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Zum Tod von Alfred Biolek
Kulinarischer Konversationsmeister

Er war der perfekte Gastgeber: ob in der Fernsehküche, in der Talkrunde oder auf der Showbühne. Über die Rechtswissenschaften war Alfred Biolek zum ZDF gekommen und prägte die westdeutsche Fernsehunterhaltung. Sein Erfolgsrezept: kein Unterschied zwischen Ernsthaftem und Unterhaltung.

Von Beatrix Novy | 23.07.2021
Im Alter von 87 Jahren ist Alfred Biolek gestorben
Im Alter von 87 Jahren ist Alfred Biolek gestorben (picture alliance / dpa / Foto: Oliver Berg)
In den 70er Jahren eroberte ein seltsames Format das deutsche Fernsehen: Es hieß Talkshow. Im Prinzip zeigte es das, was Leute vor der Erfindung des Fernsehens zuhause getan hatten: zusammensitzen und klönen. Kulturkritische Kommentare, diesen Punkt betreffend, versiegten schnell: Talkshows wurden Alltagsfernsehkost und Talkmaster zu Stars. Einer von ihnen hob das Image des Formats beträchtlich: Bei Alfred Biolek, da war man sich einig, hatte die Talkshow Niveau.

Hörbar gebildet

Er war hörbar gebildet, und er konnte geistreich sein, fast wie weiland der Showmaster der Extraklasse, Joachim Kulenkampff. Der allerdings hatte bei aller Verbindlichkeit einen etwas schärferen Ton gepflegt, als es Alfred Biolek je konnte oder wollte. Sein Talkshow-Prinzip entsprach seiner Lebenseinstellung: "Diese Schlussfolgerung überlass ich Ihnen, denn vielleicht wäre meine eine andere und dann käme es zu Konflikten und die wollen wir vermeiden."
Alfred Biolek (r.) und sein Stargast und Kollege Harald Schmidt kosten am 9.10.2003 in Köln im Rahmen der Aufzeichnung der Sendung "alfredissimo!" Weisswein. 
In seiner Kochsendung "alfredissimo" talkte Alfred Biolek mit diversen Gästen wie hier 2003 mit Kollege Harald Schmidt (picture-alliance / dpa | Roland Scheidemann)
Gründe für diese Haltung finden sich in Bioleks Lebenslauf: Geboren wurde er 1934 in eine sehr katholische Familie im heute tschechischen Freistadt. Seine erklärtermaßen glückliche Kindheit endete für den Elfjährigen mit dem Zweiten Weltkrieg. Die Bioleks landeten als Vertriebene im schwäbischen Waiblingen, fanden schnell aus der Not heraus. Der junge Alfred ging, damals eine Seltenheit, als Austauschschüler in die USA. Nach dem Abitur lief für den Sohn eines Rechtsanwalts alles nach Familienplan: Er schloss sein Jurastudium erstklassig ab und trat 1963 eine Stelle als Justitiar beim damals noch jungen Zweiten Deutschen Fernsehen an.

Studentenzeit im wilden München

Aber da hatte die Studentenzeit, vor allem die im wilden München, schon ihre Wirkung getan: Alfred Biolek war vom bürgerlichen Konservativen zum, wie er es nannte, Bohemien geworden - mit einem Faible für das Unkonventionelle. Die Entdeckung seiner Homosexualität könnte dabei auch eine Rolle gespielt haben. Die allerdings machte er selbst nie öffentlich. Das sollte viel später einer seiner Talkgäste, Rosa von Praunheim, ungefragt vor laufender Kamera besorgen.
Dabei hatte der zu den Außenseitern gehört, die sich in Bioleks frühen Talkshows auf einer Ebene mit Prominenten begegneten. Politiker und Stars trafen auf Feuerschlucker, Aussiedlerfamilien oder Krishna-Mönche. Und Biolek konnte man abnehmen, dass es ihm nicht um preiswerten Voyeurismus ging.
"Ich bin in Österreich-Schlesien geboren: Da hat ein Drittel der Menschen polnisch, ein Drittel tschechisch und ein Drittel deutsch gesprochen. Das lehrte mich, über den Tellerrand hinwegzuschauen und sich auch mit anderen zu identifizieren. Und das galt eben auch für den britischen Humor: Ich konnte den gut verkraften."
Der weltläufige Alfred Biolek schaffte es schon 1971, den eigentlich inkompatiblen britischen Humor, nämlich Monty Python, ins deutsche Fernsehen zu bringen. Das war, wie die Quoten zeigten, historisch verfrüht. Erst sein Erfolg mit der Rudi Carrell-Show ebnete ihm alle Wege.
Alfred Biolek (2.v.l.) posiert am Freitag (28.11.2008) im Musical Dome in Köln bei der Vorstellung des neuen Monty Python-Musicals "Spamalot" mit den Darstellern Serkan Kaya (l-r, Sir Galahad), Amber Schoop (Lady of the Lake) und Michael Flöth (König Artus).
Alfred Biolek 2008 mit Darstellern des Monty Python-Musicals "Spamalot" - Biolek hatte Monty Python in Deutschland mit bekannt gemacht (picture-alliance/ dpa | Rolf Vennenbernd)

Respekt für "Bio’s Bahnhof"

Ein Jahr später inszenierte er für den WDR seine erste Talkshow, übersprang mühelos die in Deutschland hochgehaltenen Grenzen zwischen U- und E-Musik und erfand die bunt genre-gemischte Erfolgsshow "Bio's Bahnhof", die selbst Sammy Davis jr. Respekt abnötigte: So freundlich urteilten US-Gäste selten über deutsche Fernsehunterhaltung. Respekt erntete er auch in den Feuilletons für seine Show "Boulevard Bio", wo er Zeitgeschichte in Personen zusammentrug - von Günter Grass über Wladimir Putin bis zu Monica Lewinski.

Offenheit und Harmoniebestreben

Die Kehrseite seines verbindlichen Konversationsstils, seiner Offenheit für alles und alle, seines Harmoniestrebens konnte nicht unkritisiert bleiben. Was den einen Toleranz hieß, erschien anderen nur wachsweich. Die kabarettistische Kölner Stunksitzung parodierte Biolek als Interviewer von Adolf Hitler; Höhepunkt war die im einfühlsamen Bio-Ton vorgebrachte Frage: "Herr Hitler - wie stehen Sie zum Holocaust?" Aber auch dieser Sketch enthielt keine echte Häme, so wenig wie etliche andere, die den Schmecklecker Biolek mit seinen ungemein erfolgreichen Kochshows auf die Schippe nahmen. Es war eine logische Wendung: Kochen war für ihn immer Kommunikation gewesen. Für sich allein habe er nie auch nur ein Spiegelei gemacht, sagte er.