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Zuckersteuer in Großbritannien
Süßstoff als Steuerschlupfloch

Großbritannien will mit einer Zuckersteuer Übergewicht und Karies bekämpfen. Eine Dose Limonade wird dadurch fast zehn Cent teurer. Doch genau das wollen viele Unternehmen vermeiden - und haben inzwischen ihre Rezepturen geändert.

Von Friedbert Meurer | 03.07.2018
    Drei Gläser gefüllt mit roter Limonade, Cola und Energy-Drink stehen am 23.08.2016 in Berlin neben Zuckerwürfeln auf einem Tisch.
    Die Zuckersteuer in Großbritannien sorgt für weniger Zucker und mehr Süßstoff in Softdrinks (dpa / Monika Skolimowska)
    Ein Dutzend Kinder einer Grundschule tanzt um einen bunt geschmückten Maibaum. Die Sonne scheint auf das Stadtteilfest in Ham im Londoner Südwesten. Die Eltern verkaufen bei der Hitze mit großem Erfolg ihre selbstgemachte Limonade.
    "Wir haben aus dem Saft ein Sirup gemacht. Dazu frische Pfefferminz-Blätter aus dem Garten und Zitronen vom Supermarkt. Das alles kommt hier in den Krug. Das ist nicht so schwer."
    In einem sind sich die Eltern einig: Soft Drinks oder Fizzy Drinks, wie sie hier heißen, also Fanta, Cola oder Sprite, wären zu ungesund.
    Viele Eltern finden die Zuckersteuer gut
    "Ich persönlich versuche auf Zucker zu verzichten. Ich will auch, dass meine Kinder gesunde Zähne haben. Ich finde deswegen die Zuckersteuer für Soft Drinks gut." - "Meine Kinder trinken Wasser, ab und zu Orangensaft oder gesprudeltes Wasser mit Zitronensaft und Honig. Ich kaufe keine gezuckerten Getränke. Vielleicht mal zu besonderen Anlässen, dann ja."
    Die "Sugar Tax", also Zuckersteuer, auf Soft Drinks finden die meisten Eltern gut. Die Steuer sende die richtige Botschaft aus. "Die Frage ist nur, ob die Leute dann weniger davon kaufen. Aber die Botschaft finde ich gut." "Vielleicht müssen hier drastische Maßnahmen ergriffen werden. In unserem Land wird zu viel Zucker konsumiert. Wenn es hilft, finde ich das gut."
    Es gibt in der Tat erste Anzeichen dafür, dass die Zuckersteuer auf Soft Drinks Wirkung zeigt. Zwar gibt es nach drei Monaten noch keine neuen Absatzzahlen, aber laut einer Studie des britischen Gesundheitsministeriums ist der Zuckeranteil in Softdrinks im Schnitt um 12 Prozent zurückgegangen.
    Hersteller weichen auf Süßstoffe aus
    Das gelingt den Getränkeherstellern, indem sie auf Süßstoffe ausweichen, z.B. auf das synthetische Aspartam oder das Süßkraut Stevia aus Südamerika. Beide Stoffe gelten in Maßen als unbedenklich, allerdings würden Kinder weiter an den süßen Geschmack gewöhnt, wenden Kritiker ein.
    Trotzdem: die Befürworter der "Sugar Tax" fühlen sich bestätigt, vor allem der britische Kochbuch-Autor Jamie Oliver. Er war einer der prominentesten Vorkämpfer für die Steuer.
    "Kinder und Jugendliche konsumieren Zucker vor allem über Soft Drinks. Das Geld können wir für Gesundheitskampagnen ausgeben. Es ist aber auch eine symbolische Maßnahme. Wenn das Problem so schlimm geworden ist, dann müssen wir die Spielregeln ändern."
    In der Tat ist die Steuer zweckgebunden: sie geht an den NHS, das Gesundheitssystem. Olivers Annahme, die "Sugar Tax" würde eine Milliarde Pfund einbringen, erweist sich aber als zu optimistisch. Die Hersteller umgehen die Steuer eben durch den Einsatz von Süßstoffen. Fanta und Sprite haben in Großbritannien dadurch weniger als 5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter und sind von der Zuckersteuer befreit.
    Bei mancher Kritik an den alternativen Süßstoffen: Sandra White vom britischen Nationalen Gesundheitsamt glaubt, dass weniger Zucker in Soft Drinks auf jeden Fall auch der Gesundheit der Zähne von Kindern und Jugendlichen dient. "Alle zehn Minuten wird einem britischen Kind ein fauler Zahn im Krankenhaus gezogen. Es ist eine echte Tragödie. Deswegen ist die Steuer wichtig sowohl im Kampf gegen Übergewicht als auch gegen Zahnfäulnis."
    Die selbstgemachte Limonade der Russell-Grundschule in London ist übrigens auch nicht gerade gesund. Eine Elternvertreterin rechnet freimütig vor, dass ihr Zuckergehalt um ganze fünfzig Prozent höher ist als der von Coca Cola. Aber auf einem Fest dürfe man das den Kindern dann doch einmal erlauben.