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Verhaltensforschung. - Die Veranlagung zu Kooperation ist uns Menschen offenbar in die Wiege gelegt. Das unterstreicht eine Veröffentlichung im Fachblatt "Nature". Hauptautorin Katharina Hamann vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig erklärt im Gespräch mit Arndt Reuning, warum das Prinzip "Hilfst du mir, dann teilen wir hinterher den Gewinn" schon im Kindergartenalter funktioniert.

Katharina Hamann im Gespräch mit Arndt Reuning | 21.07.2011
    Reuning: Frau Hamann, wie genau kommen Sie denn zu dieser Aussage?

    Hamann: Also, wir haben eine Studie durchgeführt mit zwei- und dreieinhalbjährigen Kindern und haben im Prinzip das Teilverhalten dieser Kinder untersucht. Und wir wollen jetzt wissen, ob die Kinder eher teilen, wenn sie sich in einer kooperativen Situation befinden.

    Reuning: Wie sah das Ding genau aus? Welchen Versuch haben sie mit diesen Kindern angestellt?

    Hamann: Die Belohnung waren Murmeln, und die befanden sich auf einem Brett, das sich außerhalb der Reichweite der Kinder befand, und um an diese Murmeln heranzukommen, mussten sie das Brett zu sich heranziehen. Und zwar mit Seilen. Also sie mussten in der kooperativen Situation gleichzeitig an den beiden Enden eines Seils ziehen und dann kamen die Murmeln zu ihnen herangerollt; und es ist so, das eine Kind bekam drei Murmeln und das andere bekam eine. Verglichen wurde das dann mit einer Parallelsituation. Und da war es eben so, dass jedes Kind für sich genommen die Seile ziehen konnte. Also jedes Kind hatte sozusagen sein eigenes Brett und seine eigenen Murmeln. Und das Ergebnis war aber das gleiche: Das eine bekam drei und das andere eine. Und da war es eben zum Beispiel wirklich so, dass dreijährige Kinder vor allen Dingen dann die Murmeln abgegeben haben, wenn die beiden das gemeinsam gemacht haben, aber nicht, wenn die Kinder sozusagen nebeneinander saßen und parallel an den Seilen gezogen haben.

    Reuning: Also wenn die Kinder zusammen an diesem Problem gearbeitet haben, dann haben Sie sie hinterher auch geteilt?

    Hamann: Genau. Das war das Ergebnis.

    Reuning: Weshalb machen wir das?

    Hamann: Da gibt es eigentlich zwei Antworten drauf: Es gibt halt eine psychologische Antwort, eine entwicklungspsychologische Antwort. Und die wäre… Also unsere Idee ist, dass die Kinder ab diesem Alter ungefähr verstehen, was es ist, ein gemeinsames Ziel zu haben. Wir haben jetzt das gemeinsame Ziel, die Belohnung zu holen. Und das bedeutet auch, dass sie beide gleich viel abbekommen. Also das ist wirklich nur der Fall in so einer kooperativen Situation, und nicht, wenn wir nebeneinander sitzen und beide für uns spielen. Und dann gibt es eine evolutionäre Idee oder Interpretation der Daten, weil wir eben auch im Vergleich mit Affen gefunden haben, dass Affen dieses Verhalten überhaupt nicht zeigen. Also obwohl Affen sehr gute Kooperierer sind - die können auch gemeinschaftlich jagen und ab und zu teilen sie auch - haben wir also trotzdem nicht gefunden, dass das bei denen so verbunden ist. Und dann entsprechend ist die Idee, dass es an unserer evolutionären Vergangenheit liegt. Also wir als Menschen kooperieren ja sehr viel und teilen auch recht häufig und wir haben auch schon immer in unserer Vergangenheit im Prinzip vor vielen, vielen Jahren Beute gemeinschaftlich erlegt, und zwar wurde das vielleicht irgendwann einmal notwendig für uns das zu tun, weil es sonst nicht genug Nahrung gegeben hätte. Und bei den Affen ist es eben nicht so gewesen. Obwohl die ab und an schon jagen, gemeinschaftlich, können sie sich schon ganz gut von ihren individuellen Nahrungsbeschaffungsprozessen ernähren.

    Reuning: Das heißt, das Verhalten ist in der Geschichte der Menschen angelegt? Könnte es nicht einfach sein, dass man das erlernt hat?

    Hamann: Die Kinder sind ja noch relativ jung. Natürlich ist es immer möglich, dass man das erlernt hat, aber andererseits könnte man es vielleicht auch so sehen, dass man sozusagen diese Möglichkeit, dass man das überhaupt erlernen kann, dass man das mitbekommt, evolutionär. Da läuft nicht so ein Programm ab, wo man auf einen Knopf drückt und plötzlich teilt man, sondern es ist eben so, dass man sozusagen die Neigung, so etwas überhaupt lernen zu können und in solchen Situationen aufzuwachsen, wo Eltern das eben auch von einem eventuell verlangen, dass das eben vielleicht in unserer Vergangenheit eine Rolle gespielt hat und dazu beigetragen hat.