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Zündet nicht mehr

Wenn US-Präsident Barack Obama und sein russischer Amtskollege Dimitri Medwedew am kommenden Montag in Moskau zusammentreffen, steht die Abrüstungspolitik im Mittelpunkt. Ein Streitpunkt könnte dabei aus dem Weg geräumt werden: der von Obama-Vorgänger Bush geplante Raketenschild in Polen. Weder Obama, noch die polnische Bevölkerung befürworten das Projekt.

Von Thomas Rautenberg, Warschau | 03.07.2009
    Bei seinem Kurzauftritt Anfang der Woche in Warschau musste US-Generalstabschef Michael Mullen alle diplomatischen Register ziehen. Die polnische Regierung erwartete eine klare Aussage des US-Spitzenmilitärs über den geplanten Bau des Antiraketenschirms und vor allem über die Stationierung amerikanischer Patriot-Luftabwehrraketen auf polnischem Territorium. Doch Mullen seinerseits wollte sich keinesfalls festlegen lassen:

    "Präsident Obama lässt gerade alle großen Rüstungsprojekte überprüfen und das Ergebnis wird in der zweiten Jahreshälfte vorliegen. Daher bin ich nicht imstande, konkrete Einzelheiten mitzuteilen. Ich bestätige aber noch einmal ausdrücklich, dass die USA bereit und entschlossen sind, Polen bei der Modernisierung seiner Armee zu helfen."

    Die europäischen Komponenten der US-amerikanischen Raketenabwehr sind offenbar stark ins Wanken geraten. In der polnischen Regierung würde derzeit wohl kaum jemand ernsthaft darauf wetten wollen, dass die Amerikaner im polnischen Norden tatsächlich noch eine Raketenabschussbasis für den geplanten Antiraketenschirm errichten werden. Warschau sieht vielmehr, wie die eigenen Hoffnungen auf eine ständige Militärpräsenz der USA in Polen auf dem Altar der russisch-amerikanischen Abrüstungsverhandlungen geopfert werden - ein Eindruck, dem Generalstabschef Mullen nicht wirklich entgegen getreten ist:

    "Der Dialog mit Russland ist uns sehr wichtig. Wir haben viele gemeinsame Interessen. Die Zusammenarbeit in Afghanistan, der Kampf gegen den Terrorismus, der Iran. Mit dem russischen General Makarow sind wir übereingekommen, dass wir in der kommenden Woche einen neuen Militärvertrag unterzeichnen wollen."

    Die polnischen Irritationen über die Zukunft des Antiraketenschildes kommen nicht von ungefähr - schließlich hatte Moskau den Verzicht auf die europäischen Komponenten des Verteidigungssystems zur Voraussetzung für weitere Abrüstungsverhandlungen mit Washington erklärt. Und wenn die USA jetzt tatsächlich auf die geplante Raketenabschussbasis in Polen verzichten sollten, dann stünde natürlich auch die von Warschau erhoffte Stationierung amerikanischer Patriot-Luftabwehrraketen auf der Kippe, fürchtet nicht nur Polens Regierungssprecher Pawel Gras:

    "Polen hat alle Vorleistungen des Stationierungsvertrages erfüllt. Wir zählen also darauf, dass sich auch die Amerikaner an ihre Zusagen halten. Und dass in jedem Fall zumindest eine Batterie Patriot-Luftabwehrraketen installiert wird."

    Polens Verteidigungsminister Bogdan Klich weiß natürlich, dass die Interessen seines Landes beim Abrüstungspoker zwischen Moskau und Washington ganz schnell auf der Strecke bleiben könnten. Einen Vorgeschmack darauf hatte er schon bekommen, als die Information publik wurde, Washington wolle statt teurer Patriot-Luftabwehrraketen lediglich eine Ausbildungsbatterie ohne scharfe Gefechtsköpfe in Polen installieren:

    "Polen ist doch keine Rüstungsmesse. Die Amerikaner sollen uns die Raketen nicht nur zeigen. Sie sollen auch beweisen, dass die Technik im Sinne der polnischen Verteidigung einsatzbereit ist."