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Zum Tod von Bernardo Bertolucci
"Ein monumentaler Maler des Kinos"

Für "Der letzte Kaiser" bekam er den Oscar, "Der letzte Tango in Paris" ist heute umstrittener denn je: Der italienische Filmemacher Bernardo Bertolucci ist im Alter von 77 Jahren gestorben. Für Kritiker Rüdiger Suchsland war er einer der ganz Großen - nicht nur des italienischen Kinos.

Rüdiger Suchsland im Gespräch mit Anja Reinhardt | 26.11.2018
    Der italienische Film-Regisseur Bernardo Bertolucci ist tot.
    Der italienische Film-Regisseur Bernardo Bertolucci ist tot. (dpa/Frédéric Dugit)
    Bernardo Bertolucci steht für ein Kino, das gleichermaßen sinnlich und intellektuell ist. Filmkritiker Rüdiger Suchsland sieht in Bertolucci einen klassischen Vertreter der 68er-Generation. Seine ersten Filme repräsentierten gut die Stadien des Wegs von der Zeit vor der Revolution bis zur Melancholie des Post-68er-Daseins und zu den durch Terror geprägten 70er- Jahren in Italien.
    Sein oscarprämierter Film "Der letzte Kaiser" ist nach Ansicht von Rüdiger Suchsland auch von enormem historischen Wert. Als erster Regisseur konnte Bertolucci nämlich in der verbotenen Stadt Peking drehen. Dabei habe er Sachen gefilmt, die es heute nicht mehr gibt, da sie im Zuge der Hypermodernisierung Chinas kaputt gegangen seien. Gleichzeitig setze sich der Film mit der italienischen Linken und ihrer Begeisterung für den Maoismus und die Kulturrevolution in den frühen 70er-Jahren auseinander.
    In dieser Hinsicht sei Bertolucci immer ein kritischer und selbstkritischer Begleiter der Linken gewesen. Stilistisch stehe er für das Epische und Monumentale. Suchsland bezeichnet ihn als einen "Maler des Kinos". Neben den großen Bildern sei auch der Soundtrack für ihn und seine Filme essentiell.
    Über den Film "Der letzte Tango in Paris" wurde im Zuge der Me-too-Debatte wieder heftig diskutiert, also über die Frage, ob Bertolucci und der Schauspieler Marlon Brando die Darstellerin Maria Schneider eigentlich missbraucht haben, um die Bilder zu bekommen, die sie bekommen wollten. Suchsland hält diesen Film weiter für wichtig, da er ein Stück Zeitgeist repräsentiere, zu dem auch ein anderes Verhältnis zur Sexualität und zu den Beziehungen von Männern und Frauen gehört habe.
    Gleichzeitig gibt es für den Filmkritiker aber deutlich wichtigere und bessere Filme von Bertolucci, zum Beispiel "Dreamers" oder auch "1900" - für Suchsland der wichtigste Film von Bertolucci. "1900" sei ein Meisterwerk, das die private Geschichte geschickt mit der italienischen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verbindet. Insgesamt sei Bernardo Bertolucci einer der ganz Großen - nicht nur des italienischen Kinos.