Freitag, 19. April 2024

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Zum Tod von Ernesto Cardenal
Revolutionär und Mystiker

Ernesto Cardenal war ein bedeutender Vertreter der Befreiungstheologie und einer der großen Dichter Lateinamerikas. In Deutschland hatte der 1925 in Granada geborene Priester eine treue Fangemeinde. Für die Verbreitung seiner Schriften und Gedichte sorgte ein Wuppertaler Verlag.

Hermann Schulz im Gespräch mit Angela Gutzeit | 02.03.2020
Der Dichter, katholische Befreiungstheologe und ehemalige Kulturminister von Nicaragua, Ernesto Cardenal, trägt sich im Kaminsaal des Bremer Rathauses in das Goldene Buch der Hansestadt Bremen ein. Der Bremer Senat empfing den 89-Jährigen zum Start einer bundesweiten Lesereise.
1980 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet: Ernesto Cardenal (imago / Eckhard Stengel)
Ernesto Cardenal war Marxist und Priester, der bis zuletzt fest davon überzeugt war, dass sich Christentum und ein Sozialismus mit menschlichem Antlitz miteinander verbinden lassen. In den Siebziger Jahren unterstützte er den Kampf der sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) gegen den Diktator Anastasio Somoza. Nachdem die FSLN 1979 Somoza gestürzt hatte, bekleidete Cardenal bis 1987 das Amt des Kulturministers der sandinistischen Regierung unter Daniel Ortega. Mit dem einstigen Kampfgefährten wollte Cardenal später nichts mehr zu tun haben. Er nannte Ortega korrupt und diktatorisch. Aber auch mit dem damaligen kirchlichen Oberhaupt der katholischen Kirche lag Cardenal wegen seines linksgerichteten politischen Engagements über Kreuz. Papst Johannes Paul II. verbot ihm 1985 die Ausübung seiner priesterlichen Ämter. Beindrucken ließ sich Cardenal davon nicht.
Moderne Psalmen
Verbunden hat Ernesto Cardenal seinen Kampf für soziale Gerechtigkeit mit einem unermüdlichen literarischen Schaffen. Als ihn in Lateinamerika noch kaum einer kannte, machte ihn der damalige Verleger des Wuppertaler Peter-Hammer-Verlages, Hermann Schulz, in Nicaragua auf eigene Faust ausfindig. Er hatte lediglich ein Gedicht von ihm gelesen, so erzählte Hermann Schulz, selbst Schriftsteller, im Gespräch mit Angela Gutzeit. "Daraus wurden dann mehr als 40 Buch-Publikationen im Laufe der Jahre", so Schulz. "Am Anfang standen die Psalmen, das heißt, moderne Psalmen-Nachdichtungen." Das Ganze sei verlegerisch in den politische bewegten Zeiten Ende der 60er Jahre in der Bundesrepublik "ein Riesen-Erfolg" gewesen.
Das Reich Gottes auf Erden
Cardenal galt bald als einer der bedeutendsten Dichter Nicaraguas und darüber hinaus. Mit seinen Büchern "Gesänge des Universums" oder "Das Evangelium der Bauern von Solentiname" ging er auf Reisen. Besonders in Deutschland fanden seine Texte und Gedichte großen Anklang. "Er war eigentlich ein Mystiker", so Hermann Schulz. "Alles, was er geschrieben hat, vor allen Dingen in den letzten 20 Jahren, da geht es um das Reich Gottes auf Erden." Das sei eine recht fundamentalistische Haltung, so der ehemaliger Wuppertaler Verleger - eben der tiefere Sinn seines Glaubens an den Sozialismus und an einen Kommunismus gewesen. Cardenals Verse seien manchmal etwas einfach gestrickt gewesen, aber trotzdem steckte dahinter ein sehr kluger Kopf, so der Resümee von Hermann Schulz.
Ernesto Cardenal wurde 1980 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. 2005 war er sogar für den Literaturnobelpreis nominiert.
Der Dichter, Priester und Politiker Ernesto Cardenal 2014 bei einem Auftritt in Bremen.
Theologe über Ernesto Cardenal: "Seine Sehnsucht nach einer besseren Welt bleibt"
Ernesto Cardenal war Priester, Dichter und Politiker. Der Befreiungstheologe wollte die Welt und die Kirche verändern, der Vatikan strafte ihn ab. "Sehr, sehr viele Menschen teilen diese Faszination weiterhin", sagt der Theologe Gerhard Kruip im Dlf.
Gestern ist der große Mystiker, Dichter und Revlutionär im Alter von 95 Jahren in Managua gestorben.