Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Zum Tod von Martin Warnke
Der Modernisierer der Kunstgeschichte

Politische und gesellschaftliche Umstände müssen beim Blick auf die Kunst mitgedacht werden. Mit dieser Einstellung hat Martin Warnke die Kunstgeschichte verändert. Nun ist er mit 82 Jahren gestorben. Warnke habe gegen große Widerstände kämpfen müssen, sagte Kunsthistoriker Horst Bredekamp im Dlf.

Horst Bredekamp im Gespräch mit Anja Reinhardt | 12.12.2019
Eine Fotographie des Kunsthistorikers Martin Warnke aus dem Jahr 2006. Er trägt eine Anzug-Jacke und Krawatte und blickt leicht lächelnd in die Kamera
Der Kunsthistoriker Martin Warnke starb im Alter von 82 Jahren. (Gerda Henkel Stiftung)
Aus welchem Kontext heraus Kunst entsteht und gelesen werden muss, das war ein wichtiges Thema für den Kunsthistoriker Martin Warnke, der am Mittwoch im Alter von 82 Jahren gestorben ist. Martin Warnke hat den Blick auf Kunst in der Deutschen Nachkriegszeit bis in das neue Jahrtausend entscheidend mitgeprägt. Vor allem, weil er immer die politischen und gesellschaftlichen Umstände mitgedacht hat.
Nach Ansicht des Kunsthistorikers Horst Bredekamp verfügte Martin Warnke über einen Blick auf die Kunst von innen wie von außen. Warnke wuchs in Brasilien auf und kam erst zum Studium nach Deutschland. Dadurch habe er von Anfang an einen sehr kritischen und zugleich produktiven Blick auf die Kunstgeschichte gehabt.
Gegen das Raster der Unterordnung
Bredekamp erinnerte an den Kölner Kunsthistoriker-Kongress von 1970, bei dem Martin Warnke eine Sprachanalyse der kunsthistorischen Populärliteratur nach dem Krieg vorgenommen habe. Er habe damals ohne Polemik zeigen können, dass die großen Muster der Beschreibung von Kunstwerken "nach den Rastern der Unterordnung, der Autorität, der Gliederung von oben nach untern und des Kleinmachens von gegensätzlichen Details" funktioniert habe - und zwar über die Grenze von 1945 hinaus.
Mit dieser Analyse rief Warnke einen erbitterten und beispiellosen Widerstand hervor, so Bredekamp. Widerstand, der dazu geführt habe, dass Warnke nirgends eine Stelle bekommen habe. Erst mit der Berufung nach Marburg sei diese "Wand" durchbrochen worden.
Politische Umstände mitdenken
In Marburg entstand damit eine Schule, die die Kunstgeschichte bis heute stark verändert hat, wie Bredekamp betonte. Die Kunstgeschichte sei durch Warnke eine moderne Wissenschaft geworden.
Was es heißt, wie Warnke die politischen Umstände beim Blick auf Kunstwerke mitzudenken, machte Bredekamp am Beispiel von Objekten aus der Kolonialzeit deutlich. Von Martin Warnke könne man lernen, dass "Trophäen" aus den ehemaligen Kolonien, also Objekte, die eine koloniale Attitüde zum Ausdruck brächten, diejenigen, die diese Ideen haben, vor sich hertreiben könnten.
Lebenslauf:

Martin Warnke wurde am 12. Oktober 1937 im brasilianischen Ijuí geboren. Sein Vater war als Pfarrer zu einer Kolonie von Deutschbrasilianern ausgewandert. Zum Studium schickte die Familie Martin Warnke nach Deutschland, damit er keinen Wehrdienst in Brasilien leisten musste.

Er studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik in München, Madrid und Berlin. 1963 wurde er an der FU Berlin promoviert mit der Arbeit "Kommentare zu Rubens". 1964/65 absolvierte er ein Volontariat an den Berliner Museen. 1970 habilitierte er sich in Münster mit der Schrift "Organisation der Hofkunst".Von 1971 bis 1978 war er Professor für Kunstgeschichte an der Universität Marburg. Von 1979 bis zu seiner Emeritierung 2003 lehrte er an der Universität Hamburg.

Er leitete die Forschungsstelle für Politische Ikonographie im Warburg-Haus in Hamburg, die er aus Mitteln des ihm 1990 verliehenen Leibniz-Preises finanzierte. Hier widmete er sich dem Werk des Kulturwissenschaftlers Aby Warburg, für dessen Archive im Warburg-Haus er sich erfolgreich engagierte.

Am 11. Dezember 2019 starb Martin Warnke im Alter von 82 Jahren in Halle.