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Zu wenig Pluralismus?
Polnischer Botschafter kritisiert deutsche Medien

Im Vergleich zu Deutschland herrsche in Polen ein wahrer Pluralismus der Medien. Mit solchen Thesen sorgt der polnische Botschafter Andrzej Przyłębski derzeit für Empörung - auch bei polnischen Medien und Medienexperten. Warum zeigt sich der Botschafter gerade jetzt undiplomatisch?

Von Martin Sander | 31.01.2019
    Andrzej Przyłębski, Botschafter der Republik Polen
    Neben deutschen Medien kritisiert der polnische Botschafter in Deutschland Andrzej Przyłębski auch private polnische Medien (Botschaft der Republik Polen, Dariusz Pawłoś)
    "Im Vergleich zu Deutschland herrscht in Polen ein wahrer Pluralismus der Medien. Und das ist die erste, für Sie wahrscheinlich ziemlich provokative These meiner Ausführungen", sagt Andrzej Przyłębski, derzeit Botschafter der Republik Polen in Deutschland. Auf einer Tagung über "Medienfreiheit in der EU" an der Frankfurt University of Applied Sciences lobte Przyłębski die Situation in seinem Land.
    "Sie können sich wahrscheinlich leicht vorstellen, auf welchen Argumenten sich meine Kritik der deutschen Medien stützt: Vor allem die Berichte über mein Land, über Polen, die ich seit drei Jahren, also seit dem Regierungswechsel in meinem Land erleben muss. In der 'FAZ', in der 'Welt', in der 'Zeit', im 'Tagesspiegel' und so weiter und so fort."
    Polnische Medien protestieren gegen Przyłebskis Aussagen
    Schon dies ist eine ungewöhnlich wenig diplomatische Stellungnahme für einen Botschafter. Tatsächlich jedoch werfen die deutschen Korrespondenten sowie Politiker aus Deutschland und der EU der nationalkonservativen PiS-Regierung in Warschau vor, das öffentliche Fernsehen in ein Propagandainstrument der Regierung verwandelt zu haben. Andrzej Przyłebski empört sich darüber.
    "Es gibt vier ernstzunehmende Fernsehsender, die eine politische Rolle spielen - zwei private und zwei öffentlich-rechtliche. Die beiden privaten, TVN und Polsat, haben mit ehemaligen Kommunisten sympathisiert. Selbstverständlich stehen sie in der ersten Reihe der Kritiker der Kaczyński-Regierung, der neuen Regierung. Polsat und TVN stehen zwei staatlich finanzierte Fernsehsender gegenüber: TVP1 und TVP2. Ihre Sendungen sind ausgeglichener."
    Medienexperten lassen allerdings keinen Zweifel daran, dass die PiS-Regierung wie keine ihrer Vorgängerinnen dieses Fernsehen unter ihre Kontrolle gebracht hat. Was Przyłębski in Frankfurt sagte, hat in verschiedenen polnischen Medien für Protest gesorgt. Auch bei Stanisław Jędrzejewski. Der Professor für Soziologie an der Leon-Koźmiński-Universität Warschau und langjähriges Mitglied von Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Sender sieht die PiS-Eingriffe ins öffentlich-rechtliche Fernsehen als beispiellos an.
    Soziologe: Kein Pluralismus beim öffentlichen Fernsehen
    Die aktuelle Situation beschreibt er so: "Einstweilen besteht Meinungsfreiheit. Über Pluralismus lässt sich streiten. Die öffentlichen Medien sind ja zum internen Pluralismus verpflichtet. Und diesen Pluralismus sehe ich hier bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht. Außerhalb des öffentlichen Fernsehens gibt es ihn schon. Man muss sich allerdings fragen, wie es weiter geht, zumal wenn es zu Eingriffen in das Internet kommen sollte."
    Die polnische Regierung diskutiert nicht nur über Eingriffe ins Internet. Sie will auch den Einfluss ausländischen Kapitals begrenzen, darunter den des Axel-Springer-Verlags. Springer bringt unter anderem das populäre, bei Gelegenheit regierungskritische Boulevard-Blatt "Fakt" heraus. Genauso ist den Nationalkonservativen aber die linksliberale "Gazeta Wyborcza" ein Dorn im Auge, die komplett in polnischem Besitz ist. Botschafter Andrzej Przyłębski ärgert sich über beide.
    "Was wir dort erfahren, sind ständige Verdrehungen der Tatsachen, Lügen, 'Fake News', Pseudodeutungen. Das alles bringt nur ein Chaos in die politische Debatte. Die beiden dürfen dennoch bestehen und ihr - ich würde sagen: dubioses - Geschäft betreiben. Sie dürfen unbestraft die Anhänger der Regierung beschimpfen, beleidigen, sogar bedrohen."
    Dem ist gewiss nicht so. Gerade Beleidigungen und Bedrohungen fallen in Polen häufiger in den nationalkonservativen, regierungstreuen Medien gegen Vertreter der Opposition. Der Botschafter klingt so, als wollte sich die PiS-Regierung nun doch gegen ihre Kritiker wehren und ihre Vorstellungen von Pressefreiheit so durchsetzen. Ob das gelingt, wird sich zeigen.