Freitag, 19. April 2024

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Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen im Netz
"Medienpolitik hat ihre Hoheit aufgegeben"

Was ARD, ZDF und Deutschlandradio künftig im Netz dürfen, ist seit voriger Woche in groben Zügen klar. Wie die Einigung mit den Verlegern zustande gekommen ist, findet MDR-Rundfunkrat Heiko Hilker kritisch. Im Deutschlandfunk sagte er, die Verleger hätten Druck auf die Politik ausgeübt.

Heiko Hilker im Gespräch mit Brigitte Baetz | 18.06.2018
    Mathias Döpfner, Rainer Haseloff, Malu Dreyer und Ulrich Wilhelm stehen nebeneinander und lachen
    Verlegerpräsident Mathias Döpfner, die Ministerpräsidenten Rainer Haseloff und Malu Dreyer sowie der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm (picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    Kernpunkt der Einigung ist, dass die öffentlich-rechtlichen Sender im Netz künftig nicht mehr so aussehen dürfen wie die Online-Seiten von Zeitungen. Das Schlagwort lautet "presseähnlich". Sie sollen ihre Schwerpunkte auf Audios und Videos legen. Dafür soll es keine Beschränkungen mehr geben, wie lange diese im Netz online bleiben.
    Darauf haben sich vorige Woche nach monatelanger Kritik und wochenlangen Verhandlungen die Sender einerseits und die Verlage andererseits, vertreten durch den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), geeinigt. Verkündet hat die Einigung BDZV-Präsident Mathias Döpfner, der auch Vorstandsvorsitzender des Springer-Verlags ist.
    Heiko Hilker, Mitglied im Rundfunkrat des MDR, nannte das bezeichnend. Im Deutschlandfunk sagte er, wenn Döpfner als Lobbyist einen Konsens selbst mit vortragen könne. "Mir scheint, als wenn die Medienpolitik zumindest in diesem Bereich ihre Hoheit aufgegeben hat."
    Hilker: Interessen der Privatsender nicht berücksichtigt
    Die Medienpolitik habe ziemlich viel von dem übernommen, was BDZV und Sender vorgeschlagen hätten. Die Interessen der privaten Radio- und Fernsehsender und die der Produzenten seien nicht berücksichtigt worden. "Aus meiner Sicht macht dies deutlich, dass dort ein Verband sehr stark seine Interessen umsetzen konnte, wobei das noch fraglich ist, ob dieser Konsens auch zugunsten aller Verlegerinnen und Verleger, besonders der kleinen und mittelständischen Verlegerinnen und Verleger, sein wird."
    Hilker vermutet, dass sich die Politiker von Verlegern und Sendern unter Druck haben setzen lassen, in deren Medien sie gerne vorkommen wollen. "Natürlich haben die Verleger die Möglichkeit, über diese Art und Weise auch Druck auf die Politik auszuüben."
    Hilker wirft Döpfner vor, Intendanten für Konzernstrategie benutzt zu haben
    Hilker findet den Begriff "Presseähnlichkeit", der im Telemedienauftrag ein Unterscheidungskriterium sein soll, im Online-Bereich fragwürdig: "Ist online nicht ein vollkommen neues Medium?" Außerdem sei die Mitwirkung der Verleger beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk fragwürdig, indem sie bei der Schlichtungsstelle mitwirken, die entscheidet, wieviel Text ein Sender online stellen darf. Das sei doch eigentlich Hoheit der Gremien bei den Sendern.
    "Mir scheint sehr, dass Herr Döpfner den BDZV, aber auch die Intendanten dazu benutzt hat, seine Konzernstrategie weiter zu verfolgen, die darauf beruht, ein starkes privates Medienunternehmen zusammen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern zu führen." Hilker nennt die angedachte gemeinsame Mediathek mit Angeboten von Sendern und Verlagen als Beispiel. Da werde es dann genaue Absprachen darüber geben, wer welche Inhalte anbiete und was man davon mit Werbung finanzieren könne, und dort werde dann die Rendite des Springer-Konzerns im Vordergrund stehen.