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Zum Tod von Inge Feltrinelli
Königin der Verleger

Sie wurde als Deutsche geboren und ist als Italienerin gestorben - als große Verlegerin und eine Frau, die Fotogeschichte geschrieben hat. Inge Feltrinelli war eine Institution, die sich um das Buch in Italien und weit darüber hinaus verdient gemacht hat. Nun ist sie im Alter von 87 Jahren gestorben.

Von Tassilo Forchheimer | 20.09.2018
    Die italienische Verlegerin Inge Schönthal-Feltrinelli lacht in die Kamera.
    Die italienische Verlegerin Inge Schönthal-Feltrinelli (dpa/Ralf Roeger)
    Inge Feltrinelli wurde 1930 als Inge Schönthal in Essen geboren. Ihr jüdischer Vater musste 1938 in die Niederlande emigrieren. Keine einfache Kindheit also. Umso größer war die Aufbruchstimmung nach dem Krieg.
    "Es war ja ein großes Nachholbedürfnis an Literatur. Damals machten die Rowohlt für eine Mark William Faulkner. Und jedes Kind konnte sich einen Roman leisten, der nie in Deutschland - oder wenigstens in den letzten 20, 30 Jahren nicht veröffentlicht war."
    Die wissbegierige junge Frau wollte Fotoreporterin werden. Mit 19 Jahren radelte sie deshalb von Göttingen nach Hamburg und schaffte es tatsächlich, berühmt zu werden. Den Durchbruch brachte ein gemeinsames Foto mit dem großen Schriftsteller Ernest Hemingway.
    "Dieses Foto hab ich selbst gemacht mit einem Selbstauslöser. Das wurde dann mein großer Scoop. Paris Match, Picture Post, die ganze Welt hat mich gedruckt. Und dann wurde ich zu Picasso geschickt und Simone de Beauvoir und habe dann meine Reporterkarriere gemacht."
    Danach ging es Schlag auf Schlag. Unter anderem durfte sie auch John F. Kennedy, Marc Chagall, Greta Garbo und Fidel Castro porträtieren. 1958 lernte sie in Hamburg ihren späteren Mann kennen, den Verleger Giangiacomo Feltrinelli. Seit der Hochzeit 1960 lebte sie in Italien und war hier heimisch geworden.
    "Ich gehe sehr gerne nach Deutschland. Also ich komme sehr gerne auf Besuch, aber mein Leben ist hier, meine Sprache ist hier, ich bin total italianisiert."
    Sie schuf eine große Buchhandelskette
    Was sicher auch damit zu tun hatte, dass sie sich ab Ende der 60er Jahr ganz alleine um den Verlag kümmern musste, den ihr Mann mit Welterfolgen wie Doktor Schiwago von Boris Pasternak oder dem Leoparden von Giuseppe di Lampedusa groß und erfolgreich gemacht hatte.
    Giangiacomo Feltrinelli war ein sehr politischer Mensch. Mitglied der Kommunistischen Partei, mit Rudi Dutschke befreundet, radikalisierte er sich Ende der 60er Jahre und verschwand im Untergrund. 1972 soll er bei einem Bombenattentat auf einen Strommasten ums Leben gekommen sein. Die genauen Umstände sind bis heute unklar. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, italienische Geheimdienstkreise könnten an dem Tod beteiligt gewesen sein.
    Inge Feltrinelli jedenfalls nahm die Aufgabe an und schuf eine große Buchhandelskette, wie sie Italien zuvor nicht gesehen hatte.
    "Früher gab es hier in Italien immer den Spruch, wenn man reinkam, kam ein strenger Buchhändler und sagte: "Desidera?" "Was wünschen Sie?" - in solchem Befehlston. Da gingen die Leute sofort wieder raus. Das ist alles bei uns anders. Und ich glaube, das ist schon eine wichtige Leistung von uns."
    ... die erst recht in jener Zeit keineswegs selbstverständlich war. Inge Feltrinelli hat sich als Deutsche und als Frau in Italien durchgesetzt – mit viel Energie, mit Kreativität und einem großen Gespür für Qualität.
    "Mein ganzes Leben war immer der Wunsch nach Exzellenz und the best."
    "Ich kann nicht ohne Bücher leben", hat sie einmal gesagt. Nun müssen Italien und die Welt der Bücher von Inge Feltrinelli Abschied nehmen.