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Zu viele Pestizide auf den Feldern

Die Biologin Rachel Carson beschrieb 1962 in ihrem Buch "Silent Spring - Stummer Frühling", welche Folgen der großflächige Einsatz von Pestiziden und Herbiziden auf Mensch und Natur hat. 50 Jahre später sei der Pestizideinsatz immer noch zu hoch und gefährde viele Vogelarten, kritisieren Umweltverbände.

Von Philip Banse | 12.09.2012
    Es ist in gewisser Hinsicht sogar noch schlimmer geworden, sagt Hubert Weiger vom Bund für Bund für Umwelt und Naturschutz. Der Pestizideinsatz sei von 1994 bis 2010, also über 16 Jahre, um ein Drittel angestiegen – auf 40.000 Tonnen jährlich.

    "Wir sind mit einem Gifteinsatz konfrontiert wie noch nie in der Geschichte. Die Wirkungen sind ebenfalls so dramatisch wie noch nie. Die Feldvogelarten zählen inzwischen deutschlandweit zu den am meisten gefährdeten Artengruppen überhaupt. Und es muss doch alarmieren, wenn die Feldlerche sich heute auf der roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten befindet."

    Ornithologe Martin Flade vom Dachverband der Avifaunisten hat den Bestand von 30 Vogelarten untersucht, die typisch sind für landwirtschaftliche Gegenden. Sein Befund: Fast alle Bestände gehen zurück.

    "Wir haben ungefähr seit fünf Jahren keine Art, die überhaupt noch zunimmt. Vier Arten von 30, die stabil sind und alles andere geht zurück. Und das war so dramatisch noch nie."

    Vor allem das Rebhuhn ist betroffen: Von 100 Rebhühnern, die vor 20 Jahren in Hecken und Feldrainen lebten, gebe es demnach heute nur noch zehn. Nicht viel besser erging es dem Wiesenpieper und dem Kiebitz. Ursache, so die Umweltschützer, sei der massive und steigende Einsatz von Herbiziden und Pestiziden. Sie würden, diesen Zusammenhang hätten Studien bewiesen, Insekten töten, die Vögel unbedingt bräuchten. Ornithologe Martin Flade führt einen weiteren Grund an: Der Hunger nach erneuerbaren Energien, vor allem Energie aus Biomasse. Deswegen hätte die EU 2007 erlaubt Flächen, die bis dahin als Brachflächen reserviert waren, zu bebauen.

    "Und der besonders der Maisanbau hat halt sehr stark zugenommen durch das EEG, durch die erneuerbaren Energien, der Biomasse, auf Kosten der Stilllegungsflächen, der Brachen. Das heißt, das Verhältnis, was noch in den 90er-Jahren relativ günstig war, hat sich mehr als umgedreht. Wir haben damals in Ostdeutschland ein Verhältnis von 1:1 oder 2:1 Brache zu Mais. Und jetzt haben wir ein Verhältnis von 1:10."

    Zehn Mal mehr Maisflächen als Brachflächen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz fordert daher, den Anbau von Mais zurückzufahren und zu begrenzen. Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, sieben Prozent der Fläche eines Landes als "ökologische Ausgleichsflächen" auszuweisen und eben nicht landwirtschaftlich zu nutzen. Der Deutsche Bauernverband kritisiert das als willkürliche Flächenstilllegung. Hubert Weiger vom BUND dagegen begrüßt diese EU-Idee der ökologischen Ausgleichsflächen:

    "Das ist durchaus ein wichtiger Schritt nach vorn, allerdings in unseren Augen noch nicht ausreichend. Wir fordern zehn Prozent. Was aber wichtiger ist: Wir fordern, dass dies dann auch tatsächlich durchgesetzt wird. Der Deutsche Bauernverband läuft dagegen Sturm, indem er sagt, es handle sich um Flächenstilllegungen. Wir sagen, die Anlage von Blühstreifen, von Hecken, von Feldgehölzen, von Feldrainen, von extensiv genutzten feuchten Wiesen hat mit Flächenstilllegung nichts zu tun. Wir müssen endlich dazu kommen, dies wieder als Teile eines nachhaltigen gesamten Nutzungssystems anzuerkennen."