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Zukunft aus dem Meer

Genetik. - Bekannt geworden ist Craig Venter als Wissenschaftler, der das Genom des Menschen entziffert hat. Vor fünf Jahren stand er ganz oben und verkündete gemeinsam mit Bill Clinton und Tony Blair ein neues Zeitalter den Medizin. Zwei Jahre später wurde er als Geschäftsführer der Genom-Firma Celera entlassen. Gerade erst Mitte 50 schien seine Zeit vorbei zu sein. Aber jetzt ist er wieder da und plant ein neues Großprojekt: eine genetische Karte aller Ozeane der Welt.

Von Michael Lange | 01.07.2005
    Der ehemalige Genom-Entzifferer Craig Venter hat jetzt sein eigenes Institut: Das J-Craig-Venter-Institute. Ein vierstöckiger Neubau in der Nähe von Washington. Seine Zeit als Leitfigur der Biotechnologie ist vorbei. Jetzt macht er das, was ihm gefällt. Und das ist ein ganz neues Forschungsgebiet: Die Umwelt-Genomik. Venter:

    "Es geht mir darum, einen Überblick zu erhalten über die biologische Vielfalt der Ozeane. Was sind das für kleine Organismen, die da in den Weltmeeren leben? Wir wissen so wenig über die Vielfalt auf unserem Planeten."

    Angefangen hat Craig Venter mit dem Sargasso-Meer. Er sammelte dort Hunderte Wasserproben, filterte sie und analysierte die Filtrate mit den großen Apparaten und Computern der Genomforschung:

    "Die Idee dahinter ist einfach: Wir untersuchen die Wasserproben mit den gleichen Methoden, mit denen wir das Erbgut des Menschen entziffert haben. Der wichtigste Unterschied: Das Erbmaterial im Wasser stammt nicht von einem Organismus, sondern von vielen. Im Sargasso-Meer haben wir 1,3 Millionen neue Gene gefunden und 47.000 neue Arten. Und das in einem Fass Meerwasser."

    In den nächsten Jahren will Venter auf die gleiche Weise alle Weltmeere erforschen. Denn überall, in jeder Region des Meeres, leben andere Organismen. Und das bedeutet: Auf der ganzen Welt wird er neue Gene finden - Erbanlagen, die noch niemand kennt. Venter:

    "Es leben eine Million Bakterien in jedem Milliliter Meerwasser - und zehn Millionen Viren. Wenn Sie im Ozean schwimmen und etwas Wasser verschlucken, dann konsumieren Sie an die 100 Millionen Organismen. Für unser Auge absolut unsichtbar."

    Ein Blick durch das große Büro von Craig Venter verrät, was den Altmeister der Genforschung außer der Wissenschaft an dem Projekt reizt. Überall Modelle moderner, großer Segelboote. An den Wänden Monitoren. Zu sehen: Wellen, Wind, Boote und Segler. Venter:

    "Ich mache alle Segeltouren selbst und wähle mit dem Team die Orte für die Entnahme der Wasserproben aus. Zu Hause sitzen, während mein Boot um die Welt segelt, das wäre nichts für mich. "

    Bis die genetische Weltkarte der Ozeane fertig ist, wird Craig Venter noch so manchen Segelturn unternehmen können. Ein Lebenswerk, bei dem - so ganz nebenbei - viel Grundlagenforschung anfällt. Venter:

    "Es geht uns nicht nur um die einzelnen Gene. Wir können auch entdecken, wie verschiedene Erbanlagen zusammen arbeiten, wie sie gemeinsam die Basis des Lebens schaffen. Wir suchen nach den fundamentalen Einheiten des Lebens. Wie funktioniert die Ökologie in dieser Region? Wie arbeitet der Stoffwechsel? Wie wird das Treibhausgas CO-2 aus der Luft gefiltert?"

    Vielleicht - so hofft Craig Venter - findet er im Meer einen Organismus, der besonders effektiv das Treibhausgas CO-2 aus der Atmosphäre beseitigt. Gerne würde er außerdem einen Minimal-Organismus finden - die einfachste Form des Lebens. Außerdem arbeiten Forscher in seinem Institut daran, eine solche Minimal-Zelle künstlich zu erschaffen. Die Ideen dazu soll das Meer liefern. Konstruiert wird dann im Labor. Venter:

    "Wenn wir ein künstlich Erbgut schaffen, dessen Gene anders angeordnet sind als in der Natur, dann wäre das der erste völlig synthetische Organismus."

    Das ist das zweite Großprojekt des J-Craig-Venter-Instituts: Die synthetische Biologie. Mehr über diese neue Form die Konstruktion von neuen Organismen - die so genannte synthetische Biologie - hören Sie bei uns am Sonntag um 16 Uhr 30. Forschung aktuell - Wissenschaft im Brennpunkt.