Donnerstag, 18. April 2024

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Zum Tod der Krimiautorin Maj Sjöwall
Am Anfang des Schwedenkrimis

Sie galten als Erfinder des Schwedenkrimis, Kommissar Beck war ihr bekanntester Ermittler. Gemeinsam mit Per Wahlöö schrieb Maj Sjöwall eine zehnteilige Krimiserie, die prägend wurde. Am 29. April starb die Autorin und Übersetzerin im Alter von 84 Jahren.

Von Kirsten Reimers | 30.04.2020
Die Autorin Maj Sjöwall im Jahr 2015.
Die Autorin Maj Sjöwall im Jahr 2015. (AFP / TT News Agency / Johan Nilsson)
Gemeinsam mit ihrem Mann Per Wahlöö gilt Maj Sjöwall als Pionierin des schwedischen Polizeikrimis. Als "Göttin, auf deren Schultern die Titanen der modernen Skandinavienkrimis stehen" bezeichnete sie gar die britische Tageszeitung "Daily Telegraph" im Jahr 2015. Sjöwall selbst war da deutlich bescheidener, in einem Interview rund kurz nach der Jahrtausendwende wähnte sie sich sogar vergessen. Aber ihr Einfluss auf Autoren wie Henning Mankell, Stieg Larsson oder Arne Dahl ist unbestreitbar. Der dänische Krimiautor Jussi Adler-Olsen sieht in Sjöwall und Wahlöö die Wegbereiter des skandinavischen Kriminalromans. Auch den deutschen Soziokrimi der sechziger und siebziger Jahre hat das Duo mitgeprägt und seine Spuren in den sozialkritischen Kriminalromanen vieler europäischer Autoren hinterlassen
Maj Sjöwall wurde am 25. September 1935 in Stockholm geboren. Sie studierte Journalismus und Grafik und arbeitete mehrere Jahre lang für verschiedene Zeitungen. Anfang der 60er Jahre lernte sie ihren späteren Mann kennen, den Politikjournalisten Per Wahlöö. Gemeinsam schrieben sie die Krimiserie "Roman über ein Verbrechen". Im Mittelpunkt stand der Kommissar Martin Beck. Die Krimis waren äußerst erfolgreich und wurden in 40 Sprachen übersetzt sowie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. In Deutschland ist die Figur des Ermittlers unter anderem durch die deutsch-schwedische Fernsehfilmreihe "Kommissar Beck" bekannt, die im ZDF ein Millionenpublikum erreichte.
Der gebrochene Kommissar
Die zehn Romane von Sjöwall und Wahlöö, die zwischen 1965 und 1975 erschienen, verbanden schonungslose Gesellschaftsanalyse mit spannender Unterhaltung. Sie bezogen eindeutig Position gegen Fremdenfeindlichkeit und für Toleranz und übten Kritik an Staat wie Gesellschaft. Im damaligen Schweden war das eine kleine Revolution, verstand das Land sich doch selbst als Musterstaat. Für Sjöwall und Wahlöö war dies jedoch nur Fassade. Für sie waren Verbrechen das Symptom einer kranken Gesellschaft, die Verbrecher selbst waren ebenso Täter wie auch Opfer.
Neu war auch die Figur des gebrochenen Kommissars: depressiv, zutiefst pessimistisch und mit starker Neigung zum Alkohol, vergräbt er sich so sehr in seine Arbeit, dass er sich darüber seiner Familie entfremdet. Martin Beck mit seinem zerrütteten Privatleben ist bis heute die Blaupause für Henning Mankells Kurt Wallander sowie für zahllose weitere skandinavische Ermittler.
Per Wahlöö starb 1975 wenige Wochen nach der Veröffentlichung des zehnten und letzten Bandes. Nach seinem Tod schrieb Maj Sjöwall nur noch wenige Romane. Sie habe keine Lust mehr auf den Medienrummel, der mit einer Buchveröffentlichung einherginge, sagte sie in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel 2005. Sie schreibe nun nur noch zu ihrem Vergnügen. Sjöwall arbeitete seit Mitte der siebziger Jahre vor allem als Lektorin und übersetzte Kriminalromane ins Schwedische. Ihre Bedeutung als Krimiautorin ist bis heute jedoch unvergessen und ungebrochen.
Am 29. April starb Maj Sjöwall nach langer Krankheit. Sie sei still eingeschlafen, ließ ihre Familie mitteilen.