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Zugriff in Göttingen
"Anschlag hätte jederzeit passieren können"

Nach der Festnahme von zwei Gefährdern in Göttingen werden beunruhigende Details bekannt. Den Ermittlern zufolge gab es bereits konkrete Pläne für einen Terroranschlag.

09.02.2017
    Beschlagnahmte Gegenstände liegen am 09.02.2017 während einer Pressekonferenz der Polizei in Göttingen (Niedersachsen) auf einem Tisch. Zu sehen sind eine Machete und Schusswaffen.
    Die bei der Razzia in Göttingen am 09.02.2017 beschlagnahmten Waffen werden von der Polizei auf einer Pressekonferenz gezeigt. (dpa / picture alliance / Swen Pförtner)
    Die beiden Salafisten hätten den Anschlag jederzeit ausführen können, sagte der Göttinger Polizeipräsident Uwe Lührig. Bei den Durchsuchungen in der Nacht zum Donnerstag seien umgebaute Waffen mit scharfer Munition gefunden worden: "Die Gefahrenlage war eindeutig", betonte Lührig. Laut Ermittlungen waren die Pläne der Männer aus der radikal-islamistischen Szene nicht ausschließlich auf die Region Göttingen bezogen. Bei der Razzia stießen die Beamten auch auf Flaggen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS).
    "Wichtiger Schlag"
    Bereits vorher hatte der Polizeipräsident erklärt, die Hinweise hätten sich in den vergangenen Tagen so weit verdichtet, dass ein schneller Einsatz notwendig gewesen sei: "Wir hatten dabei in meiner Bewertung keinerlei Ermessen." Die 23 und 27 Jahre alten Männer lebten seit längerer Zeit mit ihren Familien in Göttingen, wie die Behörden mitteilen. Der jüngere Mann stamme aus Nigeria, der ältere aus Algerien. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius sprach von einem "sehr wichtigen Schlag gegen die Szene".
    Großeinsatz von 450 Polizisten
    Den Festnahmen ging ein Großeinsatz voraus. Beteiligt waren die Polizei Göttingen, die Bereitschaftspolizei Niedersachsen und ein Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamts. Sie durchsuchten in der vergangenen Nacht elf Gebäude in Göttingen und ein Haus in Nordhessen. Der Einsatz sei eine Woche vorbereitet worden, hieß es weiter.
    Szeneschwerpunkt Göttingen
    In der Stadt ist nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes in den vergangenen Jahren eine neue junge salafistische Szene mit rund 50 Islamisten entstanden. Sie rekrutiert sich vor allem aus der Anhängerschaft der seit 2001 verbotenen islamistischen Organisation "Kalifatstaat". Zur Szene zählen nach Einschätzung einer Expertin zum Islam konvertierte Deutsche ebenso wie Deutsche mit Migrationshintergrund, die teils gewaltbereit sind. Staatsschutz und Verfassungsschutz haben die Göttinger Szene seit Jahren im Blick.
    Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ist die Region Hildesheim/Göttingen zudem ein Schwerpunkt bei den Ausreisen von Islamisten Richtung Syrien. 42 Prozent der aus Niedersachsen ausgereisten Menschen stammen von dort. Die Salafisten werben auch in Göttingen aktiv um weitere Mitglieder, auch unter den Bewohnern von Flüchtlingsunterkünften. In mehreren Fällen boten sie laut Sicherheitsbehörden ihre Dienste als Dolmetscher oder als Sicherheitsleute an - mit Erfolg. Niedersachsenweit liegt die Zahl der Salafisten nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bei 680. Vor knapp einem Jahr waren es noch 480.
    (db/riv/jasi)