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Zukunft der Mobilität
Pariser Kampf gegen das Auto

Frankreich will sein nationales Bahnsystem ausbauen, doch das könnte dauern. Die französische Staatsbahn SNCF ist hoch verschuldet. Schneller könnte es mit Maßnahmen im Pariser Stadtverkehr gehen. Dort führt die Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo einen regelrechten Kampf gegen das Auto.

Von Jürgen König | 01.08.2017
    Autos sthen vor einer Kreuzung auf dem Champs d'Elysee in Paris, Im Hintergrund der Arc de Triomphe.
    "Es gibt andere Mittel, sich in der Stadt fortzubewegen, als immer nur mit dem eigenen Auto", sagt die Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo (imago / Rainer Unkel)
    Anfang Juli eröffnete die französische Staatsbahn SNCF gleich zwei neue Hochgeschwindigkeitsstrecken: mit bis zu 320 Stundenkilometern fährt der TGV in zwei Stunden von Paris nach Bordeaux; die Hauptstadt der Bretagne, Rennes, erreicht man von Paris aus in 85 Minuten. Staatspräsident Macron lobte als Festredner die herausragenden technischen Leistungen, die da vollbracht worden waren - die weiteren Botschaften aber hatten durchaus etwas Ernüchterndes.
    "Wir sind stolz auf diesen Erfolg, aber es sind noch viele Kämpfe zu bestehen. Denn die Infrastruktur des Landes, ob das die Straßen sind, die Flüsse, die Häfen, die Schienenwege – sie wurde nicht ausreichend in Stand gehalten, ist mancherorts inakzeptabel. Deshalb möchte ich in den nächsten fünf Jahren vor allem die Verkehrsmittel ausbauen, die jeder täglich benutzt. D.h. ausgerechnet heute, da wir dieses große Projekt eröffnen, komme ich, um Ihnen zu sagen, dass es ein ähnlich traumhaftes Großprojekt wie dieses - in den nächsten fünf Jahren nicht geben wird."
    Planungen für TGV-Verbindungen auf Eis
    Von einer "Pause zum Nachdenken" sprach Emmanuel Macron, was konkret bedeutet, dass die Planungen für weitere TGV-Verbindungen, etwa zwischen Bordeaux und Toulouse, vorerst auf Eis gelegt werden. Ministerin Elisabeth Borne, die unter dem Dach des Umweltministeriums für die Verkehrspolitik zuständig ist, führte den Gedanken im Sender France Inter aus.
    "Es ist unverzichtbar, einmal grundsätzlich über eine Politik für die Mobilität der Zukunft nachzudenken. Denn wir erleben ja eine paradoxe Situation: Stolz eröffnen wir zwei neue TGV-Linien und gleichzeitig haben wir mittlerweile 5.300 km Schienenwege, auf denen die Züge immer langsamer fahren müssen - weil die Strecken schlecht gewartet wurden. Dort müssen wir jetzt investieren. Um alle großen Projekte, die versprochen wurden, auch zu bauen, müssten wir zehn Milliarden Euro mehr ausgeben als in der letzten Fünf-Jahres-Periode, dieses Geld aber ist nicht da. Also müssen wir jetzt in Ruhe überlegen und rechnen, zu Beginn des nächsten Jahres werde ich ein Gesetz vorlegen, das ausführt, wie wir uns die Mobilität der Zukunft vorstellen, dazu gehört auch die Frage, welche Großprojekte wir umsetzen wollen und zu welchem Preis."
    Bei Verleihsystemen für Fahrräder und Elektroautos führend
    Mit Umweltminister Nicolas Hulot hat ein prominenter Naturschützer die Oberaufsicht für die Verkehrspolitik, und also wird ein Ausbau des Bahnsystems erwartet, doch dürfte der Zeit brauchen, die SNCF sitzt auf einem Schuldenberg von über 30 Milliarden Euro, der Investitionsbedarf ist riesig, technische Probleme häufen sich. In den Großstädten dominiert nach wie vor das Auto, doch wurde der öffentliche Nahverkehr während der letzten zehn Jahre in vielen Städten bemerkenswert ausgebaut, die Pariser Verleihsysteme für Fahrräder und Elektroautos dienen anderen Großstädten inzwischen als Vorbild.
    Eine Feinstaub-Plakettenpflicht wurde in Paris eingeführt, aufgrund anhaltenden Smogalarms wurden schon mehrmals Fahrverbote ausgesprochen. Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo führt einen regelrechten Kampf gegen das Auto: am deutlichsten sichtbar durch die von ihr durchgesetzte Sperrung langer Abschnitte der Schnellstraßen entlang der Seine.
    Dieselfahrzeuge ab 2020 in Paris verbieten
    "Meine Botschaft ist völlig klar: die Luftverschmutzung ist eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit und die ist nicht verhandelbar! Es gibt andere Mittel, sich in der Stadt fortzubewegen als immer nur mit dem eigenen Auto! Die Geschichte der großen Stadtautobahnen - das ist die Geschichte des 20. Jahrhunderts…"
    Ginge es nach Anne Hidalgo, wären in Paris ab 2020 alle Dieselfahrzeuge, auch Neuwagen, verboten. Umweltminister Nicolas Hulot hat als Ziel ausgegeben, dass ab 2040 in Frankreich überhaupt keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden sollen. Seit 2011 bieten die französischen Autobauer Elektroautos an, über 100.000 Fahrzeuge wurden verkauft, deutlich mehr also als in Deutschland, wo trotz höherer Einwohnerzahl nur 34.000 Elektrofahrzeuge angemeldet sind.