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Zukunftspreis 2013
Kristalline Schaltschichten für lebendige Displays

Die Bildschirme von Smartphones und Tablets sind mit einem Siliziumfilm beschichtet, der mithilfe eines speziellen Lasers kristallisiert wird. Dieses wichtige Gerät baut eine Firma in Göttingen, die damit für den deutschen Zukunftspreis nominiert ist.

Von Piotr Heller | 03.12.2013
    Ein Laser kristallisiert die Silizumschicht auf Displays
    Ein Laser kristallisiert die Silizumschicht auf Displays (Deutscher Zukunftspreis / Ansgar Pudenz)
    Bei Smartphones denkt man oft an Kalifornien. Hier begann vor sieben Jahren mit dem iPhone der Siegeszug der Mobiltelefone, die gleichzeitig kleine Computer sind. Oder man denkt an China, wo die meisten Modelle zusammengebaut werden. Kaum einer würde bei dem Begriff Smartphone an Göttingen denken. Doch hier, ziemlich genau in der Mitte Deutschlands, verbirgt sich in einem schlichten Backsteinhaus die Produktionsstätte der Firma Coherent. Das Unternehmen baut Laser, die bei der Fertigung von fast jedem modernen Smartphone eine entscheidende Rolle spielen.
    "Wir stehen hier vor einem Viper-Laser. Das ist der Laser, der die 1,2 Kilowatt UV-Leistung erzeugen muss. Man sieht schon, wie groß der Laser ist. Also wir haben hier ungefähr drei Meter Länge, zwei Meter Breite und 2,5 Meter Höhe. Das Gewicht von so einem Laser alleine sind vier Tonnen. Wenn man sich jetzt noch vorstellt, dass da die ganze Optik dazukommt, dann kommen da schon einige Tonnen zusammen",
    sagt Ralph Delmdahl, Chemiker und Manager bei Coherent. Laser wie dieser kommen heute bei der Herstellung fast jedes Smartphones zum Einsatz. Sie veredeln die hochauflösenden Bildschirme. Die bestehen nämlich nicht nur aus Glas, sondern auch aus einer Siliziumschicht. Sie beherbergt unzählige kleine Schalter, die die einzelnen Bildpunkte, also die Pixel, ein oder ausschalten. Man könnte sagen, die dünne und durchsichtige Siliziumschicht steuert den Bildschirm. Delmdahl:
    "Im Zeitalter hochauflösender Displays ist es so, dass immer mehr Pixel auf so einem Display zusammengequetscht werden. Das heißt, die Pixel sind kleiner geworden und die Schalter müssen mit schrumpfen und sie müssen auch schneller werden. Deshalb muss das Material leistungsfähiger sein."
    Die Siliziumschicht wird auf das Displayglas aufgetragen. Sie ist hauchdünn - 2000 Mal dünner als ein menschliches Haar. Zunächst sind die Siliziumatome weitgehend ungeordnet. Ihre Struktur ist amorph - und dadurch nicht besonders leistungsfähig, erklärt Delmdahl:
    "Das Material ist zu langsam, es ist auch physikalisch unstabil und das bedeutet, man kann hoch aufgelöste Displays nicht mehr mit amorphem Silizium bauen."
    Dieses ungeordnete Silizium muss also eine geordnete Struktur erhalten. Dazu wandelt man es in so genanntes polykristallines Silizium um. Und dabei kommt der Laser ins Spiel, so Delmdahl:
    "Also letztlich wird von sehr großen Glasplatten ausgegangen, mehrere Quadratmeter mittlerweile, aus denen man später vereinzelt die Displays herausschneidet. Und folglich muss ich also eine sehr große Glasplatte mit einem sehr dünnen, amorphen Siliziumfilm umschmelzen in eine große Glasplatte mit einem polykristallinen Film. Und dazu brauche ich UV-Laserlicht, 308 Nanometer. Der Laserstrahl trifft die Glasplatte mit dem amorphen Silizium in Form einer langen Linie."
    Die pulsierende Laserline schmilzt die Siliziumschicht und kristallisiert sie dadurch. Die Länge der Linie ist entscheidend. 75 Zentimeter misst die des Coherent-Lasers. Kein anderer Laser schafft das. Die Handyhersteller können damit breite Glasscheiben behandeln. Das macht die Displayproduktion effizient. Doch die Anforderungen an die Präzision sind groß: Der Laserstrahl muss das Silizium auf 1400 Grad erhitzen, darf das Glas darunter aber nicht zu sehr belasten.
    "Jeder Laserstrahl, jede Linie, jeder Puls muss die gleiche Energie haben und darf auch über die ganze Länge der Linie nicht schwanken. Wenn man zu viel Energie hat, zerstäubt man das Silizium, hat man zu wenig, hat man keine ausreichende Kristallisation. Das würde später im Display zu sehen sein."
    Um die nötige Energie für die Linie zu erzeugen, nutzt Coherent zwei der tonnenschweren Laser. Ein optisches System aus Aufweitungslinsen, Zerstreuungslinsen und halbdurchlässigen Spiegeln vermischt die beiden Strahlen und formt sie zu dem Laserstreifen.
    "Es wird einfach das Licht extrem durchmischt, homogenisiert, überlagert und dann sehr homogen abgebildet. Sodass die Linie über ihre ganze Länge nur ein Prozent Energieschwankungen hat."
    So bedienen die Göttinger den immer weiter wachsenden Bedarf an hoch aufgelösten Bildschirmen. Jede der Maschinen verarbeitet pro Monat Glas von der Fläche von drei Fußballfeldern. Und weltweit laufen gerade 100 der Linienlaser im Dauerbetrieb.