tag. Die deutschen Landwirte sollen in besonders mit Nitrat belasteten Gebieten endlich weniger Gülle ausbringen.

Barbara Schmidt-Mattern | 25.07.2019
Auf einem Feld in Brandenburg wird Gülle verrieselt.
Wegen der Nitrat-Belastung des Grundwassers drohen Deutschland Zwangsgelder von bis zu 850.000 Euro pro Tag. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
Besonders im so genannten Schweinegürtel stinkt das Düngemittel-Problem zum Himmel. Die massenhafte Tierhaltung in den niedersächsischen Landkreisen Vechta und Cloppenburg beschert den Regionen viel zu hohe Nitratwerte in Boden und Trinkwasser. Die Auswirkungen werden für die Bevölkerung mittlerweile in vielen Teilen Deutschlands spürbar: Geschlossene Trinkwasserbrunnen, eine zunehmende komplizierte Aufbereitung des Trinkwassers, und die Überdüngung der Nordsee, nennt der Europa-Abgeordnete Martin Häusling als Beispiel. Die EU-Kommission setzt Deutschland deshalb jetzt eine letzte Frist von zwei Monaten, um die Düngemittel-Verordnung an europäische Umwelt- und Gesundheitsstandards anzupassen, andernfalls droht ein erneutes Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof EuGH und Geldstrafen in Millionenhöhe. Die Kommission, sagt Grünen-Politiker Häusling in Brüssel, sei sichtlich genervt:
"… nach dem Motto: Wir werden immer weiter hingehalten. Und sie sagen, es kann ja nicht sein, die Nachbarländer haben das ja auch geschafft. Frankreich hat eine Klage, Holland hat's umgesetzt, Dänemark… und in Deutschland klappt das scheinbar nicht."
Nitrat-Streit schwelt seit Jahren
Nachbarn wie Frankreich und Dänemark würden bereits Wettbewerbsnachteile befürchten, weil Deutschland die Reform seit Monaten verschleppt.
"Germany is still in breach of the Nitrates Directive…"
Deutschland verstoße immer noch gegen die Nitrat-Richtlinie der EU und habe die vom Europäischen Gerichtshof angemahnten Reformen immer noch nicht umgesetzt, erklärte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella am Mittag in Brüssel. Der Streit um die zu hohen Nitratwerte zieht sich bereits seit Jahren hin und gipfelte 2018 in dem EuGH-Urteil. Seitdem habe die Bundesregierung versucht, zu reagieren…
"… und (wir) sind auch dabei eine entsprechende Veränderung des Deutschen Düngemittelrechts vorzunehmen."
Sagt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im SPD-geführten Bundesumweltministerium. Brüssel nennt nun konkrete Bedingungen, sagt Flasbarth:
"Das betrifft die Düngerechtsregelung an Hängen, das betrifft die Absenkungen der Düngegaben in hoch belasteten, so genannten roten Gebieten."
Umwelt- und Landwirtschaftsministerium lange uneins
Das sind Gebiete, in denen die Nitrat-Belastung besonders hoch ist und wo künftig strengere Regelungen für das Düngen gelten sollen. Deutschland hat die entsprechende Gesetzgebung vor zwei Jahren schon einmal reformiert, doch diese Änderungen reichten der Kommission nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Agrarverbände und auch mehrere Landesregierungen lange Zeit nicht an einem Strang zogen mit der Bundesregierung. Und auch innerhalb des Kabinetts gab es zwischen dem CDU-geführten Landwirtschaftsministerium von Julia Klöckner und dem Umweltministerium immer wieder offenen Dissens. Selbst Kanzlerin Angela Merkel stellte Anfang Juni leidvoll fest:
"In der Bundesregierung tobt der Streit, wenn man nur an die Düngemittel-Verordnung denkt. Der eine fährt zu den Demonstrationen, die für weniger Nitrat-Einträge sind. Die andere Ministerin fährt dann zu den Demonstrationen der Bauern. Aber ich glaube… ja, so ist die Aufgabenteilung!"
Kurz darauf rauften sich Schulze und Klöckner allerdings zusammen und einigten sich auf gemeinsame Vorschläge – doch ein neuer Gesetz-Entwurf für die nächste Reform der Düngemittel-Reform liegt der EU-Kommission noch immer nicht vor, deshalb drückt sie nun aufs Tempo. Ende August wollen die beiden verantwortlichen Bundesministerinnen nach Brüssel reisen, in der Hoffnung, eine Klage doch noch abwenden zu können.