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Zukunftsstrategie
VW strebt mit früherem Apple-Manager die digitale Revolution an

Volkswagen will in die Zukunft aufbrechen. Der Wolfsburger Konzern hat sich den ehemaligen Apple-Manager Johann Jungwirth ins Unternehmen geholt, um die Digitalisierung voranzubringen. Er geht nicht mehr davon aus, dass künftig jeder ein eigenes Auto besitzt. Darauf will Volkswagen reagieren.

Von Hilke Janssen | 16.06.2016
    VW-Fahrzeuge stehen auf einem Autohof in Freiburg.
    Volkswagen rechnet nicht mehr damit, dass künftig jeder ein eigenes Auto besitzt. (imago)
    Johann Jungwirth hat sich nicht weniger vorgenommen als die digitale Revolution im Traditionsunternehmen Volkswagen. Der ehemalige Daimler- und Apple-Manager hat lange im kalifornischen Silicon Valley gearbeitet und ist seit einem halben Jahr der oberste Digital-Stratege bei VW. Jungwirth will, dass die Autos der Zukunft elektrisch und autonom - also ganz von alleine - fahren. Der 43jährige ist überzeugt…
    "…dass Menschen sich lieber an der Haustür von einem Auto abholen lassen und dann von Tür zu Tür bringen lassen anstatt ein Auto zu besitzen, das dann zwei oder drei Blocks weiter geparkt ist. Oft ist es so, dass das Auto halt 23 Stunden am Tag herumsteht."
    Ein Auto per Handy-App bestellen und dann auf der vollautomatischen Fahrt Zeitung lesen oder Emails schreiben: In drei bis fünf Jahren, glaubt Jungwirth, werden die ersten selbstfahrenden Modelle auf den Markt kommen. Das heißt auch: Nicht mehr jeder, der Auto fahren will, muss sich auch ein Auto kaufen. VW will darum zum Komplettanbieter werden - also auch Geld damit verdienen, dass jemand über eine Plattform einen Fahrservice bestellt. Dank künstlicher Intelligenz könnten ganze Auto-Flotten wie von Geisterhand durch die Städte fahren, glaubt Johann Jungwirth - zum Beispiel bei der nächsten Europameisterschaft.
    "Wir lernen über die Zeit, wann in einem Stadion ein Fußballspiel losgeht, mit welchen Zügen die Fans anreisen oder wo die wohnen und wann eben der Bedarf ist. Und genauso lernen wir, wann das Fußballspiel zuende ist, und dann stehen eben 10.000 oder 30.000 oder 50.000 Autos ready und können die Menschen abholen und in die Innenstadt oder nach Hause fahren."
    Johann Jungwirth bei einem Vortrag, im Hintergrund eine stilisierte Weltkarte
    Johann Jungwirth, Leiter des Bereichs Digitalisierungsstrategie beim Volkswagen-Konzern. (dpa / Uli Deck)
    Konkurrenz von Apple und Google
    Auch wenn sich viele Deutsche an diesen Gedanken noch gewöhnen müssen: Der Computer an Bord wird langfristig wohl der schlauere und bessere Autofahrer sein, glaubt der VW-Manager.
    "Weil dieses selbstfahrende System sozusagen 20 Augen hat und nicht nur zwei. Das schläft nicht ein am Steuer, das regt sich nicht über andere auf, es lässt sich nicht ablenken, es trinkt keinen Alkohol und nimmt keine Drogen."
    Dass Volkswagen in die digitale Offensive geht, liegt auch an der neuen Konkurrenz. Reiche Konzerne wie Apple und Google könnten den Traditionsherstellern mit smarten Elektroautos zuvorkommen. VW-Digitalchef Johann Jungwirth sieht die IT-Unternehmen allerdings eher als strategische Partner. Der Wandel in der Autowelt, sagt er, sei eine Mammut-Aufgabe für die gesamte Industrie.
    "Das Automobil und die Mobilität neu zu erfinden, das ist eine einmalige Chance. Ich persönlich glaube, das wird es in den nächsten 100 bis 150 Jahren wahrscheinlich so nicht noch einmal geben."