Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Zum Tod von Jaki Liebezeit
"Besser als die Drum Machine"

Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit sei schon zu Lebzeiten eine Legende gewesen, sagte Musikkritiker Thomas Elbern im Deutschlandfunk. Sein Minimalismus im Spiel habe Liebezeit zu einer internationalen Ikone werden lassen.

Thomas Elbern im Gespräch mit Marietta Schwarz | 23.01.2017
    Das deutsche Duo Jaki Liebezeit (Schlagzeug) und Marcus Schmickler (r, elektronic) spielt am 08.06.2014 auf dem Moers Festival.
    Das deutsche Duo Jaki Liebezeit (Schlagzeug) und Marcus Schmickler (r, elektronic) spielt am 08.06.2014 auf dem Moers Festival. (dpa / picture alliance / Bernd Thissen)
    Marietta Schwarz: Die Kölner Band Can hat den Krautrock Ende der 1960er, Anfang der 70er-Jahre entscheidend mitgeprägt – auch wenn sie sich selbst nie als Rockband im klassischen Sinne bezeichnet hat. Can war avantgardistisch, bewegte sich irgendwo zwischen Free Jazz und Psychedelic Rock. Neben den Stockhausen-Schülern Irmin Schmidt und Holger Czukay war der Schlagzeuger Jaki Liebezeit der Can-Mann der ersten Stunde. Einer, dessen Spiel oft als düster, roboterhaft, geradezu hypnotisch beschrieben wurde. Gestern ist Jaki Liebezeit im Alter von 78 Jahren gestorben. Mein Kollege Thomas Elbern ist im Studio. Sie kannten ihn persönlich. Wie erinnern Sie sich denn Jaki Liebezeit? Was war das für ein Typ?
    Thomas Elbern: Also dafür, dass er ein Weltstar war, fand ich ihn unglaublich umgänglich, unglaublich nett und unglaublich angenehm. Also er hat den Star - der er ja eigentlich wirklich war - überhaupt nicht raushängen lassen, sondern eher so den Schlagzeuger von nebenan, sozusagen.
    "Er spiele jede Rhythmusmaschine an die Wand"
    Schwarz: Er kam ja ursprünglich aus dem Jazz, hat in den frühen sechziger Jahren zum Beispiel mit Chet Baker gespielt. Wie viel Jazz war denn in seinem Schlagzeugspiel noch enthalten und was machte so diesen typischen Stil aus von ihm?
    Elbern: Jaki Liebezeit - schon zu Lebzeiten eine Legende - vor allem als Drummer der Gruppe Can, wo er das rhythmische Fundament dieser Gruppe bildete. Sein Schlagzeugstil war monoton, also nicht gerade düster, sondern eher schmucklos, viel eher von afrikanischen Rhythmen als von ausufernden Grooves geprägt. Man sagt Liebezeit nach, dass er jede Rhythmusmaschine an die Wand spielen konnte, unvergessen die Can Alben "Future Days", "Flow Motion", "Tago Mago" aus den Siebzigern. Liebezeit war der rhythmische Motor einer Band, die es geschafft hat, die deutsche Muffigkeit und Spießigkeit der sechziger und siebziger Jahre zu überwinden, indem sie einfach alles anders gemacht hat als die englischen und amerikanischen Bands. Also Can hatte zum Beispiel Nicht-Sänger, keine richtigen Songs, psychedelische Soundscapes und immer einen Drummer, der alle Experimente zusammenhielt - und das war Liebezeit.
    Schwarz: Und man war da ja eigentlich schon fast nah an Kraftwerk dran, oder?
    Elbern: Eigentlich schon. Aber das afrikanische Element war bei ihm halt auch immer rauszuhören. Und das andere Ding ist: Er spielte halt auch immer ein bisschen besser als die Maschine.
    "Er wird noch viele Schlagzeuger prägen"
    Schwarz: Er hat ja weit über die Zeit von Can hinaus Musik gemacht und produziert, auch mit Größen wie Brian Eno. Also ist er im Grunde seines Herzens der Avantgardist geblieben, der er auch ursprünglich war?
    Elbern: Ich würde eher sagen, er war der Weltstar. Unvergessen sind natürlich die Can-Alben. Aber auch Brian Eno, Eurythmics, Depeche Mode, Robert Coyne. Das sind alles Leute, die ihn für ganz verschiedene Musik gebraucht haben und überall hörte man Jaki Liebezeit heraus. Er war ein international Player, einer, der immer aus der etwas provinziellen Musikszene Kölns ganz schnell ausbrach und den man in Amerika, wie in England schätzte. Vor allem hat Liebezeit auch immer Projekte gemacht, auf die er Lust hatte und die ihn künstlerisch gereizt haben. So auch Zusammenarbeit mit dem Sound-Tüftler Burnt Friedman, mit dem er als Duo auftrat und mehrere Alben produzierte. Vor allem die "Secret Rhythms"-Reihe sei hier erwähnt, das ist schon echt, schon wirklich ein bisschen avantgardistisch. Es war aber auch Burnt Friedman, der seine eigenen Worte zum Tod von Liebezeit fand. Ich zitiere mal:
    "Sein Geist könnte nicht präsenter sein, hat er doch die Selbstverwirklichungs-, Lustigkeits- und Unterlassungstechnik für gespielte Musik eingeführt, ohne die man heute in programmierter Musik kaum auskommt, nur mit dem Unterschied, dass hier die Unterlassung des Spielens, Schlagens doch den Maschinen geschuldet ist, hier aber der Intention des Ausführenden."
    Also, das würde ich wirklich als Fazit sagen: Jaki Liebezeit wird sicher noch lange präsent bleiben und viele Schlagzeuger nach ihm prägen. Warum? Er ließ einfach Schläge weg, anstatt welche zu spielen. Und dieser Minimalismus, den er mit seinem Spiel geprägt hat, ist nicht programmierbar, er ist Post-Maschine und ist ein absolutes Markenzeichen von ihm gewesen. Keine wuchtigen Klänge, keine Effekte wie Hall auf dem Schlagzeug, sondern der Klang der Trommel mit einem Timing gespielt, das nur er so hatte und dass das Schlagzeug zu einem eigenen Instrument gemacht hat, dem man wirklich zuhört.
    Schwarz: Thomas Elbern über den Schlagzeuger Jaki Liebezeit, der im Alter von 78 Jahren gestorben ist. Sein Werk, das lebt natürlich weiter.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.