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Zum Tod von Peter O'Toole
Für immer Lawrence von Arabien

Es waren die Blicke seiner Augen, mit denen der jetzt verstorbene Schauspieler Peter O'Toole in "Lawrence von Arabien" alle in seinen Bann zog. Auch wenn er später in seinen Rollen meist nicht mehr an diese Performance heran kam, so gab es doch viele bemerkenswerte Auftritte, die acht Oscar-Nominierungen wert waren.

Von Josef Schnelle | 16.12.2013
    Die ganze Geschichte von David Leans Meisterwerk "Lawrence von Arabien" lässt sich als Geschichte der Augen-Blicke von Peter O´Toole erzählen. Mit gefräßiger Neugier, verwundbar und naiv schaut der Schauspieler mit den stahlblauen Augen auf die endlosen Weiten und Schönheiten der Wüste. Zu den listigen Augen eines Füchsleins werden sie, wenn er König Feisal von seinem Plan erzählt, die von den Türken am Roten Meer gehaltene Festungsstadt Akaba von der Wüstenseite her zu erobern, da sämtliche Kanonen auf See gerichtet sind. Unendliche Trauer drücken die Augen aus, nachdem sein junger Diener im Treibsand versunken ist. Stolz und arrogant schaut er auf die Kollegen im britischen Offiziersclub nach seinem gelungenen Coup herab. Nach blutiger Schlacht ist er wie im Rausch. Seine Pupillen zittern. Er ist ein anderer Mensch geworden, einer der in die Tiefe seiner dunklen Wünsche eingedrungen ist. Ungläubig, mit fast verschleiertem Blick schaut er auf die zerstrittene Versammlung der arabischen Stämme in Damaskus.
    "Lawrence von Arabien" ist ein Monumentalfilm, der alle Register zieht und doch ist es im Wesentlichen die Geschichte eines einzelnen Mannes, der im Übrigen fast in jeder Einstellung des Films zu sehen ist. Es ist der Lebensfilm des Peter O´Toole, der 1962 mit kaum 30 Jahren zur filmischen Ikone wurde. Bei aller Dominanz seiner Augen-Blicke fasziniert auch seine Körpersprache, die sich vom ersten linkischen Aufsitzen auf einem Kamel zu den Triumphgesten eines Kriegshelden entwickelt. In der Illusionskunst Film ist alles erlaubt und so kam manche der berühmten Szenen mit ungewöhnlichen Hilfsmitteln zustande, wie Peter O´Toole einmal im Interview erzählte:
    "'Was machst Du da?' fragte ich Omar Sharif. 'Ich werde mich an meinem Kamel festbinden.' 'Ich werde mich betrinken' und er: 'Ich werde mich auch betrinken.' Die Szene wurde später in einer Kritik im "Time"-Magazine hochgelobt: 'O´Toole hat diesen messianischen Zorn in seinen Augen.' Dabei war ich nur sturzbesoffen und hoffte nur, dass ich auf meinem Kamel sitzen bleiben würde.“
    "Loitering with Intent", also "Herumtreiben ist Absicht", so nannte Peter O´Toole seine Autobiographie, die in zwei Bänden ab 1992 erschien. Darin geht es um das wilde Privatleben des großen Mimen, vor allem um die Saufexzesse, die er mit dem anderen großen irischen Schauspieler Richard Burton in den 1960er Jahren veranstaltete, aber auch die Karriere als seriöser Shakespeare-Darsteller, dessen erste Rolle "Hamlet" war und dessen Auftritte als Heinrich II. sich auch in zwei Filmen wiederfinden: in "Beckett" 1964 und in "Der Löwe im Winter" 1968.
    Rund 60 Filme hat Peter O´Toole gedreht. Nicht immer waren das Meisterwerke und auch seine Rollen kamen meist nicht an seine Performance als "Lawrence von Arabien" heran. Doch immerhin gibt es so viele bemerkenswerte Auftritte, dass der irische Schauspieler acht Mal für einen Oscar als bester Schauspieler nominiert wurde. Zum Beispiel für seine Darstellung eines rücksichtlosen, zynischen Filmregisseurs, der seine Schauspieler dirigiert wie Schachfiguren in Richard Rushs "Der lange Tod des Stuntman Camaron" 1980. Oder für seinen scheuen Englischlehrer in "Goodbye Mr. Chips" 1969, der sich in ein Glamourgirl verliebt, das ihn überfordert. Als britischer Privatlehrer zeigte er in Bernardo Bertoluccis "Der letzte Kaiser" 1987 wie man auch aus einer kleinen Rolle einen denkwürdigen Auftritt machen kann. Und auch als König Priamos, der seinen Sohn Hektor betrauert, aktivierte er in Wolfgang Petersens "Troja" diese Fähigkeit. Die Folge: Immer häufiger wurde er als gütiger alter Herr in einer Nebenrolle besetzt. Von seinen acht Nominierungen für den Oscar als Bester Schauspieler - angefangen natürlich mit "Lawrence" - war keine einzige erfolgreich. Und so wollte er 2003 von einem Ehren-Oscar der Academy zunächst nichts wissen, ließ sich dann aber doch überreden, nicht ohne die Veranstaltung, bei der ihm Meryl Streep die Statue überreichte, mit etwas britisch-irischer Ironie zu würzen.
    "Always a bridesmaid, never a bride"
    Seine letzten nicht sehr bedeutenden Filme drehte er noch 2012. Verkündete dann überraschend aber mit ungewöhnlicher Haltung und mit aristokratischem Stil das Ende seiner Karriere. "Ich bin nicht mehr mit dem Herzen dabei und das wird sich auch kaum ändern. Trockenen Auges und mit tiefer Dankbarkeit sage ich meinem Beruf Lebewohl." Das klingt ein bisschen nach T.E. Lawrence. Man wird sowieso bei "Lawrence von Arabien" immer gleich an Peter O´Toole denken, - damals, als die Filme noch größer waren als das Leben selbst.